Praxis des Stadtumbaus: Großsiedlungen und Plattenumbau
Artikel vom 22.05.2006
Plattenbauten in Wohnsiedlungen aus der DDR-Zeit sind einer der räumlichen Schwerpunkte des Programms Stadtumbau Ost. Praxisbeispiele aus Hoyerswerda, Leinefelde und Cottbus dokumentieren Maßnahmen des Stadtumbaus, bei denen der Wohnstandort als solcher erhalten bleibt: Abriss und Neubau oder Teilrückbau mit Modernisierung und Sanierung. Doch vorrangig bleibt die Beseitigung des Wohnungsüberhangs, wie das Beispiel Eisenhüttenstadt zeigt.
Die Situation der Großsiedlungen des DDR-Wohnungsbaus
Wie die Regierungskommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Ländern“ im Jahr 2000 in ihrem Bericht feststellt, war noch am Anfang der 90er Jahre eine hohe Wertschätzung der Plattenbauten zu verzeichnen. Altbauten hingegen waren wegen ihres meist schlechten Bauzustandes unpopulär. In der Folgezeit kam es zu einem gravierenden „Anstieg des Leerstandes in den Plattenbauten der DDR-Entwicklungsstädte (z.B. Schwedt, Wolfen), die in der Regel ergänzend zu neuen Industrien errichtet wurden und kaum über zentralörtliche Funktionen, kulturelle Traditionen, touristische Attraktionen, gewachsene Dienstleistungsangebote noch über gute Voraussetzungen für eine differenzierte mittelständische Wirtschaft verfügten.“
Der Kommissionsbericht zu den Ursachen: „In diesen neuen Städten brachen die DDR Industrien weitgehend zusammen. Eine alternative wirtschaftliche Basis konnte in den meisten Fällen unter dem neuen Wettbewerbsdruck nur begrenzt geschaffen werden. Arbeitskräfte wanderten ab. Gleichzeitig wurden trotz wachsender Wohnungsüberschüsse Eigenheime gebaut. Die Leerstände stiegen sprunghaft an. Das städtebauliche Erbe der DDR in ihren neuen Städten, aber auch in zahlreichen Großsiedlungen anderer Städte, erzeugt heute Wohnungsüberhänge und einen weiterhin hohen Anpassungsbedarf an künftige Bedürfnisse, um einen regelrechten Zusammenbruch der Vermietbarkeit in den betroffenen Großsiedlungen zu verhindern.“ Die Kommission schlägt den Abriss leerstehender Plattenbauten und kleinteiligen Wohnungsneubau als Nachfolgenutzung vor.
Praxisbeispiel: Stadtvillen in Hoyerswerda
Eckdaten des Stadtumbaus in Hoyerswerda
Einwohnerentwicklung:
Wanderungsverluste von ca. 30% in der Gesamtstadt und von 35% in der Neustadt zwischen 1990 und 2002.
1990: 65.000 Einwohner; davon (geschätzte) 50.000 in der Neustadt
2002: 46.000 Einwohner; davon ca. 32.000 in der Neustadt
Ziele des Stadtumbaus:
- Neuordnung der städtebaulichen Struktur (durch Abbruch-, Rückbau-, wie durch Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen)
- Schaffung von differenzierten Wohnangeboten
- Entwicklung der städtischen Infrastruktur
Ziele des Projekts:
- Auflockerung der Baustruktur
- Schaffung von Geschoßwohnungen jenseits des Plattenbaus
Projektmaßnahmen:
- Abbruch eines fünf-geschossigen Gebäudekomplexes
- Nachnutzung der Abbruchfläche durch Neubau von vier Stadtvillen
Die Situation
Bedingt durch den größflächigen Braunkohleabbau erlebte Hoyerswerda seit Mitte der fünfziger Jahre eine Verzehnfachung der Einwohnerzahl; der Höchststand war 1980 mit 70.000 Einwohnern erreicht. Zur Unterbringung der Zuwanderer wurde zwischen 1957 und 1992 in zehn Wohnkomplexen die sogenannten „Neustadt“ errichtet. 1989 lebten hier ca. 75% der gesamtstädtischen Bevölkerung.
Standen nach 1990 zunächst Ergänzungen in der städtischen Infrastruktur im Vordergrund (Motto des ausgelobten Wettbewerbs: „Von der Wohnsiedlung zur Stadt“), rückten seit 1997 zunehmend Um- und Rückbaumaßnahmen in den Mittelpunkt der Überlegungen. Dabei wird – konkretisiert im Rahmenplan von 2001 – eine Entwicklung angestrebt, die Rückbau und Abbruch- mit Aufwertungs- und Neubaumaßnahmen kombiniert. Ziel ist es innerhalb der vorhandenen Siedlungsfläche ein differenziertes Wohnangebot zu schaffen, das vom klassischen Geschoßwohnungsbau über die Stadtvilla bis hin zu Reihen-, Doppel- und Einfamilienhäusern reicht. In Zuge dieses Stadtumbaus sollen bis 2013 über 4.000 Wohneinheiten abgebrochen werden. Die freiwerdenen Flächen werden zur Verbesserung der Freiraum- und Stellplatzsituation der umliegenden Gebäude genutzt oder sie werden mit aufgelockerten Gebäudetypen neu bebaut.
Das Umbauprojekt
Nach Abbruch einer fünf-geschossigen Gebäudezeile mit mehr als 150 Wohneinheiten wurden vier Stadtvillen mit insgesamt 24 Wohnungen und zwei Artztpraxen neu errichtet. Die drei-geschossigen Stadtvillen sind als Zweispänner organisiert. Bis auf eine Maisonettwohnung besitzen sie jeweils drei Zimmer. Die zugehörigen PKW-Stellplätze sind ebenerdig angeordnet.
Die Erscheinung
Bemerkenswert ist der Entwicklungsansatz der Mischung von (Plattenbau-)Bestand und Neubau. Durch die direkte Nachnutzung vollerschlossener Abrissflächen mit neuen Wohngebäuden wird sowohl der Landschaftzersiedelung wie der zunehmenden Segregation entgegengewirkt. Die Belegung bzw. die Nachfrage nach den Wohnungen zeigt, dass dieses Konzept erfolgversprechend sein kann.
Praxisbeispiel: Umgebaute Platte in Leinefelde
Eckdaten des Stadtumbaus in Leinefelde
Einwohnerentwicklung:
Wanderungsverluste von ca. 30% in der Gesamtstadt und von ca. 45% in der Südstadt zwischen 1990 und 2002
1990: 19.000 Einwohner; davon ca. 13.000 in der Südstadt
2002: 13.500 Einwohner; davon ca. 7.000 in der Südstadt
Ziele des Stadtumbaus:
- Entwicklung eines „bedarfsgerechten, lebendigen“ Stadtteils
- Anpassung der Siedlung an den Einwohnerrückgang
- Verhinderung weiterer Abwanderung
Ziele des Projekts:
- Individualisierung des Erscheinungsbildes (Unikatbildung)
- Verbesserung der Wohnungsgrundrisse und der -belichtung
- Änderung der Aussenraumbehandlung und des -bezugs
Projektmaßnahmen:
- Anheben der Grundstücke auf EG-Niveau
- Zuordnung der Freiflächen zur EG-Wohnung
- Vorstellen neuer Balkone
- Umbau der bestehenden Balkone zu Wintergärten
- Vergrößerung der Fensteröffnungen
- Vergrößerung der Wohnzimmer durch Wintergärten
- Neue Raumaufteilungen der Küchen und Bäder
- Anlage von vier Maisonettewohnungen sowie von zwei behindertengerechten Wohnungen im EG
Die Situation
Die stukturschwache, ehemalige Grenzregion wurde ab 1960 auf der Grundlage des „Eichfeldplans“ systematisch entwickelt. In Leinefelde entstanden - neben Industriebetrieben - über 5.000 neue Wohnungen. Sie wurden in einer vom alten Stadtkern losgelösten Siedlung, der Südstadt, meist in fünf-geschossigen Plattenbauten realisiert. 1990 lebten hier fast 70% der Leinefelder Bevölkerung; 2002 waren es noch ca. 50%, wobei sich die Einwohnerverluste der Gesamtstadt fast ausschließlich in der Südstadt realisierten.
Der Rahmenplan von 1995 sieht eine Reduzierung des Wohnungsbestandes um 30% vor. Der Rückbau wird dabei als Chance genutzt, die städtebaulichen Mängel der Südstadt, die vor allem in der hohen Dichte, in räumlicher Diffusität und in fehlender Zentralität liegen, zu mildern. Daher wird der zentrale Bereich und die Verbindungsachse zum alten Ortskern gestärkt. Die soll durch Modernisierungmaßnahmen, durch die Ansiedlung von Nahversorgern und Dienstleistern, durch die Gestaltung der öffentlichen Räume und durch die Schaffung von Identifikationspunkten geschehen. Die Randbereiche sollen hingegen flexibel auf zukünftige Entwicklungen reagieren, sei es durch Abriss-, durch Umbau- oder auch durch Neubaumaßnahmen.
Das Umbauprojekt
Die Gebäude der Lessingstraße gehören zu dem im Rahmenplan ausgewiesenen zentralen Modernisierungs- und Aufwertungsbereich. Zur Verringerung der Dichte wurde von den vier vorhandenen Gebäuden der Lessingstraße das vorderste abgebrochen. Die übrigen drei Gebäude mit insgesamt 120 Wohneinheiten wurden modernisiert und in ihrem Erscheinungsbild sehr weitgehend verändert.
Konkret wurden die Grundstücksfreiflächen auf beiden Gebäudeseiten um 1,5 Meter auf das Niveau der EG-Wohnung angehoben und den Wohnungen zugeschlagen. Die Wohnzimmer wurden um die - zu Wintergärten umgebauten - ehemaligen Balkone vergrößert und mit neuen, umlaufenden Balkonen ergänzt. Nur bei den Dachgeschosswohnungen wurde aus gestalterischen Gründen auf diese Maßnahmen zugunsten großzügiger, überdachter Balkone verzichtet. Alle Balkone haben transparente Geländer erhalten und sämtliche Fensteröffnungen auf der Hofseite sowie die straßenseitigen Fenster im Erd- und Dachgeschoss sind vergrößert worden.
Die Bäder wurden, sofern die Haustechnik noch nicht erneuert war, zu Lasten der Versorgungsschächte vergrößert. Teilweise konnten sie mit separaten Toiletten oder Waschmaschinenräumen ergänzt werden. Die Küchen wurden ebenfalls teilweise neu konzipiert bzw. verlegt. Zwei Wohnungen im Erdgeschoss wurden behindertengerecht ausgebaut und vier Wohnungen zu Maisonetten umgestaltet.
Die Erscheinung
Für die Modernisierung waren - neben den praktischen, funktionalen und technischen Verbesserungen - die ästhetischen Belange von zentraler Bedeutung. So haben die Gebäude durch Anhebung und Fassung der Freiräume, durch Wintergärten, neue Balkone und die Vergrößerung der Fensteröffnungen sowie durch die Formulierung eines Dachabschlusses eine völlig neue Ausstrahlung erhalten. Durch den Habituswandel wird die Maßnahme zum gelungenen, nachhaltig wirksamen Sanierungsbeispiel. Schließlich ist doch die hochwertige Architektur - nicht nur in der Lessingstraße - inzwischen zu einem wichtigen Imageträger für die Südstadt geworden.
Nichtsdestotrotz hat die „Öffnung“ der Wohnungen bei den Bewohnern durchaus zu Unverständnis und Widerständen geführt, da sie die bisherigen Lebens- und Wohngewohnheiten in Frage stellt.
Praxisbeispiel: Hochhausrecycling in Cottbus
Eckdaten des Stadtumbaus in Cottbus
Einwohnerentwicklung:
Wanderungsverlust zwischen 1993 und 2000 von ca. 16% in der Gesamtstadt und ca. 41% im Stadtteil Sachsendorf / Madlow .
1993: Einwohnergesamtzahl von ca. 128.400, davon ca. 30.179 aus Sachsendorf / Madlow
2000: Einwohnergesamtzahl von ca. 108.200, davon ca. 17.730 aus Sachsendorf / Madlow
Ziele des Stadtumbaus:
- Vitalisierung der Innenstadt sowie entwicklungsfähiger Siedlungen
- Anpassung der städtebaulichen und sektoralen Planungen an die rückläufige Entwicklung
- Konzentration des Fördermitteleinsatzes auf Standorte mit Entwicklungsperspektiven
- Doppelstrategie (Verbindung von Rückbau und Aufwertung)
Ziele des Projekts:
- Auflösung überlanger Gebäudestrukturen, Erhalt städtebaulicher Konturen
- Abriss und Umbau schlechter Wohnlagen mit hohem Leerstand
- Intensive Aufwertung des Wohnumfeldes
Projektmaßnahmen:
- Demontage eines 11-geschossigen Hochhauses und Neubau von fünf 2- und 3-geschossigen Wohngebäuden
- Wiederverwendung rückgebauter Bauelemente
Die Situation
In der DDR entwickelte sich Cottbus zum Zentrum der Energie- und Textilindustrie, was zu einem drastischen Bevölkerungsanstieg führte. Die Großsiedlung Sachsendorf / Madlow wurde in den Jahren 1974 bis 1986 mit über 12.000 Wohneinheiten in industrieller Bauweise errichtet - hauptsächlich für Beschäftigte des Kraftwerkes Jänschwalde und des Braunkohlekombinats Cottbus. Ein Höchststand der Einwohnerzahl von rund 130.000 konnte 1989 verzeichnet werden.
Als Sparmaßnahme der DDR-Regierung in den frühen 80er Jahren wurden Teile der Großsiedlung wesentlich dichter bebaut als ursprünglich geplant. Zugleich wurde dabei auf Dienstleistungs- und Versorgungsfunktionenen sowie weiterer Infrastrukturmaßnahmen, wie zum Beispiel der Ansiedlung von Handel oder Sport- und Freizeitstätten, verzichtet.
Der starke und weiterhin anhaltende Bevölkerungsrückgang der Stadt Cottbus betrifft die Großsiedlung Sachsendorf / Madlow in besonderem Maße. Bis 2015 wird ein Bevölkerungsrückgang auf ca. 8.500 EW erwartet.
Das Umbauprojekt
Zwei giebelständige Gebäude (Stormstr. 6 und 8) wurden umfassend modernisiert und instandgesetzt.
Das Wohnhochhaus Th.-Storm-Str. 9 wurde demontiert und Teile der rückgebauten Bauelemente für den Neubau der fünf 2- und 3-geschossigen Wohngebäude verwendet. Deren Außenwandkonstruktionen wurden mit leichten individuellen Fassaden komplettiert, ohne jedoch dabei das typische Erscheinungsbild von „Plattenbauten“ aufzugeben.
Insgesamt entstanden durch den Umbau 13 Etagenwohnungen sowie Maisonetten, welche in der Größe voneinander differieren. Die Gesamtwohnfläche beträgt 1050m².
Die Erscheinung
Die durch den Rückbau neu entstandene Wohnanlage stellt städtebaulich gesehen einen Übergang zwischen der einst hochverdichteten Großsiedlung und der angrenzenden Kleinsiedlung dar.
Durch eine mäanderartig versetzte Bebauungsstruktur sowie der Errichtung kleiner Terrassen werden gegenseitige Verschattungen zwischen den Gebäuden vermieden und gleichzeitig ein freier Blick in den angrenzenden Grünraum gewährleistet.
Praxisbeispiel: Stadtumbau in Eisenhüttenstadt
Eckdaten des Stadtumbaus in Eisenhüttenstadt
Einwohnerentwicklung:
Rückgang der Einwohnerzahl zwischen 1989 bis 2004 um 32%.
1989: 52.393 Einwohner
2004: 35.773 Einwohner
Ziele des Stadtumbaus:
- Stärkung der Innenstadt, insbesondere der denkmalgeschützten Wohnkomplexe I-III sowie der Lindenallee
- Herstellung einer tragfähigen Stadtstruktur
- Flächenhafter Abriss von 4.500 Wohnungen bis zum Jahr 2010
- Sanierung von 3.500 bis 4.000 Wohnungen bis 2015, dabei Konzentration von Modernisierungs- und Aufwertungsmaßnahmen
- Festlegung von Teilgebieten, in die vorerst nicht investiert wird
- Lenkung der Nachfrage an Bauplätzen für Eigenheime
Ziele des Projekts:
- Nahezu vollständiger Abriss des gesamten Wohnkomplexes VII
- Bauliche Nachnutzung im Nordosten des Wohnkomplexes VII Nord; Integration in den städtebaulichen Zusammenhang des Stadtteils Fürstenberg (Oder)
- Renaturierung weiter Flächen des Wohnkomplexes VII
- Rückbesinnung auf die historische siedlungsstrukturelle Prägung des Stadtteils Fürstenberg (Oder)
Die Situation
Eisenhüttenstadt entstand im Zuge des Aufbaus einer eigenen Schwerindustrie der jungen DDR als Planstadt gemäß den „Sechzehn Grundsätzen des Städtebaus“. Der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt ging mit enormen Bevölkerungszuwächsen einher, so dass mit der wirtschaftlichen Entwicklung sukzessiv neue Wohngebiete (sog. Wohnkomplexe) errichtet wurden: Die im Sinne der nationalen Bautradition erbauten, heute denkmalgeschützten WK I-III (1951-1958), der WK IV (1958-1964), der WK V (1961-1966) und die in den Folgejahren in industrieller Bauweise errichteten WK VI (1965-1977) und WK VII (1983-1987). Die mit der Wiedervereinigung Deutschlands einsetzenden wirtschaftlichen wie auch gesellschaftlichen Veränderungen führten zu starken Bevölkerungsverlusten von insgesamt ca. 32%. Dies wiederum bewirkte einen enormen Anstieg der Zahl leerstehender Wohn- und Gewerberäume, ungenutzter öffentlicher Gebäude sowie innerstädtischer Brachflächen. Ende 2003 standen in Eisenhüttenstadt ca. 4.800 Wohnungen bzw. 22% des Gesamtwohnungsbestandes leer. Der Wohnungsleerstand konzentriert sich dabei vor allem auf den WK VII (49%), den Bereich Fähr-/Tunnelstraße (38%) und die WK I-III (27-32%).
Den Schwerpunkt der Umstrukturierung mit Gebäudeabrissen bildet der Wohnkomplex VII mit ca. 3.150 Wohneinheiten und einer Gesamtfläche von ungefähr 43 ha. Gleichzeitig bildet dieser die südliche Erweiterung des historischen Stadtteils Fürstenberg (Oder). Die überdimensionierte Straße der Republik trennt den WK VII in ein Nord- und ein Süd-Quartier.
Der gesamte Wohnkomplex ist nur mangelhaft in den Stadt- und Landschaftsraum eingebunden. Das vornehmlich 6-geschossige Plattenbaugebiet (Typ P2 RS) mit einigen Würfel- und Punkthochhäusern ist geprägt durch eine hohe Dichte, überwiegend hofartige Raumstrukturen und eine ungenügende Ausstattung mit Grünflächen. Investitionen wurden bisher nur für das Wohnumfeld getätigt. Der Wohnkomplex verlor seit 1995 57% seiner Bevölkerung und weist die mit Abstand höchste Leerstandsquote in der Stadt auf.
Das Projekt
Die umfassende Umstrukturierung des WK VII wurde mit den Abrissen der Wohngebäude Eisenbahnstraße 35-38 und Malzweg 11-20 (ca. 150 Wohneinheiten) im Jahr 2003 eingeleitet. Die Finanzierung der Maßnahmen erfolgte mit Mitteln des Förderprogramms „Stadtumbau Ost“, Programmteil Rückbau. 2004 wurden nochmals über 400 Wohnungen abgerissen und für das Jahr 2005 ist ein Abbruch weiterer 485 Wohneinheiten geplant.
Der Stadtumbau im WK VII wird durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit begleitet. Neben regelmäßigen Informationen in der Presse, dem Stadtfernsehen und dem Stadtspiegel sowie Informationstafeln im Rathaus gab es bisher zwei Bürgerveranstaltungen, ein Seniorenforum und eine Informationsveranstaltung für Spätaussiedler und Bewohner des WK VII Süd zum Stadtumbau. Des Weiteren informiert die Stadtumbauzeitung „EisenhüttenSTADT IM UMBAU“, welche seit Herbst 2003 erscheint, über den jeweils aktuellen Stand der Umbauprozesse.
Insgesamt ist für den WK VII bis 2010/15 der Abriss von ca. 2.800 Wohnungen vorgesehen. Der Abriss der Wohnungsbestände lässt sich wie folgt unterteilen:
- 2003 bis 2006: vollständiger Abriss des WK VII Süd (ca. 1.150 WE)
- 2006 bis 2010/15: Abriss von ca. 1.650 der 2.000 Wohnungen im WK VII Nord durch flächenhafte Abbrüche.
Für die verbleibenden Objekte des WK VII Nord ist vorerst keine Modernisierung vorgesehen. Für die im WK VII Nord befindliche leerstehende Kaufhalle und Großgaststätte ist im teilräumlichen Konzept mittelfristig der Abriss vorgesehen, jedoch wird die Umsetzung dieser Maßnahme durch einen Eigentümerwechsel erschwert.
Neben dem Abriss von Wohneinheiten ist auch ein Rückbau der Straßenerschließung, der Stellplatzanlagen, nicht mehr benötigter Wege und sonstiger versiegelter Flächen vorgesehen. In Anbetracht der bei einem Komplettrückbau der technischen Versorgungsanlagen anfallenden Kosten sollen die stillgelegten Ver- und Entsorgungsleitungen in den zu renaturierenden Bereichen überwiegend im Erdreich verbleiben und nur der Leitungs- und Anlagebestand rückgebaut werden, der unbedingt entfernt werden muss. Nur im baulich nachzunutzenden Bereich des WK VII Nord wird die grundlegende Straßen- und Leitungsnetzstruktur erhalten, dabei jedoch der zukünftigen Nutzung entsprechend umgebaut und erweitert.
Auf dem überwiegenden Teil der Fläche des WK VII Süd sieht das Nachnutzungskonzept die Schaffung einer einfach gestalteten Freifläche unter Einbeziehung des vorhandenen Gehölzbestandes vor, die weitgehend der Sukzession überlassen werden soll. Parallel zur Bahntrasse und im Süden soll zur räumlichen Einfassung und Abschirmung gegenüber den Bahnanlagen eine Aufforstung von Flächen erfolgen. Vorhandene Spielflächen sollen durch ein einfaches Wegenetz und ein vom ehemaligen WK VII Nord kommendes, freiraumplanerisch gestaltetes Nord-Süd-Band miteinander verknüpft werden. Vorgesehen ist der Einsatz unterschiedlicher Materialien und Pflanzen, die den Übergang von der Stadt in den Landschaftsraum visualisieren. Der städtebauliche Entwurf für den WK VII Nord sieht für den an den historischen Teil Fürstenbergs (Oder) angrenzenden Bereich im wesentlichen eine Bebauung mit freistehenden Einfamilienhäusern und einigen Doppel- und Reihenhäusern vor (ca. 100 WE). Darüber hinaus wird eine Fläche für einen Lebensmitteldiscounter, der überwiegend Versorgungsfunktionen für die Bewohner des historischen Stadtteils Fürstenberg (Oder) wahrnehmen soll, vorgehalten.
Die übrige im WK VII Nord frei werdende Fläche soll wegen des begrenzten Nachfragepotenzials an Bauflächen lediglich eine landschaftsplanerische Gestaltung erfahren. Die Fläche soll dabei in drei Bereiche untergliedert werden: einen Aufforstungsbereich, ein Areal mit Feldstrukturen und ein auf die Fläche des ehemaligen WK VII Süd führendes Nord-Süd-Band. Die um die neue Freifläche liegenden Siedlungsgebiete sollen durch ein einfaches Wegenetz miteinander verknüpft werden.
Die öffentliche Nutzung der neuen Freiflächen im WK VII Süd und Nord soll nach Möglichkeit über den Erwerb durch die Stadt erfolgen. Von Seiten der Wohnungsunternehmen besteht darüber hinaus Interesse an der Entwicklung der geplanten Neubauflächen im WK VII Nord. Hier sei daher ein Flächentausch im Gebiet empfehlenswert.
Kommentierung
Das Projekt setzte konzeptionell und konsequent auf einen weitgehend flächenhaften Abriss. Mit der Umstrukturierung des WK VII wird ein bedeutender Beitrag zur Konsolidierung des Eisenhüttenstädter Wohnungsmarktes geleistet. Der geplante Abriss stellt dabei bewusst einen überproportionalen Eingriff dar. Er gilt als eine Konsequenz der langfristigen, negativen Entwicklungsperspektiven und ist zudem Ergebnis einer stadträumlichen Prioritätensetzung, die den langfristigen Erhalt und die Aufwertung der denkmalgeschützten WK I bis III verfolgt.
Mit dem Neubau von Eigenheimen auf einer Teilfläche des WK VII Nord soll ein Angebot geschaffen werden, das auch längerfristig nachgefragt wird. Auf den übrigen, randstädtisch gelegenen Flächen wird nach dem Rückbau des Bestandes auf eine bauliche Nachnutzung verzichtet. Hier sieht das Konzept vor allem eine Renaturierung durch Einfachbegrünung mit anschließender Sukzession vor.