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Dialog-Werkstatt „Kulturelle Mitte Darmstadt“

Artikel vom 27.05.2019

Grafik: Wissenschaftsstadt Darmstadt

Zusammenfassung der Dialog-Werkstatt zum kritischen Stadtführer „Kulturelle Mitte Darmstadt“

Zusammenfassung der Dialog-Werkstatt zum kritischen Stadtführer „Kulturelle Mitte Darmstadt“ und zur Etablierung eines „Georg-Moller-Forums“

In einer Dialog-Werkstatt wird am 9. April 2019 im Schader-Forum die Publikation „Kulturelle Mitte Darmstadt – Ein kritischer Stadtführer“ von den drei Herausgebern Friedhelm Kühn, Dr. Wolfgang Lück und Jochen Rahe vorgestellt. Anschließend geben Dr. Christina West vom Projekt „Systeminnovationen für Nachhaltige Entwicklung (s:ne)“ der Hochschule Darmstadt, Professor Dr. Ludger Hünnekens, Kulturreferent der Stadt Darmstadt, und Olaf Köhler, Leiter der Denkmalschutzbehörde Darmstadts, kurze Leseimpulse zum vorgestellten Buch, die von den Teilnehmenden nachfolgend diskutiert werden. Dritter Punkt der Nachmittagsveranstaltung ist die Präsentation der Idee, ein Stadtentwicklungsforum zu gründen, das die drei Buchautoren „Georg-Moller-Forum“ nennen möchten. Dieser Vorschlag wird von den Teilnehmenden der Dialog-Werkstatt durch kritische Fragen geprüft.

Vorstellung des Buchprojekts „Kulturelle Mitte Darmstadts – Ein kritischer Stadtführer“

Nach einer Begrüßung und inhaltlichen Verknüpfung des Abends mit dem Konventsthema der Schader-Stiftung 2019 („Du bist nicht allein – Öffentlicher Raum im Dialog“) durch Alexander Gemeinhardt beschreiben die drei Herausgeber die Entstehungsgeschichte des vorliegenden Bandes und dessen Inhalt. Eine Diskussion über die Neugestaltung des Friedensplatzes, so Jochen Rahe, zu der auch die Werkbundakademie Darmstadt hinzugezogen wurde, führte zu einer Ausdehnung auf Fragen über kulturelle Einrichtungen in der Mitte Darmstadt, da nicht eine Fragestellung isoliert betrachtet werden sollte. Nach Meinung der Herausgeber gibt es eine Vielfalt an kulturellen Institutionen in Darmstadt, die allerdings zumeist baulich voneinander getrennt und im ganzen Innenstadtgebiet zerstreut sind, sodass kaum eine kulturelle urbane Verdichtung erlebbar ist. Diese Diskussion führte 2011 zur Erstellung einer Broschüre, die einen Beitrag zur Diskussion über Perspektiven für die kulturelle Mitte Darmstadts thematisierte. Außerdem wurde 2014 ein bebilderter Stadtplan mit kulturellen Institutionen und Luftbildern erstellt, der von der Stadtbevölkerung positiv angenommen wurde. Diese beiden Publikationen bildeten Anstoß und Grundlage für den jüngst erschienen Stadtführer, der mit Unterstützung der Hessischen Kulturstiftung, der Kurt und Lilo Werner Darmstadt RC Stiftung und der Jubiläumsstiftung der Stadt- und Kreis-Sparkasse Darmstadt von der Werkbundakademie umgesetzt werden konnte. Das Buch soll als Baustein und Plan zur Stadtentwicklung gesehen werden, besonders städtische Kultur rückt in den Fokus wenngleich die Autoren weniger aus einer fachplanerischen Perspektive, sondern aus bürgerschaftlichem Engagement mitgewirkt haben.

Wolfgang Lück hebt als Besonderheit des Stadtführers hervor, dass von der eigenen Wahrnehmung des Betrachters ausgegangen wird und die eigene Urteilsbildung gefördert werden soll. Der Stadtführer soll die Leserin oder den Leser dazu auffordern, getreu der „Spaziergangswissenschaft“ des Schweizer Soziologen und Nationalökonoms Lucius Burckhardt, selbst den Ort und das Lebendige aufzusuchen, neue Blickwinkel und Sehweisen auszuprobieren und ungewohnte und störende Elemente aufzudecken. So sollen Lesende wie auch Teilnehmende von Stadtführungen selbst die Möglichkeit bekommen, mitzuwirken.

Der erste Teil des Buchs stellt als kritische Topographie Gänge der Autoren durch die Stadt vor und reflektiert und charakterisiert das Sichtbare. Schwerpunkte sind Bildung und Wissenschaft; städtischer Alltag und kulturelle Wegmarken an Luisenplatz, Marktplatz, Mathildenplatz oder Schlossplatz; kulturelle Einrichtungen auf dem Riedeselberg und – als Sonderfall – die Rheinstraße. Angereichert ist dieser Teil mit Informationen zu historischen Elementen und Fragestellungen. So werden Fragen aufgeworfen, wie etwa die nach dem Grund, warum die nach dem zweiten Weltkrieg von Gruber und Grund geprägte Architektur - beispielsweise der Arkaden - nicht in die urbane Identität miteinfließt, oder warum es seit dem Mittelalter kein repräsentatives Rathaus gibt.

Beiträge von außen sind beispielsweise der Blick der 11. Darmstädter Stadtfotografin, Anna Lehmann-Brauns, auf die kulturellen Einrichtungen der Stadt. Wolfgang Lück sieht ihre Fotos als ein „Zeugnis eigenwilligen Herumgehens“. Darmstädter Fachleute aus verschiedenen Bereichen lieferten Fachbeiträge: so zum Beispiel Dr. Manfred Efinger, Kanzler der Technischen Universität (TU) Darmstadt oder Anke Jansen vom Citymarketing. Es wurden auch zwei akademische Projekte mit eingebunden. Eine Studierendengruppe des Fachbereichs Architektur der TU Darmstadt und des Studienbereichs Landschaftsarchitektur der Hochschule Geisenheim University entwickelte Entwürfe für zentrale öffentliche Freiräume, von denen sieben Konzepte im Buch vorgestellt werden. Studierende des Fachbereichs Architektur der TU Darmstadt suchten nach Möglichkeiten einer inklusiven Gestaltung des Luisenplatzes für Menschen mit Seh- und Gehbehinderung.

Im Anhang werden des Weiteren verschiedene bereits durchgeführte Stadtgänge vorgestellt. Auf den Streifzügen mit meist sieben Stationen wurden anhand des Gesehenen Zukunftsfragen diskutiert. Wolfgang Lück fordert, diese Anregungen zur Stadtentwicklung mit weiteren Rundgängen fortzuführen. Als wichtiges Ziel beschreibt Friedhelm Kühn, die besondere historische Bedeutung des Luisenplatzes, neben dessen Funktion als Verkehrsknotenpunkt, für eine kulturelle Mitte hervorzuheben. Allgemein liegt den Autoren mit ihrem Stadtführer neben einer kritischen Bestandsaufnahme der urbanen Gestalt der Stadt besonders am Herzen, die zentrale Funktion kultureller Elemente zu betonen, besonders im Kontext des Darmstädter Masterplans DA 2030+ und der Bewerbung der Mathildenhöhe zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Stadtspaziergänge zum Erfassen von Urbanem

Die Stadtgeographin Dr. Christina West, Mitarbeiterin im Projekt Systeminnovation für Nachhaltige Entwicklung (s:ne) der Hochschule Darmstadt, an dem auch die Schader-Stiftung zentral beteiligt ist, bewertet in ihrem Impulsvortrag die vorzustellende Publikation aus wissenschaftlicher Sicht. Für Christina West stellen sich Fragen der städtebaulichen, architektonischen und historischen Abgrenzung der Mitte Darmstadts. Des Weiteren fände sie eine Differenzierung zwischen Hoch- und Alltagskultur und eine Identifizierung von zentralen Kommunikationsorten interessant. So bedauert sie, dass der Stadtführer, der mit „kritisch“ betitelt ist, zunächst nur die physische Struktur der Stadt Darmstadt beschreibt. Das Kapitel „Luft nach oben“, indem Entwürfe für Freiräume in Darmstadt vorgestellt werden, begeistert sie allerdings regelrecht, da es dort um urbane Prozesse geht, die für Aushandlungen im öffentlichen Raum notwendig sind. Außerdem findet die Vortragende das Konzept der interdisziplinären „Stadtspaziergänge“ überzeugend. Mit diesen Rundgängen wird die Stadt nicht nur rational erfasst, sondern es werden auch viele emotionale Aspekte und das Hören, Fühlen und Schmecken einer Stadt aufgegriffen, sodass die Stadt mit allen Sinnen erfahren und gestaltet werden kann.

Christina West geht in ihren Ausführungen aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds von der Mollerstadt aus, deren Potenzial für Transformation sie besonders betont. Das Sanierungsgebiet bietet zwar nicht die Möglichkeit zur Innenverdichtung, da die Bebauung bereits sehr dicht ist. Jedoch sieht sie Chancen in der vertikalen Entwicklung und der Etablierung von Grünflächen als Orten der Begegnung. Der Kritische Stadtführer regt durch seine offene Struktur und den Einbezug von externen Ansätzen an, im Momentum des Unmöglichen etwas Mögliches finden. In der darauffolgenden Diskussion werden der Zusammenhang von urbaner Atmosphäre und Ästhetik und ein Sanierungstau thematisiert. Jochen Rahe hält es für möglich, dass sich urbane Atmosphäre aus Ästhetik entwickelt. Dies kann man nicht planen und in Darmstadt ist es der Raumplanung mit der Nachkriegsarchitektur nicht gelungen, eine attraktive Atmosphäre in der Mitte der Stadt zu gestalten. Christina West dagegen möchte nicht nur die aus ihrer Sicht wenig belastbaren Kategorien der Atmosphäre oder Ästhetik in die Betrachtung einbeziehen. Sie fordert stattdessen, Begegnung im öffentlichen Raum als Indikator für die Atmosphäre zu verwenden. Es wird klar, dass atmosphärische Eigenschaften sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. So spricht Christina West von einer eigenartigen Atmosphäre Darmstadts, die es auch in anderen, im Zweiten Weltkrieg zerstörten und danach schnell und „autogerecht“ wieder aufgebauten Städten gibt. Ein alteingesessener Darmstädter Mitdiskutant merkt an, dass nach längerer Zeit des Lebens in dieser Stadt nicht nur Defizite, sondern mehr und mehr Positivbeispiele, wie der Georg-Büchner-Platz als kultureller Treffpunkt, auffallen. Viele problematische Situationen werden bereits wahrgenommen und in Arbeitsgruppen und Initiativen behandelt, die Aufwertung des Friedensplatzes stellt ein positives Beispiel dar. Der kulturelle Stadtführer thematisiere zu Recht weitere Schwachstellen, so die einhellige Meinung der Diskussion. So bescheinigt beispielsweise eine Studie des Citymarketings Darmstadt eine durchschnittliche Attraktivität der Innenstadt. Obwohl die Innenstadt auch wegen eines guten Angebots an Einzelhandel gut besucht ist, ist es wichtig, die Aufenthaltsqualität zu steigern, um einen Frequenzverlust, der durch den Anstieg von Onlinekaufangeboten droht, auszugleichen. Urbanität hängt also auch vom Angebot einer Stadt ab, sei es kulturell oder in der Auswahl an Konsumangeboten.

In der Diskussion wird immer wieder auf das breite Angebot zur Beteiligung aller Menschen verwiesen, die die Stadt nutzen; der Diskurs darf nicht rein fachlich-planerisch ausgetragen werden. Die unterschiedlichen Wahrnehmungen in der Stadtbevölkerung führen zwangsläufig auch zu handfesten Nutzungskonflikten. Christina West ist es wichtig, dass in den Aushandlungsprozessen der Stadtgestaltung auch kulturelle und politische Aspekte eine große Rolle spielen.

Individuelles Erfassen einer Stadt, historische Besonderheiten von Darmstadt

Professor Dr. Ludger Hünnekens, Kulturreferent der Stadt Darmstadt und seit fünf Jahren deren Bewohner, findet, dass der Kritische Stadtführer gut seine eigene Einschätzung von Darmstadt als „Stadt auf den zweiten Blick“ wiedergibt. Es ist schwierig, eine kulturelle Mitte abzugrenzen, dagegen gibt es viele und immer wieder überraschende Nischen von Alltags- und Hochkultur. Darmstadt ist auf diesen ersten Blick nicht „schön“, es fehlen klassische urbane Qualitäten, wie sie beispielsweise das nach historischem Vorbild wieder aufgebaute Münster hat. Dennoch setzt sich die Stadt zeitgemäß mit ihrer Mitte auseinander. Hünnekens wünscht sich mehr Selbstbewusstsein der Darmstädter, denn Darmstadt gibt sich nach außen zu bescheiden. Die Stadt könnte sich besser darstellen und dadurch ihr Image verbessern. Es können außerdem an einigen innerstädtischen Orten – als Beispiel nennt er den Marienplatz hinter dem Theater – neue Impulse aufgenommen werden, die eine urbane Atmosphäre weiter befördern.

Weiterhin ist dem Kulturreferenten wichtig, dass die Grenzen der „Mitte“ nicht zu statisch gesehen werden. Im Westen der Innenstadt gedeiht die Stadt und im Osten befindet sich die Mathildenhöhe, die im Stadtführer keinen Eingang gefunden hat. Ludger Hünnekens beschreibt sie als zentrales Element der Urbanität, das zudem durch die Erich-Ollenhauer-Promenade mittlerweile besser an die Innenstadt angebunden ist. Mit der Hoffnung auf die Erhebung zum UNESCO-Weltkulturerbe rückt die Mathildenhöhe noch weiter ins Zentrum der Kultur in Darmstadt.

Die Autoren Jochen Rahe und Friedhelm Kühn erklären im Fortgang des Gesprächs, dass sie sich nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen haben, die Mathildenhöhe nicht in den Kritischen Stadtführer zu integrieren, weil ihre Behandlung ansonsten das Werk dominiert hätte. Dies hat auch eine historische Komponente, denn die Mathildenhöhe ist erst seit zehn Jahren besser an die Mitte der Stadt angeschlossen. Zuvor wurde sie von unstrukturierten Gebäudeensembles der TU Darmstadt von der Innenstadt abgetrennt. Dr. Manfred Efinger, der seit 2008 Kanzler der TU Darmstadt ist, nahm sich der beispielhaften städtebaulichen Entwicklung der Universität an, von der auch die Mathildenhöhe direkt profitiert. Als weiteren weicher Rand der Innenstadt stellt Jochen Rahe das Stiftungszentrum der Schader-Stiftung mit Forum und Haus Schader heraus, das sowohl städtebaulich bedeutend ist, als auch als Brückenkopf den Übergang zu Bessungen darstellt und die Innenstadt von der Ludwigskirche heraus erweitert.

Ludger Hünnekens Aussage über eine von Rückschlägen dominierte Aufwärtsspirale in der Stadtentwicklung, wird in der Runde diskutiert und kontrovers bewertet. Eine Teilnehmerin findet es motivierend, visionär vorzugehen, anstatt nur kleine Schritte umzusetzen und Visionen dann in eine Teilmachbarkeit zu überführen. Es sei wünschenswert, eine Brücke zwischen der Analyse von Defiziten und der Umsetzung von Zukunftsbildern zu bauen.

Perspektivenwechsel als neue Möglichkeit die Stadt zu erkunden

Der Leiter der Denkmalschutzbehörde Darmstadt, Olaf Köhler, lobt den Kritischen Stadtführer für dessen Blick auf das Besondere und den Blickwinkel auf die kulturellen Orte der Stadt. Die Bedeutung der Vernetzung dieser Orte ist ein wesentlicher Anspruch. Genau diese Vernetzung muss weiter verbessert werden, da nicht alle Orte unmittelbar erschlossen sind. Es fehlt beispielsweise eine Ost-West-Verknüpfung der Freiräume. Ein weiteres Schlüsselelement der kulturellen Mitte Darmstadt stellt für Olaf Köhler die Rheinstraße dar, da sie für Besucherinnen und Besucher als Visitenkarte der Stadt fungiert. Die Straße, die den Stadtzugang für Gäste darstellt, ist zu sehr dem Auto unterworfen. Dabei stellt sie die wesentliche Achse der Stadt dar, denn sie verbindet die beiden Pole Bahnhof und Mathildenhöhe über den Luisenplatz miteinander. Außerdem bietet sie einige Baudenkmäler aus der Nachkriegszeit, wie das John-F.-Kennedy-Haus, die jedoch in der unruhigen, verkehrsintensiven Straßenkulisse nicht ihre Wirkung entfalten können. Olaf Köhler macht die Runde ebenfalls auf die Reihe alter Brunnen aufmerksam, die sich die Rheinstraße entlangziehen. Ähnlich wie die Jugendstilelemente des Darmstädter Hauptbahnhofs gehen diese in der flüchtigen alltäglichen Beobachtung schnell unter. Der Leiter der Denkmalschutzbehörde plädiert dafür, sich ernsthaft und innovativ mit dieser Architektur auseinanderzusetzen.

Der Vorschlag eines Perspektivenwechsels wird in der anschließenden Diskussion mehrfach aufgegriffen. So können auch Wege aus verschiedenen Richtungen unterschiedliche Wirkungen entfalten. Wolfgang Lück weist darauf hin, dass für Stadtrundgänge Plätze als zentrale Treff- und Versammlungsorte benötigt werden. Als Beispiel für die weniger gut sichtbaren, versteckten Orte mit Potenzial an der Rheinstraße wird in der Diskussionsrunde der Steubenplatz hinter der Kunsthalle genannt. Aus der Geschichte der Stadt ist eine anspruchsvolle Gartenkultur und Freiraumgestaltung abzuleiten, so ein Teilnehmer der Dialog-Werkstatt. Um diesem ambitionierten Ziel gerecht zu werden, schlägt Wolfgang Lück als erste Maßnahmen vor, Sichtachsen zu betonen und das Stadtbild durch die Überarbeitung der Platzierung von Werbung und Schaltkästen zu ordnen.

Vorstellung und Diskussion über ein mögliches Georg-Moller-Forum

Die drei Autoren stellen im Anschluss ihren Plan vor, ein Stadtentwicklungsforum in Darmstadt zu etablieren, das sie nach dem besonders in Darmstadt aktiven und bekannten Stadtplaner und Architekten „Georg-Moller-Forum“ benennen wollen. In der Arbeit am Kritischen Stadtführer konnten viele Themen nur angerissen werden. Dabei ist an vielen strategisch wichtigen Stellen in Darmstadt eine strukturelle Betrachtung der aktuellen raumplanerischen Situation vonnöten. Die Idee des Georg-Moller-Forums wurde von anderen Impulsen, beispielsweise aus dem Citymarketing oder der Denkmalpflege, befruchtet. Das Forum soll kontinuierlich ungefähr zwei Mal im Jahr zusammenkommen und aktuell wichtige oder neue Themen besprechen. Die anschließende Abendveranstaltung wollen die Initiatoren nutzen, um Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus Darmstadt zu gewinnen, die daran ein fachliches wie bürgerschaftliches Interesse haben.

Das Themenspektrum des Georg-Moller-Forums wird potentiell umfassend dargestellt. So soll Darmstadt erstens als Wissenschaftsstadt wahrnehmbar gemacht werden. Als Beispiel nennt er die oben bereits thematisierte Dynamik, die seitens der TU in die Gestaltung des Campus der Technischen Universität eingebracht wurde. Zweitens sollen städtebauliche Beziehungen bedacht werden, als Beispiel dient die Kunsthalle an der Rheinstraße und das Gewerkschaftshaus als räumliches Pendant gegenüber. Ein drittes Anliegen ist die Betonung der grünen Stadtlandschaft, da es nicht wie in anderen Städten beispielsweise einen Promenadenring gibt. Viertens ist die Stadtgliederung wahrzunehmen und zu gestalten. Straßen zerschneiden oftmals Viertel, weil Übergänge fehlen, also auch ein Thema des Verkehrs. Als fünften und letzten Punkt wird Einzelhandel und Gastronomie thematisiert.

Wolfgang Lück präsentiert abschließend einige eigene Projektideen für ein solches Forum. Ein besonderes Anliegen ist ihm der Friedensplatz, der mehr als Ensemble wahrgenommen werden sollte. Die verschiedenen Anrainer, wie das Hessisches Landesmuseum oder das Gebäude des Hessischen Immobilienmanagements, müssen stärker in Beziehung treten. Projekte aus anderen Städten können hierbei gegebenenfalls als Vorbilder genommen werden und externe Akteure wie Architektinnen und Architekten miteinbezogen werden. Des Weiteren gebe das Saladin-Eck Raum für Entwicklung, genauso wie die seit Jahren wasserlosen Brunnen an der Rheinstraße und der Karolinenplatz. Hier wäre ein Konzept für Wasserflächen wichtig, um diese als Aufenthalts- und Abkühlungsorte aufzuwerten, was auch im Zuge des Klimawandels eine sinnvolle Raumnutzung ist. Von positiven Beispielen wie dem Innenstadtcampus der TU Darmstadt soll gelernt werden, sodass Elemente auf andere Darmstädter Räume übertragen werden können. Ebenso können auch visionäre Ideen wie das Konzept, mit Parkhäusern an den Toren der Stadt den Autoverkehr zumindest teilweise aus der Stadt zu halten, diskutiert werden.

In der abschließenden Diskussionsrunde wird das vorgestellte Konzept trotz gewisser Redundanzen zu anderen laufenden Prozessen und Projekten prinzipiell begrüßt. Einige Teilnehmende sehen das Potenzial, den Schwung der kommenden Abendveranstaltung zu nutzen, damit Interessierte sich direkt melden können. Da das genaue Format noch nicht festgelegt wurde, schafft eine gewisse gestalterische Offenheit – nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell. Die Teilnehmenden des Forums, sollten erst einmal an einem Thema die Vorgehensweise testen. Ziel sei es, dass sich eine öffentliche Diskussion entwickelt, die von Bürgerschaft, Wissenschaft, Presse, Wirtschaft, Politik und Verwaltung gehört wird, sodass eine Fortführung mit weiteren Darmstädter Beispielen erfolgen kann.

Aus Sicht der Stadt Darmstadt bietet sich für die praktische Umsetzung des Forums eine Kombination aus Außen- und Innenterminen anbieten. Dies folgt der Logik der Stadtrundgänge aus dem Kritischen Stadtführer, der schließlich eine Voraussetzung für das Georg-Moller-Forum darstellt. Bei den Außenterminen kann mit allen Sinnen die Situation und die Stadt wahrgenommen werden, im Inneren findet dann die Diskussion und kreative Planung statt. Ein starkes Momentum besteht in der Stärke des Ansatzes, anstelle der Visualisierung von Defiziten – in Darmstadt beispielsweise die verlorene Residenz oder der verlorene Sitz der Landesregierung – Potenziale der Stadtentwicklung aufzuzeigen. Wenn es gelingt, diese Chancen zu definieren und zu verwirklichen, kann eine Abwärts- in eine Aufwärtsspirale umgewandelt werden. Die Initiatoren nehmen diesen Appell an, da sie ein konstruktives Interesse der Öffentlichkeit an positiver Entwicklung voraussetzen und dieses Potenzial ausschöpfen wollen.

Resümee

In der Dialog-Werkstatt wird einerseits der neu erschienene Kritische Stadtführer „Kulturelle Mitte Darmstadt“ vorgestellt und diskutiert. Mit ihm sollen andererseits die Grundlagen für ein noch zu gründendes Stadtentwicklungsforum namens „Georg-Moller-Forum“ geschaffen werden. Der kritische Stadtführer, so wird aufgezeigt, gibt nicht nur Auskunft zu verschiedenen kulturellen Einrichtungen der Stadt und ihren räumlichen Bezügen, sondern bietet den Lesenden auch Möglichkeiten, die Stadt durch Rundgänge kritisch zu erleben und wahrzunehmen. Auch externe Beiträge von der Stadtfotografin, Studierenden und der städtischen Öffentlichkeit wurden integriert. Die Potenziale, die das Buch zur Stadtentwicklung aufzeigt, könnten in einem Forum weiter bearbeitet werden, jedenfalls ist das die Idee der Initiatoren. Form und Organisation sollen in einem gemeinsamen Prozess mit Interessierten definiert werden, die konkrete Ausgestaltung des Projekts ist noch offen.

Dokumentation: Susanne Schröder-Bergen, Praktikantin der Schader-Stiftung

Projektverantwortung: Peter Lonitz und Anna-Lena Treitz

www.schader-stiftung.de/georgmollerforum

Bibliografie:

Werkbundakademie Darmstadt (Hrsg.): Kulturelle Mitte Darmstadt. Ein kritischer Stadtführer . Jovis Verlag, Berlin 2019.

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