Städtetourismus und urbanes Leben: Zum Verhältnis von Wohnqualität und Tourismus
Artikel vom 15.06.2021
Der Städtetourismus hat einen enormen Aufschwung erlebt. Die Auswirkungen dieses Booms auf die Wohnqualität und Mietpreisentwicklung vor Ort werden allerdings kontrovers diskutiert. In welchem Verhältnis stehen Städtetourismus und Wohnqualität?
Beginn: 20.07.2021 | 14:00 Uhr
Ende: 20.07.2021 | 18:45 Uhr
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Städtetourismus und urbanes Leben: Zum Verhältnis von Wohnqualität und Tourismus
Sind Sie schon mal für ein Wochenende nach Berlin gefahren, sind durch ein Wohngebiet spaziert, haben im Café gesessen und das bunte Treiben betrachtet? Dann gehören Sie zu den sogenannten New Urban Tourists, die vor Ort nicht nur positiv gesehen werden: Reisende, die sich in Großstädten auf neue Pfade begeben, das „normale Leben“ im Stadtteil beobachten und die besondere Atmosphäre für ein paar Tage hautnah erleben wollen.
Die einfache Buchung privater (Ferien-)Wohnungen über Onlineplattformen wie Airbnb, die vielen kulturellen und kommerziellen Angebote der Großstadt, die gute Erreichbarkeit und das positive Image hipper, junger, trendiger und günstiger Metropolen sorgen seit Jahren für steigende Besuchs- und Übernachtungszahlen in Städten. Für die Bewohnerschaft innerstädtischer Trend-Bezirke werden die Gäste jedoch zum Zankapfel: New Urban Tourists werden verantwortlich gemacht für Lärm und Dreck, für die Verknappung von Wohnraum, für steigende Mieten, für Enge und für Kommerzialisierung. Ihretwegen, so wird behauptet, machen Metzgereien zu und Cafés auf, werden Eisenwarenhandlungen von Dekoläden ersetzt und die Wohnungssuche schwerer. Denn mit vielen kurzzeitigen Vermietungen lässt sich mehr verdienen als mit einer langfristigen.
Viele der beschriebenen Probleme gehören zur conditio urbana und können nicht so leicht einer abgrenzbaren Gruppe von Fremden zugeordnet werden. Wie erkennt man, ob eine Zigarettenkippe auf dem Bürgersteig von einem Touristen oder der Nachbarin hinterlassen wurde? Ist der laute Junggesellenabschied aus dem Nachbarbezirk oder aus Nürnberg angereist? Ist der Rollkoffer wirklich lauter als die Müllabfuhr? Und wie viele kulturelle Angebote gäbe es noch, wenn nur Einheimische sie wahrnehmen würden?
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsprojekt „Kiez in der Tourismusfalle?“ an den Technischen Universitäten Darmstadt und Berlin, das an der Schnittstelle von Soziologie und Immobilienökonomie arbeitet, hat sich diesem Streit gewidmet und am Beispiel von Berlin die Effekte des Städtetourismus auf die lokale Wohnqualität untersucht. Der Online-Workshop stellt die Ergebnisse des Forschungsprojekts vor.
Zugleich wude dort über das Berliner Beispiel hinaus diskutiert, in welchem Verhältnis Städtetourismus und Wohnqualität stehen. Der Workshop betrachtete dazu drei Themenstränge:
- Zum ersten die Wechselwirkungen zwischen dem Markt für Wohnimmobilien und der Nutzung von Wohnungen als Touristenunterkunft, zum Beispiel via Airbnb.
- Zum zweiten die Dimensionen der Wohnqualität mit besonderem Augenmerk auf den Unterschieden von kurzzeitiger vs. längerfristiger Nutzung.
- Und drittens den Einfluss des Städtetourismus auf die verschiedenen Aspekte des urbanen Lebens selbst.
Dabei stellten sich unter anderem folgende Fragen: Welche Effekte hat der Städtetourismus auf die lokale Wohnqualität? Welche Auswirkungen hat der damit einhergehende Wandel von Ladengeschäften auf das urbane Kiez-Leben? Welche Nutzungen von öffentlichem und privatem Raum ermöglichen ein friedliches Miteinander der verschiedenen Gruppen? Wie kann eine Balance zwischen den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung und Ansprüchen der Reisenden hergestellt werden?
Veranstalter waren die Schader-Stiftung, das Fachgebiet Stadt- und Raumsoziologie der Technische Universität Darmstadt sowie das Fachgebiet Planungs- und Bauökonomie/ Immobilienwirtschaft der Technischen Universität Berlin.
Der Workshop richtete sich an Entscheidungsträger*innen der Tourismusbranche, Vertreter*innen von Immobilienwirtschaft, Politik und Gewerbe, des Quartiersmanagements sowie fachlich Interessierte.