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Aufbruch der Versäumten

Artikel vom 22.07.2024

Die "Versäumten Bilder" ziehen weiter. Ein Blogbeitrag von Dr. Stella Lorenz.

Eine besondere Ausstellung

Freundlich lächelnd hat sie täglich alle Besucher*innen dieses Hauses begrüßt, prominent platziert im Foyer des Schader-Forums, mit gutem Überblick über das Geschehen. Rosalind Franklin, Biochemikerin und Entdeckerin der Doppelhelix-Struktur unserer DNA, war in den vergangenen Monaten der erste Hinweis auf die Ausstellung "Versäumte Bilder – Frauen in der Wissenschaft sichtbar machen", die den Saal im Untergeschoss von März bis Mitte Juli bereicherte und insgesamt siebzehn Frauen zeigte, die für ihre Leistungen zu Lebzeiten nie mit einem würdevollen Portrait beehrt wurden. Mehr noch: Einige von ihnen wurden aktiv um ihren Ruhm gebracht, wie im Falle von Rosalind Franklin, deren Forschungsergebnisse von drei Wissenschaftlern gestohlen wurden, die später den Nobelpreis erhielten. Diese Ungerechtigkeit stieß der Wissenschaftskommunikatorin Gesine Born sauer auf. Sie holte das Versäumte nach und generierte mittels Künstlicher Intelligenz Bilder dieser Persönlichkeiten, um zu zeigen, wie eine historische Lücke geschlossen werden und Frauen zu einer angemessenen Sichtbarkeit verholfen werden kann – zum Beispiel mit einer posthumen Nobelpreisverleihung an Rosalind Franklin, die nie stattgefunden hat.

Knapp 1500 Besucher*innen

Für die Schader-Stiftung war die Kooperation mit dem Bilderinstitut von Gesine Born schon von Beginn an ein synergetischer Prozess: Im Dialog wuchs die Idee zum Ausstellungskonzept, auf den Open Call konnten regionale Institutionen Vorschläge für ihre eigenen "Versäumten Bilder" einreichen und Gesine Born generierte im Austausch mit ehemaligen Studierenden und Verwandten der vorgeschlagenen Frauen, aber auch mit Zeitzeug*innen und Historiker*innen die Bilder, die schließlich ab der Vernissage im März 2024 in der Ausstellung zu sehen waren – und uns allen wortwörtlich im Weg standen. Bei Veranstaltungen im Saal, öffentlichen und individuellen Führungen setzten sich insgesamt knapp 1500 Besucher*innen mit den Wissenschaftlerinnen, aber auch mit den visuellen Darstellungsmöglichkeiten der KI auseinander, und das durchaus kritisch.

Was bedeutet KI für die Fotografie?

Deutlich wurde das insbesondere bei der Podiumsdiskussion "KI & Fotografie", bei der Gesine Born mit dem Unwort-Fotografen Nouki und der Medienpädagogin Jana Schlegel (Gallus Zentrum Frankfurt) darüber sprach, welche Chancen und Herausforderungen KI im fotografischen Bereich mit sich bringt, welche pädagogischen Ansätze in der Vermittlung von "KI-Kunst" wichtig sind oder welche ethischen Richtlinien es im Zusammenhang von KI und Fotografie braucht.

Mediale Resonanz

Dass die thematische Paarung von Geschlechtergerechtigkeit und Künstlicher Intelligenz einen Nerv traf, spiegelte sich nicht nur im regen Besucher*innenzulauf wider, auch in den Medien fand die Ausstellung große Beachtung: Angefangen bei einem Artikel im Darmstädter Echo, einem Radiobeitrag des Hessischen Rundfunks und der Verbreitung über den Instagram-Kanal von ttt – titel, thesen, temperamente nahm die Berichterstattung über die Ausstellungswochen Fahrt auf: Fernsehteams von SAT.1 und der hessenschau produzierten Beiträge und die Frankfurter Allgemeine Zeitung widmete dem Projekt ebenfalls einen Artikel.

Emotionale Führungen

Während jede der öffentlichen Führungen jede für sich ganz eigen war – neben Gesine Born führte beispielsweise auch Dr. Martin Faass, Direktor des Hessischen Landesmuseums Darmstadt, durch die Ausstellung –, wird eine davon uns ganz besonders in Erinnerung bleiben: Vor dem Portrait von Maria Borris, Soziologin und Dozentin an der Europäischen Akademie der Arbeit (EAdA) an der Universität Frankfurt, angekommen, meldete sich ein Besucher zu Wort und offenbarte: "Ich war lange Jahre mit Maria Borris gut bekannt." Prof. Dr. Diether Döring, Professor für Sozialpolitik und Finanzwissenschaften an der EAdA im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, wusste zahlreiche Anekdoten aus der gemeinsamen Arbeit mit Borris zu erzählen und rührte nicht nur die Besucher*innen, sondern auch die bei der Führung anwesende Gesine Born. Kurioserweise sollte es bei jener Führung aber nicht nur bei diesem einen, persönlichen Bezug bleiben: Auf die – eher scherzhaft gemeinte – Frage im Anschluss an Professor Dörings Einblicke, ob weitere Verwandte oder Bekannte von den abgebildeten Wissenschaftlerinnen im Raum seien, hob eine Dame die Hand: "Ich bin die Nichte von Emmi Dorn." Die Zoologin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz habe zwar in der Realität nicht ganz so ausgesehen wie ihr KI-Portrait, aber als Nichte sei sie "froh, dass mein Tantchen hier gezeigt wird" und reale Fotos von Emmi Dorn hatte sie ebenfalls dabei. Der nachhaltige Wert des Projektes und die oftmals diskutierte Sinnhaftigkeit der Erschaffung künstlicher Bilder offenbarte sich in diesem Moment auf emotionale und nachdrückliche Art und Weise.

Aufbruch in neue Gefilde

Nun, nach vier Monaten ziehen die "Versäumten Bilder" weiter – zum Beispiel in die TU Darmstadt, in die Räumlichkeiten von hessian.AI, vor den Konzertsaal der Akademie für Tonkunst, in das Max-Planck-Institut für Hirnforschung, in die Europäische Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt, in die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz oder in das Europäische Raumflugkontrollzentrum (ESOC). Das Portrait von Rosalind Franklin kehrt zu seinem Ursprung ins Bilderinstitut in Berlin zurück, und Erika Spiegel, die erste Schader-Preisträgerin 1993, bleibt der Schader-Stiftung erhalten. Darüber hinaus sind zwei Wissenschaftlerinnen sogar im öffentlichen Raum weiterhin sichtbar: Das im Juni 2024 eingeweihte Wandbild von Künstlerin Nicole Schneider beinhaltet auch Illustrationen der Portraits der TH-Darmstadt-Absolventinnen Jovanka Bončić-Katerinić, der ersten Diplom-Ingenieurin Deutschlands, und Ottilie Rady, der ersten habilitierten Kunsthistorikerin in Deutschlands.

Ganz vorbei ist das Projekt in jedem Fall nicht, im Gegenteil: Es hat etwas Neues, Langfristiges angestoßen. Gesine Born will weiter generieren und gemeinsam mit anderen Institutionen deren bislang verborgene Forscherinnen in ein neues Licht rücken. Und mit der Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz eröffnen sich auch ganz neue Möglichkeiten – zum Beispiel für KI-generierte Videos mit KI-generierter Musik, wie der jüngste LinkedIn-Post von Gesine Born (siehe unten) zeigt.

Das Lächeln von Rosalind Franklin wird jedenfalls im Eingangsbereich der Schader-Stiftung fehlen, aber die "Versäumten Bilder" hinterlassen einen bleibenden Eindruck und die Gewissheit, dass all diesen Frauen nach und nach mehr Sichtbarkeit zuteil wird.

 

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