Zehn Jahre Lehman-Pleite: Deutung und Bedeutung eines schwierigen Jahrestages
Artikel vom 20.11.2017
Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008 folgte, hat grundlegende Fragen aufgeworfen: Wie muss das Finanzsystem gestaltet und reguliert werden, damit es seine gesellschaftlichen Aufgaben erfüllt? Reichen die nach der Krise geschaffenen Strukturen dazu aus, eine erneute Vergesellschaftung von Verlusten zu verhindern?
Beginn: 21.02.2018 | 12:30 Uhr
Ende: 21.02.2018 | 18:00 Uhr
Ort:
Schader-Stiftung
|
Goethestr. 2
|
64285 Darmstadt
In Google Maps öffnen
Erneutes Nachdenken über grundlegende Fragen ist notwendig
Der zehnte Jahrestag des Zusammenbruchs von Lehman Brothers ist ein naheliegender und fälliger Anlass, um über dessen Deutung nachzudenken. Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die dem Zusammenbruch folgte, hat grundlegende Fragen aufgeworfen: Wie sollen die gesellschaftlichen Aufgaben des Finanzsystems und seiner immer noch wichtigsten Organisationen, der Banken, bestimmt werden? Wie muss das Finanzsystem gestaltet und reguliert werden, damit es diese Aufgaben erfüllt? Reichen die nach der Krise geschaffenen Strukturen dazu aus, eine erneute Vergesellschaftung von Verlusten zu verhindern? Genügen die geschäftspolitischen, organisatorischen und kulturellen Veränderungen bei Banken und anderen Organisationen des Finanzsystems, um zumindest auf absehbare Zeit stabilere Verhältnisse sicherzustellen?
Die am Jahrestag zu reflektierenden Auswirkungen der Krise gehen weit über die Herausforderung hinaus, ein effizientes und stabiles Finanzsystem zu schaffen. Erschütterte die Krise nicht das Vertrauen in den Markt als Koordinationsinstrument erster Wahl und in den Staat als wirksames Korrektiv? Die Ereignisse von 2008 haben grundsätzliche Fragen zur Funktionsweise unseres Wirtschaftssystems aufgeworfen, zu den gesellschaftspolitischen Problemen globalisierter Ökonomien sowie zu der Frage, wie wir über das Verhältnis von Individuum, Wirtschaft und Gesellschaft denken und debattieren. Was ist die treffendere Beschreibung der Krise: Versagen eines Systems, Versagen einer gesellschaftlichen Logik oder moralisches Versagen einzelner Akteure?
Ein erneutes Nachdenken über diese Fragen ist auch deswegen notwendig, weil die Debatte zu den gesellschaftlichen Implikationen der Krise nach einer relativ kurzen Phase angstvoller Aufgeregtheit wieder an den Rand öffentlicher Aufmerksamkeit geraten ist. So spielten Fragen nach der gesellschaftlichen Funktion von Finanzmärkten und Banken und ihrer Regulierung im jüngst zurückliegenden Bundestagswahlkampf kaum eine Rolle.
Offener Austausch und ein Nachdenken jenseits weit verbreiteter Krisenanalysen
Dennoch wird dem zehnjährigen Jahrestag der Lehman–Pleite spätestens im September 2018 eine hohe mediale Aufmerksamkeit zu Teil werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, über die üblicherweise mit der Krise verbundenen Folgen und politischen Reaktionen hinaus zu gehen und nach den tiefer reichenden Wurzeln und Spuren der Krise zu fragen. Dies braucht Diskursformate, die den offenen Austausch und ein Nachdenken jenseits weit verbreiteter Krisenanalysen befördern. Es müssen dazu Brücken geschlagen werden zwischen Praxis und Wissenschaft, zwischen unterschiedlichen Bereichen und Öffentlichkeiten der Gesellschaft, zwischen Real- und Finanzwirtschaft, sowie zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen.
Gemeinsam mit der Schader-Stiftung lädt der Forschungsverbund „Was sollen Banken tun?“ einen ausgewählten Kreis von – für die öffentliche Meinungsbildung relevanten – Wissenschaftlern, Kommentatoren und gesellschaftlichen Repräsentanten ein zum Workshop „Zehn Jahre Lehman-Pleite: Deutung und Bedeutung eines schwierigen Jahrestages“.
Der Workshop ist nicht öffentlich. Er findet unter der Chatham House-Rule statt und soll Gelegenheit bieten, Schwerpunkte der notwendigen Debatte und möglicherweise übersehene Problembereiche zu identifizieren. Vielleicht gelingt es dabei auch, die geplanten Kommunikationsaktivitäten der Beteiligten zum Krisenjubiläum zu ergänzen und zu bereichern. Der Workshop dient auf diese Weise auch der Vorbereitung einer öffentlichen Tagung zum unmittelbaren Jubiläumstermin im September des Jahres 2018.
Zum Ablauf: Über den Nachmittag verteilt finden zwei Workshop-Runden statt, in denen die Beteiligten ihre jeweiligen Perspektiven zu den folgenden Fragenkomplexen einbringen und diskutieren:
1. Wie haben die Beteiligten die Finanzkrise selbst erlebt und wie hat sie ihr Denken beeinflusst? Was hat die Krise in den von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vertretenen Organisationen verändert, sowohl konkret im Sinne neuer Aufgaben und Themen bzw. veränderter Strukturen als auch in kultureller Hinsicht?
2. Ist aus der jeweiligen Perspektive der Beteiligten die Krise in ausreichender Art und Weise aufgearbeitet worden? Wenn nein, welche Problembereiche sind nicht gründlich beleuchtet oder angegangen worden? Warum nicht? Was ist noch zu tun? Welche negativen Effekte der Maßnahmen zur Vermeidung oder Bewältigung von Krisen sind ggf. zu beachten? Welche Korrekturen sind denkbar bzw. notwendig?
Den Abschluss der Veranstaltung bilden moderierte Tischrunden, in welchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aktuelle Handlungsbedarfe und Perspektiven diskutieren, die sich aus der Finanzkrise ableiten lassen.
Dem Forschungsverbund „Was sollen Banken tun?“ gehören an das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) an der Georg-August-Universität, der Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Darmstadt sowie das Oswald von Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt am Main. Der Forschungsverbund wird als Teil der BMBF-Förderinitiative „Finanzsystem und Gesellschaft“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.