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Praxis des Stadtumbaus: Erhalt leerstehender Altbauten

Artikel vom 22.05.2006

Sehr problematisch: Leerstand im innerstädtischen Altbaubestand

Der Wohnungsleerstand im innerstädtischen Altbaubestand der neuen Bundesländer stellt ein besonders großes Problem dar. So waren bereits im Jahr 2000 etwa ein Drittel der bis 1918 errichteten Wohneinheiten hiervon betroffen - mit weiter steigendem Trend. Praxisbeispiele aus Görlitz, Leipzig und Stendal zeigen, wie dieser Entwicklung entgegengewirkt werden kann.

Zur Lage und Entwicklung des Altbaubestandes in den neuen Bundesländern

Hauptursachen des innerstädtischen Leerstands in Altbauquartieren liegen einerseits in der Wohnungsbaupolitik der ehemaligen DDR, die den Altbaubestand bewusst stark vernachlässigte, so dass ein großer Teil der Wohnungen unbewohnbar wurde. Andererseits ist der intensive Suburbanisierungsprozess nach der Wiedervereinigung – die Abwanderung der Wohnbevölkerung in Eigenheime im Umland der Städte und Gemeinden – als Ursache zu benennen.

Wie im Jahr 2000 die Regierungskommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern“ in ihrem Bericht verdeutlichte, ist die Eigentumsbildung durch Neubau günstiger als über Sanierung und Modernisierung von Altbausubstanz. „Um weiteren Leerstand und Verfall zu vermeiden“, fordert die Kommission, „müssen möglichst viele potenzielle Erwerber dazu angeregt werden, modernisierten Wohnraum in Altbauten zu erwerben, bestehende Gebäude ihren Wünschen entsprechend umzubauen oder Eigentum auf Recyclinggrundstücken oder auf den schon bestehenden großen innerstädtischen Flächenreserven zu bilden.“
Um dem Wohnungsleerstand in innerstädtischen Altbauquartieren langfristig entgegenwirken zu können ist ein Umdenken in der Stadtplanung bzw. die Setzung neuer Prioritäten erforderlich. Dies kann sich zum Beispiel äußern in:

  • einem bewussten „Liegenlassen“ von baufälligen Gebäuden in Gebieten mit geringen Erhaltungschancen
  • Rückbau / Umbau frühgründerzeitlicher zweistöckiger Gebäude zu innerstädtischen Reihenhäusern
  • Umwandlung vierstöckiger Altbauten zu Maisonette-Wohnungen durch Haus-in-Haus-Lösungen
  • Herstellung / Bereitstellung von großzügigem familienfreundlichem Wohnen durch Wohnzusammenlegungen.

Das Programm Stadtumbau Ost zielt darauf ab, dem drohenden physischen Verfall und der sozialen Erosion in den Städten entgegenzuwirken, um ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu stärken und weiterzuentwickeln. Insbesondere gilt es, die besonders wertvollen innerstädtischen Altbaubestände, die in besonderem Maße von Leerstand betroffen sind, für die Zukunft zu sichern. Darauf sind die Förderinstrumente des Stadtumbaus ausgerichtet. Das Maßnahmenpaket fördert gezielt die städtebauliche Entwicklung, den notwendigen Rückbau des Wohnungsüberhangs, Instandsetzungs- und Modernisierungsinvestitionen sowie die Eigentumsbildung. Damit lassen sich vor allem die Innenstädte revitalisieren und die Tendenzen zur Zersiedlung des Umlandes vermindern.

Das Programm „Stadtumbau Ost“ sieht nicht nur die Bezuschussung für Wohneigentumsbildung in innerstädtischen Altbauquartieren vor, sondern auch eine Erhöhung der Investitionszulage für Mietwohnungen des innerstädtischen Altbaus sowie bestimmter denkmalgeschützter Bauten. Gleichzeitig wird betont, dass „die Stärkung der Innenstädte nur dann erreicht werden kann, wenn es in den nächsten Jahren gelingt, einen Teil der potenziellen Eigenheiminteressenten mit ihren Investitionen von der ‚grünen Wiese‘ in die Altstadtzentren zu bewegen.“ Doch aufgrund unrealistisch hoher Preiserwartungen für innerstädtische Grundstücke seitens privater Hauseigentümer wird der Suburbanisierungstrend stärker gefördert. Die Bundesregierung fordert daher von den Kommunen und städtischen Wohnungsbaugesellschaften eine offensive Liegenschaftspolitik, welche zum Beispiel private Eigentümer bei schwierigen Aushandlungsprozessen zwischen Denkmalschutz, Bauordnungs- und -aufsichtsämtern unterstützt, eine stufenweise Erneuerung der Altbausubstanz auf zunächst substanzsicherndem Niveau zulässt oder auch ‚Altbau-Rohbauten‘ zu besonders günstigen Konditionen veräußert.

Praxisbeispiel: Altstadtsanierung in Görlitz - „Die Höfe“

Eckdaten zum Stadtumbau in Görlitz
Einwohnerentwicklung:
Im Zeitraum 1990-2003 Wanderungsverluste von ca. 20% in der Gesamtstadt. 1990: 72.237 Einwohner; 2003: 57.677 Einwohner.
Einwohnerverlust in der Historischen Altstadt von 12,8% im Zeitraum zwischen 1994-1996, jedoch ein Zuwachs um 14,1% von 2000-2003.

Ziele des Stadtumbaus:

  • Bewältigung des Wohnungsleerstands u.a. durch kontrollierten Abbruch
  • Urbanität durch Funktionsmischung, ausgewogene Bevölkerungsstruktur und verschiedenste Bebauungstypen und Wohnformen
  • Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung, d.h. funktionale Stärkung des Stadtzentrums


Ziele des Projekts:

  • Revitalisierung der Altstadt
  • Funktionsmischung aus kleinteiligem Wohnen und nicht störendem, altstadttypischem Gewerbe
  • Belebung des Gebietes durch Aufwertung des öffentlichen Raumes (gastronomisch und kulturell)


Das Projekt
Das Projekt „Die Höfe“ umfasst insgesamt 4 Gebäude, die durch eine gemeinsame Hofsituation miteinander verbunden wurden. Dadurch konnte eine Nettonutzfläche (ohne Höfe, Passagen und Hallen) von ca. 3.200 m² erreicht werden. Gleichzeitig wurden drei der eingebundenen Gebäude komplett neu saniert und restauriert. Die Bauphase betrug insgesamt eineinhalb Jahre. Durch umfangreiche Rückbaumaßnahmen in den Gebäuden wurden nicht nur historische Raumstrukturen freigelegt, sondern gleichzeitig auch neue geschaffen. Wand- und Deckenmalereien wurden wiederhergestellt und mit neuen, modernen Gestaltungselementen kombiniert.

Die Situation
Durch die verfehlte Baupolitik vor 1989 kam es zum Verfall der Altbausubstanz in der Innenstadt, verbunden mit ersten Wohnungsleerständen. Die Schließung wirtschaftlich bedeutender Einrichtungen wie zum Beispiel der Textilindustrie, Feinmechanik, der Energiewirtschaft sowie Teilen des Maschinen und Anlagenbaus hatte eine starke Bevölkerungsabwanderung aus der Stadt zur Folge, was wiederum den Leerstand und Verfall im innerstädtischen Altbau förderte.

Durch die Realisierung der „Höfe“ konnte ein Stück der ursprünglichen Funktion der Innenstadt von Görlitz, verbunden mit einem altstadttypischen Mix aus Wohnen, Gewerbe und Gastronomie, erhalten und erweitert werden.

Praxisbeispiel: Das Leipziger Selbstnutzer-Modell

Eckdaten zum Stadtumbau in Leipzig
Einwohnerentwicklung:
Zwischen 1989 bis 2003 Rückgang der Einwohnerzahlen um ca. 8% in der Gesamtstadt:
1989: 538.900 Einwohner
2003: 496.532 Einwohner.

Ziele des Stadtumbaus:

  • Prioritätensetzung durch Konzentration des Stadtumbaus auf Standorte mit guten Entwicklungsvoraussetzungen
  • Verhinderung einer undifferenzierten Ausweitung des Wohnungsangebotes sowie - soweit städtebaulich vertretbar - Stilllegung / Rückbau des Bestandes zur Verbesserung der Lebensqualität vor Ort
  • Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit der inneren Stadt gegenüber dem Stadtrand
  • Bessere Auslastung der vorhandenen Infrastruktur
  • Erhalt der Mittelschichtenhaushalte in der Innenstadt und somit Vermeidung sozialer Entmischung


Ziele des Projekts:

  • Bildung bzw. Förderung von Wohneigentum für über 100 Familien pro Jahr im Innenstadtbereich
  • Veräußerung unsanierter Altbauten der kommunalen Wohnungsgesellschaft an Käufergemeinschaften
  • Sanierung unsanierter Altbauten durch Selbstnutzer
  • Neubau von Stadthäusern auf innerstädtischen Brachflächen


Maßnahmen:

  • Aufbereitung der Objekte (Grundrisse, Kostenschätzung) in Absprache mit den jeweiligen Eigentümern, ggf. durch von der Stadt beauftragte Beraterarchitekten
  • Alle 14 Tage Besichtigungsfahrten zu den angebotenen Objekten
  • Stammtische und stadtteilbezogene Infoveranstaltungen
  • Kostenlose Beratung und Moderation in der Startphase
  • Käufergruppenbildung sowie Beauftragung eines Architekten durch Planungsgesellschaften (GbR)
  • Aufteilung in Einzeleigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) bzw. Neubau von Stadthäusern auf eigenen Bauparzellen
  • Ausschreibung und Vergabe der Bauleistungen an örtliche Bauunternehmen
  • Kostenlose Beratung zu Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten

Die Situation
Der Verfall der Altbausubstanz und gründerzeitlicher Gebäude im Leipziger Innenstadtbereich sind nicht nur Nachwirkungen einer verfehlten DDR-Stadtpolitik, sondern auch Resultat sinkender Geburtenzahlen sowie einer intensiven Wohnsuburbanisierung nach der Wiedervereinigung. Durch eine Aufwertung der innerstädtischen Gründerzeitviertel unter anderem durch eine stärkere Begrünung und Auflockerung des Wohnumfeldes versucht die Stadt neue Anreize vor allem für junge Eigentumsbildner, die normalerweise die „grüne Wiese“ bevorzugen würden, zu schaffen.

Das Modell
Das Modell beabsichtigt, vor allem jungen Einwohnern mit geringerem Einkommen den Erwerb von Eigentum im Innenstadtbereich zu ermöglichen. Hierfür werden von der Stadt Käufergemeinschaften initiiert, die anschließend das gemeinsam erworbene Objekt eigenständig sanieren. Gleichzeitig stellt die Stadt Leipzig eine kostenlose Beratung zu den verschiedenen Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dadurch entstehen neue Eigentumswohnungen, die von den neuen Besitzern frei gestaltet werden können.

Die Realisierung
Seit Mitte 2000 bis Ende 2003 sind durch das Modell ca. 60 - 70 neue Eigentumswohnungen in der Leipziger Innenstadt entstanden. Zusätzlich wurden seit 2003 20 - 30 neue Gebäude auf innerstädtischen Brachflächen errichtet. Für die nächsten Jahre wird ein weiterer Anstieg an selbstgenutztem innerstädtischem Eigentum erwartet, da die Nachfrage weiterhin kontinuierlich ansteigt.

Praxisbeispiel: Der Stendal-Bonus

Eckdaten zum Stadtumbau in Stendal         
Einwohnerentwicklung:
Rückgang der Stendaler Wohnbevölkerung von 1990 bis 2002 um insgesamt ca. 11,3%
1990: ca. 43.856 Einwohner
2002: ca. 38.900 Einwohner

Ziele des Projekts:

  • Veräußerung unsanierter Immobilien an Interessenten unter der Auflage der Selbstnutzung und Modernisierung / Sanierung der Immobilie innerhalb der folgenden 24 Monate
  • Förderung von Wohneigentum in der Innenstadt
  • Attraktivitätssteigerung der städtebaulichen Entwicklung in der Innenstadt durch Aufwertung der vorhandenen Altbausubstanz
  • Erhöhung der Eigentumsquote


Projektmaßnahmen:
Verkauf leerstehender innerstädtischer Altbausubstanz ab 50% des aktuellen Verkehrswertes
Auflage zur Modernisierung innerhalb der nächsten 24 Monate nach Verkauf der Immobilie

Die Situation
Die Stendaler Wohnungsbaugesellschaft (SWG) besitzt in der Innenstadt 120 Häuser mit insgesamt 400 Wohnungen. Dabei beträgt die Leerstandsquote 70%. Eine Sanierung aller innerstädtischer SWG-Gebäude übersteigt jedoch die finanziellen Möglichkeiten der Gesellschaft und so beschloss der Stadtrat am 5. Februar 2001, die Preisbindung auf jene innerstädtische Altbausubstanz aufzuheben.

Das Projekt
Insgesamt wurden 50 Objekte zur Veräußerung ausgewählt, davon wurden ca. 20 bereits verkauft. Weitere Gebäude konnten bisher aufgrund ungeklärter Eigentumsverhältnisse noch nicht in das Programm aufgenommen werden. Die Mindestangebotspreise betrugen jeweils 50% des geschätzten Verkehrswertes und lagen in der Startphase Frühjahr 2001 je nach Objekt zwischen 12.000 DM und 100.000 DM. Jedes einzelne Objekt wurde / wird ca. 14 Tage in der örtlichen Presse ausgeschrieben, der angebotene Kaufpreis stellt dabei das Mindestangebot dar. Gibt es mehrere Interessenten für ein und dasselbe Gebäude, so gewinnt das finanziell höhere Gebot. Ist jedoch das angebotene Objekt bewohnt, so haben die jeweiligen Mieter bzw. angrenzende Nachbarn Vorkaufsrecht. Die Bildung von Eigentümergemeinschaften ist ebenfalls zulässig.

In jedem Fall ist jedoch der neue Eigentümer verpflichtet, das erstandene Gebäude innerhalb der nächsten 24 Monate nach Kauf zu sanieren. Geschieht dies nicht, so gibt es eine Vertragsstrafe in Höhe der Differenz zum Verkehrswert. Wird das Gebäude innerhalb von 7 Jahren nach Kauf wieder veräußert, so sind bei Mehrerlös 50% an die SWG zu entrichten, gleichzeitig hat in dieser Zeitspanne die SWG Vorkaufsrecht. Auch sind hierbei wieder Selbstnutzer oder angrenzende Nachbarn zu bevorzugen.

Ergebnis
Fast alle der angebotenen Objekte konnten auf diese Weise veräußert werden. Dadurch konnte nicht nur die Stendaler Innenstadt wieder an Attraktivität gewinnen, sondern auch der Anteil an selbstgenutztem Eigentum in der Innenstadt wiederhergestellt werden.

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