Unwort-Bilder in der Schader-Stiftung. Eine Einführung
Artikel vom 07.03.2019
Am 7. März wurde die Ausstellung zum Unwort des Jahres 2018 im Schader-Forum eröffnet. Der Unwort-Bilder e.V. stellt jährlich an wechselnden Orten Fotoarbeiten aus, im März 2019 in Kooperation mit der Schader-Stiftung, unterstützt von der Bürgerstiftung Darmstadt und der Sparkasse Darmstadt.
Zeigen
Von den Unwort-Fotografen war ein „Nicht schon wieder...“ zu hören, als erneut ein Begriff gewählt wurde, der vom rechten Rand in die Mitte der Gesellschaft trollt. Ein Begriff als Wahlkampfbegriff zudem, der irgendwie vorhersehbar ist in seiner Dumpfheit. Ein Begriff, der zeichenhaft den verschobenen, wortwörtlich ver-rückten Diskurs um das, was Innen und was Außen ist, beschreibt. Ja, also schon wieder so etwas. Aber – so kreativ unsere Kreativen sind – es sollte ja doch im fünfzehnten Jahr wieder das entstehen, was es fünfzehn Jahre lang war, nur eben ein bisschen anders.
Und wenn diese Begriffe eben neue Bilder produzieren, Bilder die Menschen von Menschen entfremden sollen, dann müssen wohl auch Andere immer wieder da sein. Menschen, die auf Sprache achten, Worte gegen Unworte setzen. Die auf Bilder achten und Bilder gegen Unbilder zeigen. Die entlarven, überzeichnen, sich empören oder auch auslachen, was lächerlich ist. Und manche Bilder benennen, eher: bebildern oder bezeichnen drastisch, was Unworte sind oder sein sollten; ein Vogelschiss in der Geschichte der Menschlichkeit.
Unwortbilden
Vor einem Jahr wurde die Unwort-Bilder-Ausstellung in den Kammerspielen des Staatstheaters eröffnet und als wir angeboten haben, doch das Schader-Forum als nächsten Ort in Betracht zu ziehen, wussten weder wir noch die Fotografinnen und Fotografen des Unwort-Bilder e.V., auf was wir uns da einlassen. Denn es sollte „ein bisschen mehr“ sein bei der Schader-Stiftung. Wir wollten gerne dabei sein und lernen, wie so etwas entsteht wie diese Ausstellung. Ich kann bereits spoilern – es war toll, es war spannend und kollegial und für uns eine wirklich erfüllte Zeit, die jetzt erst so richtig startet.
Wir arbeiten in der Schader-Stiftung ja am Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis – also vorrangig mit Worten. Wenn sich aber Worte oder auch Unworte Raum schaffen im eigenen Denken und Vorstellen und zu Bildern werden, dann gehen uns im Normalfall die Worte aus. Und da kommt diese Gruppe mit ihren Fotoapparaten und schafft es, Jahr für Jahr – und über das Jahr natürlich kontinuierlich professionell in den jeweiligen Studios – Bilder zu bannen, die unsereins nur im Kopf und nicht recht greifbar oder abbildbar sind. Das ist phantastisch und ein wirkliches Geschenk, ein Momentum zu weiteren Diskursen.
Begrüßen
Zu dieser Vernissage begrüßen wir Sie alle sehr herzlich. Unser Stifter ist unter uns – verehrte Frau Schader, lieber Herr Schader, schön, dass Sie diesen Abend mit uns verbringen. Wir begrüßen Stammgäste der Unwort-Fotografinnen, Kulturschaffende und Kulturerlebende, Menschen mit Verantwortung in Land und Stadt – ich begrüße stellvertretend den Abgeordneten des Hessischen Landtags Bijan Kaffenberger und den Darmstädter Kulturdezernenten Prof. Dr. Ludger Hünnekens. Ich danke sehr herzlich den weiteren Unterstützern; der Sparkasse Darmstadt und insbesondere den Kollegen der Bürgerstiftung Darmstadt für die gute Kooperation.
Unser heutiger Redner Andreas Lipsch, der hauptberuflich bei der Diakonie Hessen tätig ist und ehrenamtlich seit vielen Jahren in verantwortlicher Position für Pro Asyl, hat uns in den vergangenen Wochen intensiv begleitet und unterstützt. Rechtsanwalt Thomas Busch aus Mainz, einer jener Anwälte, die in vielen kleinen Vorgängen die vielen vermeintlich kleinen, für die Betroffenen aber lebensentscheidenden Verfahren führt, stand als Berater bereit. Dr. Christian Steuerwald, der in den kommenden Tagen soziologische Führungen anbieten wird, die ich Ihnen bereits jetzt herzlich empfehle, war über die gesamte Zeit Berater und Gesprächspartner und ist als langjähriges Mitglied des Beirats der Galerie der Schader-Stiftung ein steter Begleiter unseres Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Kunst.
Hinterfragen
Wenn also Alexander Dobrindt meint, so ein Unwort müsse hinterfragt werden, dann hat er ja völlig Recht. Tun wir das doch. Tun wir das in den kommenden zehn Tagen und hinterfragen diese Worte der „aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie“ und unseren Umgang mit Sprache. Fragen wir nach der Wirkung einer solchen Sprechweise, wie es die sprachkritische Unwort-Jury tun und anregen möchte. Fragen wir auch nach den Fakten, suchen wir nach dieser vermeintlichen Industrie und folgen wir der Suche der Fotografinnen und Fotografen nach anderen Industrien. Es ist weder gewollt noch ungewollt, sondern wohl schlicht unvermeidlich, dass die Ausstellung zum Unwort des Jahres 2018 dort beginnt, wo jene zum Unwort des Jahres 2017, den „Alternativen Fakten“, geendet hat.
Also hinterfragen wir in den kommenden Tagen, was denn dahinter steckt, hinter dieser ominösen Anti-Abschiebe-Industrie. Vom Anti bis zur Industrie – und in jedem Fall die Abschiebung in der Mitte, eigentlich an sich jedes schon ein respektables Unwort. Dafür stehen in diesem Raum und in diesen Bildern neunmal jeweils zwei Bilder auf einmal ein Meter. Sie stehen nicht allein, sondern bilden eine Geschichte. Was ehrlich gesagt ein Wunder ist nach dem Prozess der Entstehung, den wir miterleben konnten, ein kreativer, konstruktiver, fröhlich-anarchischer Prozess der Gestaltung, gegenseitigen Kommentierung und Ermutigung. Letztlich können wir uns alle unsere Wege durch die Bilder suchen und laden Sie ein, ihre eigene Wahrnehmung und Logik daran zu schulen.
Danken
Wir, meine Kolleginnen Anna-Lena Treitz und Peter Lonitz in der Vorbereitung und Durchführung der Ausstellung, Alexander Hinz und Justus Heinecker in der Technik und das ganze Team der Schader-Stiftung, freuen uns auf spannende gemeinsame Tage, viele Gäste, wache Blicke und gute Gespräche. Wir laden Sie sehr herzlich ein zu den Führungen und Veranstaltungen der kommenden Tage. Streuen Sie die Einladung, schauen Sie, empören Sie sich und sprechen Sie miteinander.
Und wir danken sehr herzlich den Fotografinnen und Fotografen für die Bilder und die vielen Worte, die gemacht wurden, bevor die Bilder hängen konnten. Wisst Ihr was: Das schaut wirklich gut aus! Ganz herzlichen Dank.
Alexander Gemeinhardt
Vorstand der Schader-Stiftung