Grenzen der Solidarität: hat das soziale Europa noch eine Chance?
Artikel vom 31.10.2023
Wie steht es um die Solidarität unter den Staatsbürger*innen der Europäischen Union? Wie blicken die Bürger*innen auf die Vertiefung der europäischen Sozialpolitik? Gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt widmeten wir uns diesen und weiteren Fragen.
Beginn: 01.02.2024 | 14:00 Uhr
Ende: 01.02.2024 | 21:00 Uhr
Ort:
Schader-Campus | Goethestraße 2 | 64285 Darmstadt
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Hohe Solidarität?
Solidarität unter Staatsbürger*innen gehört zum Kitt, der moderne Gesellschaften zusammenhält. Doch in einer politisch und wirtschaftlich entgrenzten Welt stellt sich die Frage, wer wem unter welchen Bedingungen zu Solidarität verpflichtet ist, in ganz neuer Weise. Die Europäische Union (EU) beruft sich häufig auf das Prinzip der Solidarität über Grenzen hinweg, doch die Bereitschaft dazu wird immer wieder auf die Probe gestellt. Meist sind es akute Krisen, die Forderungen nach mehr europäischer Solidarität virulent werden lassen. Dazu gehörten die Staatsschuldenkrise im Euroraum und die COVID 19-Pandemie sowie aktuell der Umgang mit der Zuwanderung und der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Sie alle werfen Fragen nach Hilfspflichten, Verteilungsgerechtigkeit und Reziprozität auf und werden sehr kontrovers diskutiert. Diese (akuten) Krisen haben das Projekt eines sozialen Europas in den Hintergrund treten lassen, bei dem die Marktdimension der Integration um eine wohlfahrtsstaatliche ergänzt werden soll.
In einem Expertenworkshop wurden die Zukunftsaussichten einer solidarischen, sozialen EU im Lichte der Ergebnisse eines Forschungsprojekts an der TU Darmstadt diskutiert. Das Projekt war angelegt zu untersuchen, welche Solidaritäts- und Reziprozitätserwartungen Menschen gegenüber Bürger*innen anderer europäischer Länder und den Institutionen der Europäischen Union haben. Um dies zu erforschen, sind 27 Fokusgruppen in neun Ländern der Eurozone organisiert worden: Deutschland, Finnland, Griechenland, Lettland, Litauen, Niederlande, Portugal, Slowakei und Spanien. In den Fokusgruppen wurden Menschen aus verschiedenen soziodemographischen Gruppen aufgefordert, Probleme der Reziprozität und Verteilungsgerechtigkeit mit europäischer Dimension diskutieren. Ein zentrales und in dieser Klarheit nicht erwartetes Ergebnis der Studie ist, dass Menschen in allen Teilen Europas einer Vertiefung der europäischen Sozialpolitik skeptisch gegenüberstehen. Das Projekt einer europaweiten Arbeitslosenversicherung etwa traf auch in ärmeren Mitgliedstaaten mit höherer Arbeitslosigkeit auf wenig Gegenliebe.
Gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt plante die Schader-Stiftung, die Ergebnisse dieses vom BMBF geförderten Projekts in einem Workshop in einen Dialog mit der Praxis einfließen zu lassen.
Ihr Anprechpartner ist Dennis Weis.