Stadtansichten - Städte sichten
Artikel vom 20.04.2015
Urban Views meint nicht nur Stadtansichten, sondern auch Städte sichten. Es war und ist die Intention der Schader-Stiftung, dazu beizutragen, mit Hilfe der Kunst die Gesellschaftswissenschaften und die gesellschaftliche Wirklichkeit zu interpretieren und umgekehrt mit Hilfe der Gesellschaftswissenschaften und vor dem Hintergrund des Alltags einen Zugang zu Werken bildender Kunst herzustellen.
Stadtansichten - Städte sichten
In der zweiten Ausstellung der Reihe „DIALOGE02. Gesellschaftswissenschaften und Kunst“ präsentieren das Hessische Landesmuseum Darmstadt und die Schader-Stiftung gemeinsam Marion Eichmann und Timo Klein.
Die seit 2007 bewährte Kooperation der Schader-Stiftung mit dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt ermöglicht in Korrespondenz zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Schader-Stiftung, Themen zu präsentieren, die durch oder mit der Kunst und anderen Medien und Formaten aus neuen Perspektiven betrachtet werden können. Immer mit dem Ziel, gesellschaftlichen Wandel verstehbar zu machen und Verständigung über gesellschaftswissenschaftliche Positionen anzustoßen. Es war und ist die Intention der Schader-Stiftung, dazu beizutragen, mit Hilfe der Kunst die Gesellschaftswissenschaften und die gesellschaftliche Wirklichkeit zu interpretieren und umgekehrt mit Hilfe der Gesellschaftswissenschaften und vor dem Hintergrund des Alltags einen Zugang zu Werken bildender Kunst herzustellen. Das Ziel der Schader-Stiftung, den Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis zu fördern, findet so seine Erweiterung in dem Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Kunst.
Urban Views meint nicht nur Stadtansichten, sondern auch Städte sichten. Als der Philosoph und Soziologe Georg Simmel 1903 schrieb, die Stadt sei keine räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkungen, sondern eine soziologische Tatsache, die sich räumlich formt, lebte gerade einmal ein knappes Zehntel der Menschheit in Großstädten. Heute ist es anders. Mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung, etwa drei Milliarden Menschen leben allein in sogenannten Megacities. Und mit der drastisch zunehmenden Verstädterung werden die Formen des Zusammenlebens immer experimenteller. Urbanität umschließt somit nicht nur städtebauliche Aspekte, sondern auch funktionale, sozio-kulturelle und sozio-ökonomische Elemente einer Lebensumwelt, die als „typisch städtisch“ interpretiert werden kann. In und mit der Stadt lässt sich die schleichende Verschiebung der gesellschaftlichen und kulturellen Gewichte erahnen. Im Ergebnis solcher Prozesse werden Städte oftmals nicht mehr als Orte, sondern als Identitäten verstanden: Sie stellen heute weniger einen geographischen Bezugspunkt dar als vielmehr eine verdinglichte Erwartungshaltung.
Um nun den Wandel der Gesellschaft und die veränderten Bedürfnisse der Menschen zu erkennen, gilt es neue Formen der Wahrnehmung und des Sehens zu erlernen. Formen, die uns die Kunst durchaus zu geben vermag. Denn Kunst kann dazu beitragen, traditionelle Sehgewohnheiten, Wahrnehmungen und Interpretationsräume aufzubrechen und neue Impulse zu geben. Impulse, die zur Überschreitung der eigenen Wahrnehmung führen können. Die Auseinandersetzung mit der Architektur, Ästhetik und Atmosphäre von Großstädten, wie sie in den Arbeiten von Marion Eichmann und Timo Klein zu sehen sind, reflektieren nicht nur die urbane Verdichtung, sondern erweitern vor allem in ihrer ungewöhnlichen Perspektive unsere Wahrnehmung.