Wird heute ein Pro-Europa-Populismus gebraucht?
Artikel vom 26.03.2019
Die populistischen Strömungen bringen bestehende, gravierende innere Spannungen der Europäischen Union zum Vorschein. Könnte ein populistischer Kommunikations- und Politikstil auch zugunsten der europäischen Integration genutzt werden?
Eine Gefahr für die Europäische Union?
Populisten, so heißt es, sind eine Gefahr für die Europäische Union, ihre Wahlerfolge könnten gar zum Zerfall der EU führen. Die Betonung nationaler Eigeninteressen, ein ressentimentgeladenes Auftreten und eine Vorliebe für markige Töne gelten als charakteristisch für Populisten. Allerdings sind die Positionen populistischer Parteien in Europa von Staat zu Staat höchst unterschiedlich, es gibt links und rechts. Die populistischen Strömungen bringen bestehende, gravierende innere Spannungen der Europäischen Union zum Vorschein und machen so Interessengegensätze innerhalb und zwischen den Staaten sichtbar.
Ist nun das Erstarken populistischer Parteien nur ein Symptom tieferliegender Probleme der europäischen Integration? Kann es gar als eine Art Korrektiv im Integrationsprozess verstanden werden? Könnte ein populistischer Kommunikations- und Politikstil auch zugunsten der europäischen Integration genutzt werden? Wird heute vielleicht sogar ein Pro-Europa-Populismus gebraucht?
Populismus selber machen, Populismus besser verstehen
Diesen Fragen gingen die Impulsvorträge und Diskussionen des „Café Europa: Populismus – Weckruf für Europa?“ am Sonntag, den 27. Januar 2019 im Schader-Forum Darmstadt nach. Veranstaltet wurde es von der Initiative Pulse of Europe Darmstadt und der Schader-Stiftung. Rund 180 Personen nahmen teil und folgten drei fachlichen Impulsen zu Populismus, politischen Gefühlen und Europas Krisen und Konflikten. Anschließend debattierten sie in rund einem Dutzend Arbeitsgruppen, wie populistische Politik gemacht werden kann, politische Debatten emotionalisiert und Gespräche über Europa polarisiert werden können. Ausgehend von den Vortragsimpulsen war es den Teilnehmern zur Aufgabe gemacht worden, zu zeigen, wie die Werkzeuge populistischer Kommunikation von ihnen selbst angewendet werden könnten. Der damit einhergehende Blickwechsel verhalf zu einem tieferen Verständnis der Widersprüchlichkeiten und Janusköpfigkeit des Themas Populismus.
In einer ersten AG-Runde wurde den Arbeitsgruppen jeweils eine der folgenden drei Aufgaben gestellt:
· AG „Populismus selber machen“
Arbeitsaufgabe für die TeilnehmerInnen: Zeigen Sie uns 5 einfache Schritte, wie man zum Populisten wird.
· AG „Politische Gefühle auslösen“
Arbeitsaufgabe für die TeilnehmerInnen: Geben Sie uns 5 gute Ratschläge, wie man Empörung, Wut, Angst, Zorn oder Enthusiasmus auslösen kann.
· AG „Europäische Union? Für klare Kante sorgen “
Arbeitsaufgabe für die TeilnehmerInnen: Nennen Sie 5 Meinungen zu Europa und ordnen Sie diese in Pro-EU und Contra-EU ein. Es sind nur Pro oder Contra erlaubt und es sollen mindestens 2 Pro- und 2 Contra-Meinungen genannt werden.
Pro-Europa-Populismus: Ein Drittel der Teilnehmenden dafür
In einem zweiten Schritt waren die Teilnehmer aufgefordert, die Vor- und Nachteile eines Pro-Europa-Populismus zu diskutieren. Da davon auszugehen war, dass pro-europäische Haltungen in der Teilnehmerschaft weit überwogen, wurde so eine Verkürzung des Populismusbegriffs auf politische Gegnerschaft vermieden und ein differenzierter Blick auf das Phänomen erreicht.
Das Meinungsbild der Teilnehmer wurde in Abstimmungen in allen Arbeitsgruppen erhoben, eine Teilnehmerbefragung ging zusätzlich den individuellen Argumenten für eine Pro- oder Contra-Stimme nach. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden lehnte einen Pro-Europa-Populismus ab. Rund ein Drittel war dagegen der Meinung, dass ein Pro-Europa-Populismus heute gebraucht werde. Während die Gegener eines Pro-Europa-Populismus u.a. grundsätzliche Vorbehalte gegen argumentative Zuspitzung und einfache Ausdruckweise äußerten (Eskalationsgefahr, zu undifferenziert), sahen die Befürworter in einer emotionalen, die Menschen positiv begeisternden Ansprache in klaren Worten eine politische Chance.
Impulse und Diskussionsergebnisse sowie die Auswertung der Teilnehmerbefragung können in der Veranstaltungsdokumentation nachgelesen werden, die als PDF-Datei hier zum Download bereit steht.