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#coronanetzwerke

Artikel vom 12.05.2020

Foto: shutterstock

Netzwerkforschung beim Starkbierfest. Ein Blogbeitrag von Christian Stegbauer.

Können wir durch die Krise lernen?

Die Verbreitung des Corona-Virus erfolgt über persönliche Kontakte, also über soziale Netzwerke mit einer bestimmten Struktur. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Ansteckung beschränken die Netzwerke der Menschen. Auch Videokonferenzen ersetzen die zufälligen Begegnungen mit Bekannten nicht. Neue Begrüßungsrituale, auch das wird in Netzwerken ausgehandelt. Wenn die Menschen beginnen, bestimmte Waren zu hamstern, dann sind Netzwerke daran beteiligt. Das gilt auch für die Industrie oder die Versorgung mit Schutzkleidung. Hier reißen Zulieferernetzwerke ab oder sie werden aus politischen Kalkülen heraus gekappt. Der lockdown arrangiert Netzwerke in den Familien neu und schneidet andere ab. Die Netzwerkforschung ist bedeutsam in der Corona-Krise.

Wir reagieren darauf mit einem Sammelband mit Beiträgen zur Veränderung von sozialen Netzwerken. Das Buch wird den Titel „Corona Netzwerke: Gesellschaft im Zeichen des Virus“ (Christian Stegbauer und Iris Clemens als Herausgeber*innen) tragen und wird, so alles gut geht, im September erscheinen. Tatsächlich gibt es für uns in der Netzwerkforschung einiges zu lernen: Die superschnelle Entwicklung von Kultur, im Angesicht einer Bedrohung. Vor kurzem wurde ein Maskierungsverbot wirksam und es wurde über Verschleierung diskutiert, jetzt haben wir ein Maskengebot. Auch das Verweigern des Handschlags wurde bis vor kurzem skandalisiert. Auf unserer letzten großen Tagung „Warum Netzwerkforschung“ im Schader-Forum Anfang März (der letzten größeren Veranstaltung der Schader-Stiftung vor der Krise) waren wir die Hygienegebote noch nicht gewohnt und wollten eigentlich das Händegeben vermeiden. Dies ließ sich damals aber noch nicht ganz durchsetzen. Mittlerweile sind alle Menschen auf Distanz. Wenn man sich zufällig beim Spaziergang begegnet, handelt man eine Begrüßung aus. Das Berühren des Schuhs, eine Verbeugung oder der Kontakt via Ellenbogen, fast jede Begegnung handhabt das anders. Eine einheitliche, die Mikronetzwerke übergreifende Form ist noch nicht gefunden. Diese müsste dann nach und nach über die Netzwerkstrukturen diffundieren, und sie müsste ansteckend sein, ähnliche wie das Virus selbst.

Bis heute gibt es Schwerpunkte der Infektion dort, wo sich Menschen beim Karneval, Starkbierfest oder Après-Ski ansteckten und sich das Virus so verbreitete. Interessant ist, dass solche Krankheitshubs entstehen, wenn einander fremde Menschen in intensive, aber im Vergleich  kurzweilige und sporadische Beziehungen treten. Wenn es hoch hergeht, eine gewisse Lautstärke vorhanden ist, man schreien muss, sich gegenseitig nahe kommt, dann findet eine Übertragung statt. Solche superschwachen Beziehungen werden bislang aber kaum in der Netzwerkforschung beachtet. Dies, obwohl solche Begegnungen nicht nur für die Verbreitung des Virus entscheidend sind, sondern auch für die Entwicklung von Ritualen, wie etwa bei Begrüßungen. Die Verbreitung hängt dann weiterhin davon ab, wen die Infizierten anschließend treffen. Sind sie in ihrer Heimat verwurzelt und bleiben in der Region, wie etwa bei den Starkbierfesten, dann bleibt die Ausbreitung auch sehr begrenzt auf die kollektiven Netzwerke der Teilnehmenden. Am Berg hingegen dürften die Menschen nicht nur diversere Netzwerke besitzen, auch kommen die Teilnehmenden aus unterschiedlichen Regionen. Ein solches Ereignis streut das Virus also viel weiter als ein Heimatfest nur für die Einheimischen.

von Christian Stegbauer.

 

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