Stiftungen als wissensbasierte Intermediäre
Artikel vom 21.05.2019
Komplexe politische Entscheide bedürfen zunehmend wissenschaftlicher Erkenntnisse und Expertise. Der Austausch zwischen Akteuren des politischen und des wissenschaftlichen Systems steht dabei aber vor einer Reihe von Herausforderungen. Von Otfried Jarren und Franziska Oehmer
Herausforderung: wissenschaftliche Expertise für politische Entscheidungen
Der Anreiz, Ressourcen in die Kommunikation mit politischen Akteuren zu investieren, ist für Wissenschaftler eher niedrig. Das Wissenschaftssystem honoriert vor allem die Kommunikation von Erkenntnissen und Befunden in Fachmedien und in der Fachöffentlichkeit. Daher folgt die Kommunikation von Wissenschaftlern überwiegend den wissenschaftlichen Produktions- und Vermittlungslogiken, die mit Blick auf die Komplexität und Terminologie nur bedingt an die politische Logik der Meinungs- und Willensbildung wie auch Entscheidung anschlussfähig ist.1 Zudem verfügen Wissenschaftler teilweise nicht über die zeitlichen Ressourcen oder kommunikativen Fähigkeiten, um ihr Wissen in das politisch-administrative System wie in die Gesellschaft einzubringen.2 Und die Interaktion mit Akteuren des politischen Systems ist für Wissenschaftlerinnen wie Wissenschaftler riskant, weil vielfach nur kurzfristig Beratung nachgefragt wird. Ferner besteht stets das Risiko, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lediglich zur Legitimation eigener Interessen oder Positionen und damit als „opportune Zeugen“ in der Politik eingesetzt werden.
Die Akteure des politischen Systems zum anderen wenden sich nur selektiv, den jeweiligen politischen Anforderungen wie Opportunitäten entsprechend, wissenschaftlichen Akteuren und deren Befunden zu. Die Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgt also vielfach im Rahmen politischer Handlungslogiken.
Zeitlich, sachlich wie sozial müssen beide Akteursgruppen nach unterschiedlichen institutionellen Vorgaben handeln. Beratan und Karl resümieren: „Scientists and decision makers come from dissimilar professional cultures with different purposes, values, norms, and reward systems. As a result, the two groups tend to approach problems and issues very differently, with little incentive on either side to change and broaden their horizons.”3
Intermediäre und Expertise
Zur Überwindung beziehungsweise zur Verringerung von Kommunikationsbarrieren zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Systemen bedarf es intermediärer Akteure. Intermediäre sind Vermittler zwischen verschiedenen Systemen, zwischen unterschiedlichen Kulturen wie Kommunikationswelten.4 Zu den Intermediären werden traditionell zum einen die Akteure der Interessenartikulation gezählt. Das sind NGOs, NPOs, Vereine und weitere zivilgesellschaftliche Organisationen. Sie sorgen dafür, dass gesellschaftliche Probleme aufgegriffen und artikuliert werden. Sie ermöglichen, dass sich Interessen finden, dass Interessen gebündelt und repräsentiert und dadurch für politische Prozesse vermittlungsfähig gemacht werden. Vielfach beziehen diese Akteure bereits wissenschaftliche Erkenntnisse ein oder sie wollen bestimmten wissenschaftlichen Einsichten zur politischen Durchsetzung verhelfen. Zu den Akteuren der Interessenartikulation können politische Parteien sowie Massenmedien gezählt werden, weil sie Interessen aufgreifen, thematisieren und damit für andere Akteure in politischen Prozessen bearbeitungsfähig machen. Parteien wie Medien aber sind relativ selektiv gegenüber neuen gesellschaftlichen Wünschen wie Anforderungen. Sie wählen vor allem das aus, was ihnen politisch-taktisch nutzt (Parteien: Wahlen) oder was Quote verspricht (Massenmedien). Zu den Intermediären der Interessenaggregation zählen vor allem Verbände und Parteien: sie greifen das auf, was sie für politische Entscheidungen für relevant erachten – und ihnen im politischen Machtspiel Vorteile bringt5. Die Akteure der Aggregation sind in einem noch höheren Maße selektiv: Schlecht organisierbare wie gering konfliktfähige Interessen haben Mühe, ihre Positionen zu Gehör zu bringen und durchzusetzen. Im politischen Entscheidungsprozess wirken dominant die Parteienvertreter mit (Akteure der Interessendurchsetzung). Zugang zu diesen Amtspersonen haben in der Regel vor allem die Vertreter hoch organisierter wie einflussreicher Interessen. Und diese bringen eigene oder die Expertise auch aus der Wissenschaft ein, weil sie deren Leistungen beziehen. Wissenschaftliche Expertise, die eine immer größere Rolle bei politischen Entscheidungen spielt, ist also ungleich verteilt.
So verfügen die politischen Parteien, aber auch die großen Verbände, über eigene Stiftungen oder Think Tanks, die ihnen zuarbeiten.6 Die Parlamentsparteien können zudem auf Wissenschaftliche Dienste der Parlamente zugreifen. Außerdem verfügt diese Akteurgruppe über erhebliche Ressourcen, so auch um Studien in Auftrag zu geben oder Gutachten erstellen zu können. Die schlecht bis kaum organisierten Interessen haben nicht nur einen beschränkten Zugang zu den Akteuren der Interessenartikulation wie -durchsetzung und sie verfügen über geringe Ressourcen, so auch um wissenschaftliche Expertise bereitstellen zu können.
Stiftungen als Intermediäre
Unter dem Begriff der Stiftung lassen sich eine Vielzahl verschiedener Akteure mit je unterschiedlichen Zwecken, Organisationsstrukturen, Rechtsformen (in Deutschland: rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts, Stiftung gGmbH, Stiftung GmbH, Treuhänderische Stiftung, Verein und andere mehr), finanziellen Mitteln und Arbeitsweisen subsumieren7: „In the nonprofit sector, the term foundation has no precise meaning.“8 Ihnen gemein ist dabei, dass sie eine zumeist auf Dauer angelegte juristische Person darstellen, deren Vermögen zu einem vom Stifter bestimmten Stiftungszweck verwendet wird.9
Mögliche Stiftungszwecke wurden in der Definition des European Foundation Centers wie folgt spezifiziert: „They distribute their financial resources for educational, cultural, religious, social or other public benefit purposes, either by supporting associations, charities, educational institutions or individuals, or by operating their own programmes.“10 Der Stiftungszweck bedarf einer Verankerung in einer Satzung „welche so gestaltet ist, daß [sic] diese Satzung die Verwalter der Körperschaft bezüglich der Erhaltung und Verwendung des Vermögens dauerhaft bindet.11 Stiftungen werden vielfach zum Bereich der Zivilgesellschaft gezählt, da sie „weder der staatlichen Sphäre angehören noch zum Markt zu rechnen sind und auch nicht in der Privatsphäre angesiedelt sind.“12 Stiftungen sind im kontinentaleuropäischen Kontext vor allem, so auch aus legitimatorischen Gründen, auf Prozesse der Interessenartikulation hin ausgerichtet. Dabei können sie aber unter korporatistischen Bedingungen in vielfältiger Weise auf politische Prozesse einwirken. Ihr Handeln bedarf dabei in der Regel, anders als beispielsweise jenes von Parteien und Verbänden, nicht der Legitimation durch Mitgliedervoten oder der Kontrolle durch die Bevölkerung. Sie können somit unabhängig von ausformulierten oder gar ausgewiesenen normativen Grundpositionen, der Verpflichtung zur Teilnahme an Wahlen oder aufgrund von Vorgaben Dritter agieren. Andererseits sehen sich Stiftungen aufgrund dieser Spezifika auch häufig mit Legitimitätsfragen konfrontiert13, da sie als private Akteure agieren und nur im begrenzten Maße der öffentlichen Kontrolle unterliegen, obwohl sie auf öffentliche Angelegenheiten reagieren oder auf öffentliche Themen sich beziehen. Vor allem partei- und unternehmensnahe Stiftungen sehen sich mit solcher Kritik konfrontiert, wenn sie sich in Forschungsbereichen engagieren, die eng mit ihrer politischen Expertise oder ihrem Geschäftsbereich im Zusammenhang stehen.14 Sie müssen daher, zumal dann, wenn sie explizit politische Ziele verfolgen, um erfolgreich zu sein, für ihre Legitimation selbst besorgt sein. Es erfordert von den Stiftungen ein spezifisches Maß an Transparenz wie eine angemessene Governance.
Differenziert werden kann grundsätzlich zwischen zwei Stiftungstypen, die sich mit Blick auf den Einbezug externer Akteure unterscheiden: Zum einen können operative Stiftungen identifiziert werden, die selbst Projekte durchführen (vgl. Forschungsprojekte, Politikberatung, Wettbewerbe und andere mehr).15 Davon zu unterscheiden sind, zum anderen, fördernde Stiftungen, die externe Projekte oder Akteure etwa durch Stipendien, Beihilfen, Forschungsmittel begünstigen.16 Die Unterscheidung zwischen operativ und fördernd ist jedoch nicht immer trennscharf: Viele Stiftungen sind als Mischtypus sowohl fördernd als auch operativ tätig. Die Schader-Stiftung fördert bestimmte Vorhaben und wird dadurch operativ tätig, sie stellt aber zudem auch Ressourcen bereit, damit sich wissenschaftliche und gesellschaftliche Akteure im Stiftungszentrum begegnen und austauschen können. Zudem ermöglicht die Schader-Stiftung auch den Austausch von Wissenschaftlergruppen wie Fachgesellschaften im Bereich der Gesellschaftswissenschaften.
Insbesondere private Stiftungen können im intermediären Gefüge der Gesellschaft einen besonderen Beitrag leisten: Sie können eigenständig, und ohne auf Wahltermine oder Stimmengewinne oder bestimmte Interessen achten zu müssen, relevante Themen selbst aufgreifen und die dazu gehörige Forschung initiieren wie fördern. Sie können dadurch anderen Akteuren dienen, indem sie diesen Akteuren den Zugang zu wissenschaftlichen Ressourcen ermöglichen. Und sie können vor allem auch ein Forum sein, damit sich gesellschaftliche Interessen, politische Vertreter und wissenschaftliche Expertiseträger auf einer Plattform treffen und auseinandersetzen können. Stiftungen werden damit intermediär tätig: Sie verbinden unterschiedliche Bereiche wie Sphären miteinander, sie ermöglichen den Dialog und sie können – wenn sie wissensbasiert agieren – zur Wissenserschließung, -vermittlung wie zum Wissensaustausch zwischen unterschiedlichen Interessen wie auch in die Gesellschaft hinein dienen.
Auch für die Angehörigen des Wissenschaftssystems entstehen so relevante Transferorte wie Transfermöglichkeiten, zumal dann, wenn die Stiftungen „neutrale“, zumindest in einem partei- wie interessenpolitischen Sinn auch unabhängige, Austauschmöglichkeiten bieten. Stiftungen können sich zudem spezialisieren und so zu einem allgemein bekannten und anerkannten intermediären Akteur mit spezifischer wissenschaftlicher Expertise werden.
Stiftungen als Science-Policy-Interfaces
Der Begriff „Science-Policy Interfaces“ wird verwendet, um die Vermittlung zwischen Wissenschaft und Politik (Policy) durch „intermediaries“, „broker“, „mediators“, „science communicators“ zu beschreiben17. Van den Hove definiert sie als „social processes which encompass relations between scientists and other actors in the policy process, and which allow for exchanges, co-evolution, and joint construction of knowledge with the aim of enriching decision making.“18 Die Konstitution wie die Governance dieser Intermediäre, die neben anderen Intermediären wie Parteien oder Verbänden agieren, ist aber voraussetzungsvoll: Sie müssen ihren Fokus im wissenschaftlichen Bereich haben sowie über ein hohes Maß an Unabhängigkeit verfügen, um glaubwürdig agieren zu können. Vor allem aber dürfen sie nicht mit den im Wettbewerb um Stimmen, die Besetzung von Ämtern oder der direkten Durchsetzung von Interessen handelnden Intermediären konkurrieren – denn dies ist die Domäne vor allem von Parteien (Interessendurchsetzung) und Verbänden (Interessenaggregation). Sarkki et al. sehen daher Glaubwürdigkeit, Relevanz und Legitimität als entscheidende Eigenschaften für die Wirksamkeit und Verbesserung der Nutzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in der politischen Willensbildung als auch Entscheidungsfindung an.19 Neben klassischen Akteuren des Wissenschaftsbereiches wie Universitäten, Fachhochschulen oder Akademien20, können zunehmend auch Stiftungen als relevante Science-Policy-Interfaces identifiziert werden21.
Stiftungen übernehmen zumeist bedeutsame gesellschaftliche, karitative, ökonomische oder auch politische Aufgaben22: Sie betätigen sich als „Förderer innovativer Ideen“23, als Politikberater24, als Initiator wissenschaftlicher Projekte oder als „Instrument der institutionellen Vermittlung zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen“.25 In die Rolle von Science-Policy-Interfaces treten Stiftungen zunehmend vor allem durch die Finanzierung, Förderung und Durchführung wissenschaftlicher Studien, Projekte und wissenschaftlicher Akteure sowie die Zurverfügungstellung und das Verbreiten wissenschaftlicher Expertise an politische Akteure.26 Zudem schaffen sie im Rahmen von Veranstaltungen, Workshops oder Gesprächskreisen öffentliche wie nicht öffentliche Interaktionsräume für Politiker und Wissenschaftler, „allowing ideas to flow through a great permeable membrane between government and nongovernment bodies and helping to provide for a mutually beneficial flow of information and people between the governmental and nongovernmental sector“.27 Darüber hinaus initiieren und verantworten sie Kampagnen der Wissenschaftsöffentlichkeitsarbeit28 oder bieten Medientrainings für Wissenschaftler.29 Für operative Stiftungen, die sich häufig auch als Think Tank begreifen, lässt sich darüber hinaus auch die Funktion der Politikberatung, also das „Sammeln oder Herstellen von Informationen, ihre Diffusion an politische Akteure und die Unterstützung bzw. Orientierung bei Entscheidungen“30, ergänzen. Sie gelten sogar, zumindest in bestimmten Politikfeldern (policy) als „major players in policy making“31, die ihren Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess durch das Teilen von Wissen geltend machen. Sie können dabei, im Vergleich zu Parteien und Verbänden, aufgrund der geringeren „internal and external constraints“32 freier entscheiden, welche Themen und Probleme der Bearbeitung bedürfen. Da Think Tanks auch selbständig Forschung betreiben, ohne immer wissenschaftliche Qualitätskriterien zu erfüllen, stellt Sebba deren Eignung und Wirksamkeit als „research mediators“ jedoch auch in Frage33.
Stiftungen als wissensbasierte Intermediäre
Stiftungen können als Vermittler oder Intermediäre selbst agieren oder entsprechende Akteure konstituieren. Sie könnten einen Beitrag leisten, weil sie dauerhaft und regelgeleitet „Plattformen bilden, mittels derer wissenschaftliche Befunde […] zusammengestellt und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Von hier aus erreichen sie die verschiedenen Akteure des gesellschaftlichen Lebens – von den parlamentarischen und administrativen Akteuren über die gesellschaftlichen Interessengruppen und nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger als Wahlvolk und als private Akteure“.34
In diesem Kontext kommt den gesellschaftlich an Bedeutung gewinnenden privaten Stiftungen – neben den Stiftungen der politischen Parteien wie denen der Verbände – als Teil der intermediären Struktur der Gesellschaft, eine zunehmende Relevanz bei der Verbreitung, der Diskussion und der Reflexion wissenschaftlichen Wissens sowie eine wichtige Bereitstellungs- und Vermittlungsfunktion zu. Dies auch weil sie als private Akteure frei in der Themenwahl wie ihrer Strategieentscheidung sind und nicht unmittelbar um Zustimmung werben müssen. Sie können Problemstellungen wie Themen aufgreifen, die von mittel- oder langfristiger gesellschaftlicher Bedeutung sein können. Gerade in der Langfristigkeit kommt den Stiftungen eine besondere Bedeutung zu: Sie können Zeit gewähren, sie können unterschiedliche Gruppen zusammenbringen. Sie tragen so zu einer Vernetzung bei, zu Vertrauensbildung und einem anhaltenden Austausch zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen. An diesen Orten der Begegnung und des systematischen (Wissens-)Austauschs fehlt es in der modernen Gesellschaft.
Zudem können Stiftungen anhaltend zur Erarbeitung wie zum Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen beitragen. Als anerkannter Ort, an dem auch die wissenschaftliche Qualität relevant ist, werden sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewinnen können. Wissenschaft wird nicht „genutzt“, gar „eingekauft“, sondern kann sich im Kontext des Austausches eigenständig einbringen und entwickeln. Stiftungen können zu einem auch in der Wissenschaft anerkannten Ort der wissenschaftlichen Arbeit, auch der wissenschaftsinternen Debatte, werden. Das trifft auf die Schader-Stiftung zu, die sich auf die Gesellschaftswissenschaften bezieht, entsprechende Projekte initiiert und als Stiftung zugleich den Raum für (fach-)wissenschaftliche Debatten bereitstellt.
Gesellschaftliches Engagement, verbunden mit wissenschaftlicher Expertise, ist heute verstärkt bei größeren deutschen Stiftungen auszumachen. Vor allem operativ tätige Stiftungen fördern ausgewählte Themen und Ansätze (zum Beispiel die Stiftung Mercator die Forschung im Bereich Klimawandel oder die Hertie-Stiftung im Bereich Governance). Stiftungen treten für bestimmte selektive Ziele ein, ermöglichen dazu wissenschaftliche Analysen und vermitteln wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie sind an der Gründung und Förderung etwa von Forschungseinrichtungen, Think Tanks, Beratungseinrichtungen beteiligt oder initiieren diese. Zudem agieren vor allem operativ tätige Stiftungen allein oder mit anderen Akteuren beispielsweise auch mit Policy-Empfehlungen und Beratungsmodellen. Stiftungen selbst vermitteln dabei auch wissenschaftliche Erkenntnisse oder tragen zu deren Transfer in Teile der Gesellschaft bei.
Stiftungen als Forschungs- wie Reflexionsthema
Es lässt sich festhalten, dass Stiftungen einen vom Stifter definierten und meist mit dessen Ressourcen realisierten Zweck verfolgen. Ein Teil dieser – vor allem operativ tätigen – Stiftungen fördert oder lässt dabei auch eigenständig wissenschaftliche Projekte oder Studien erstellen, veranstaltet Konferenzen oder beschäftigt Experten, mit deren Erkenntnissen und Empfehlungen sie sich als Science-Policy-Interfaces für politische Entscheider qualifizieren, um dadurch Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse auszuüben. Sie spielen eine „discernible role in the policy process and […] they are relevant political actors. Not only are they worthy of academic analysis; they also demand the attention of politicians and political observers and the vigilance of those interested in open political processes”35. Trotz dieser Bedeutung von Stiftungen für die Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Politik und die Öffentlichkeit gibt es hierzu für den deutschsprachigen Raum jedoch kaum wissenschaftliche – vor allem empirische – Analysen36. Ein Großteil der Publikationen diskutiert die Bedeutung von Stiftungen vor allem theoretisch-konzeptionell37 oder stellt Reflexionen von Praktikern oder Wissenschaftsmanagern dar38.
Über die Rolle der Stiftungen als Intermediäre wie insbesondere als Science-Policy-Interfaces muss nicht nur verstärkt geforscht, sondern auch vermehrt diskutiert werden. Die Schader-Stiftung bietet sich dafür nicht nur an: Sie war und ist der Ort der Reflexion der wie auch über die Gesellschaftswissenschaften. Und es sind die Gesellschaftswissenschaften, die über Formen der zukünftigen Wissensarbeit wie des Wissenstransfers nachdenken müssen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der erweiterten Dokumentation des Symposiums „Die Praxis der Gesellschaftswissenschaften“, das anlässlich des 90. Geburtstags des Stifters Alois M. Schader am 16. Juli 2018 im Schader-Forum stattfand.
Otfried Jarren und Franziska Oehmer: Stiftungen als wissensbasierte Intermediäre, in: Alexander Gemeinhardt (Hrsg.): Die Praxis der Gesellschaftswissenschaften. 30 Jahre Schader-Stiftung, Darmstadt 2018, 162-168.
Die Autoren:
Prof. Dr. Otfried Jarren ist Professor am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. Er hat zudem eine Honorarprofessur für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin inne.
Dr. Franziska Oehmer ist Wissenschaftliche Oberassistentin und Dozentin am Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Université de Fribourg, Schweiz.
1 Vgl. Frohn, Rüdiger (2017): Stiftungen – Wissenschaften – Politik. Chancen und Grenzen wissenschaftlicher Politikberatung durch Stiftungen. In: Hoose, Fabian / Beckmann, Fabian / Schönauer, Anna-Lena (Hrsg.): Fortsetzung folgt: Kontinuität und Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft. Wiesbaden: Springer VS, S. 447–465. Tremblay, Maryse / Vandewalle, Marie / Wittmer, Heidi (2016): Ethical Challenges at the Science-Policy Interface: An Ethical Risk Assessment and Proposition of an Ethical Infrastructure. In: Biodiversity and Conservation. June 2016, 25 (7), S. 1253–1267. Bednarek, Angela T. / Wyborn, Carina / Cvitanovic, Christopher / Meyer, Ryan / Colvin, Rebecca M. / Addison, Prue F. E. / Close, S. L. / Curran, Kathleen / Farooque, Mahmud / Goldman, Erica / Hart, David / Mannix, Heather / McGreavy, Bridie / Parris, Adam / Posner, Stephen / Robinson Cynthia / Ryan, Melanie / Leith, Peat (2018): Boundary Spanning at the Science-Policy Interface: The Practitioners’ Perspectives. In: Sustainability Science 13 (4), S. 1175–1183.
2 Vgl. Beratan, Kathi K. / Karl, Herman A. (2012): Managing the Science-Policy Interface in a Complex and Contentious World. In: Karl, Herman A. / Scarlett, Lynn / Vargas-Moreno, Juan / Flaxman, Michael (Hrsg.): Restoring Lands – Coordinating Science, Politics and Action. Dordrecht: Springer, S. 211.
3 Beratan, Kathi K. / Karl, Herman A. (2012): Managing the Science-Policy Interface in a Complex and Contentious World, a.a.O., S. 190.
4 Vgl. Donges, Patrick / Jarren, Otfried (2017): Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Studienbücher zur Kommunikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden: Springer VS. Rucht, Dieter (2007): Das intermediäre System politischer Interessenvermittlung. In: Jarren, Otfried / Lachenmeier, Dominik / Steiner, Adrian (Hrsg.): Entgrenzte Demokratie? Herausforderungen für die politische Interessenvermittlung. Baden-Baden: Nomos, S. 19–32.
5 Vgl. Zimmer, Annette / Speth, Rudolf (2015): Von der Hierarchie zum Markt. In: Diess. (Hrsg.): Lobby Work. Bürgergesellschaft und Demokratie. Wiesbaden: Springer VS, S. 31–52.
6 Vgl. Heisterkamp, Ulrich (2014): Think Tanks der Parteien? Eine vergleichende Analyse der deutschen politischen Stiftungen. Wiesbaden: Springer VS.
7 Vgl. Adloff, Frank (2004): Wozu sind Stiftungen gut? In: Leviathan 2, S. 272. Kocka, Jürgen (2004): Die Rolle der Stiftungen in der Bürgergesellschaft der Zukunft. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, S. 5.
8 Council on Foundations: Foundations Basics. Online verfügbar unter www.cof.org/content/foundationbasics (27.06.2018).
9 Vgl. Strachwitz, Rupert (2010): Foundations, Definitions and History. In: Anheier, Helmut K. / Toepler, Stefan (Hrsg.): International Encyclopedia of Civil Society. New York: Springer, S. 684–689.
10 European Foundation Center: Typology of Foundations in Europe. Online verfügbar unter wings.issuelab.org/resource/typology-of-foundations-in-europe.html (27.06.2018).
11 Strachwitz, Rupert (2011): Stiftung. In: Lewinski-Reuter, Verena (Hrsg.): Glossar Kulturmanagement. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 348.
12 Kocka, Jürgen (2004): Die Rolle der Stiftungen in der Bürgergesellschaft der Zukunft, a.a.O., S. 4.
13 Vgl. Fritsch, Nina (2007): Erfolgsfaktoren im Stiftungsmanagement. Erfolgsfaktorenforschung im Nonprofit-Sektor. Diss. Univ. Münster. Wiesbaden: Gabler, S. 165 ff.
14 Vgl. Rohe, Wolfgang (2016): Wissenschaftsförderung als gesellschaftliche Aufgabe privater Stiftungen. In: Simon, Dagmar / Knie, Andreas / Hornbostel, Stefan / Zimmermann, Karin (Hrsg.): Handbuch Wissenschaftspolitik. Wiesbaden: Springer VS, S. 429–445.
15 Vgl. Leat, Diana (2016): Philanthropic Foundations, Public Good and Public Policy. London: Palgrave Macmillan. S. 168. Wigand, Klaus (2009): Stiftungen in der Praxis. Recht, Steuern, Beratung. Wiesbaden: Gabler, S. 168.
16 Strachwitz, Rupert (2011): Stiftung, a.a.O., S. 353.
17 Knight, Christine / Lyall, Catherine (2013): Knowledge Brokers: The Role of Intermediaries in Producing Research Impact. In: Evidence & Policy 9(3), S. 309–316. Rodari, Paola / Bultitude, Karen / Desborough, Karen (2012): Science Communication Between Researchers and Policy Makers. Reflections from a European Project. In: Journal of Science Communication 11(3), S. 1–8. Peters, Hans Peter (2013): Gap Between Science and Media Revisited: Scientists as Public Communicators. In: PNAS. 110 (3), S. 14102–14109.
18 van den Hove, Sybille (2007): A Rationale for Science–Policy Interfaces. In: Futures 39, S. 814–815.
19 Sarkki, Simo / Niemela, Jari / Tinch, Rob / van den Hove, Sybille / Wattand, Allan / Young, Juliette (2013): Balancing Credibility, Relevance and Legitimacy: A Critical Assessment of Trade-offs in Science-Policy Interfaces. In: Science and Public Policy, S. 1–13.
20 Fähnrich, Birte (2018): Einflussreich, aber wenig beachtet? Eine Meta-Studie zum Stand der deutschsprachigen Forschung über strategische Kommunikation von Wissenschaftsorganisationen. In: Publizistik, S. 407–426.
21 Frohn, Rüdiger (2017): Stiftungen – Wissenschaften – Politik, a.a.O. Hamburg, David. A. (1999): Foundations and Science Policy. In: Science 284 (5412), S. 259.
22 Vgl. Adloff, Frank (2004): Wozu sind Stiftungen gut? A.a.O., S. 274.
23 Ebd., S. 280.
24 Welzel, Carolin (2006): Politikberatung durch Stiftungen. In: Falk, Svenja / Rehfeld, Dieter / Römmele, Andrea / Thuntert, Martin (Hrsg.): Handbuch Politikberatung: Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 275–289.
25 Adloff, Frank (2004): Wozu sind Stiftungen gut? A.a.O., S. 280.
26 Vgl. Frohn, Rüdiger (2017): Stiftungen – Wissenschaften – Politik, a.a.O. Hamburg, David. A. (1999): Foundations and Science Policy, a.a.O.
27 Hamburg, David. A., a.a.O., S. 259.
28 Vgl. Weingart, Peter (2012): The Lure of the Mass Media and Its Repercussions on Science. In: Rödder, Simone / Franzen, Martina / Weingart, Peter (Hrsg.): The Sciences’ Media Connection – Public Communication and its Repercussions, S. 21.
29 Vgl. Peters, Hans Peter (2012): Scientific Sources and the Mass Media: Forms and Consequences of Medialization. In: Rödder, Simone / Franzen, Martina / Weingart, Peter (Hrsg.): The Sciences’ Media Connection – Public Communication and its Repercussions, S. 225.
30 Welzel, Carolin (2006): Politikberatung durch Stiftungen, a.a.O., S. 278.
31 Anheier, Helmut K. (2015): Policy Knowledge: Foundations. In: International Encyclopedia of the Social & Behavioral Sciences 18, S. 293–298.
32 Fraussen, Bert / Halpin, Darren (2017): Think Tanks and Strategic Policy-Making: The Contribution of Think Tanks to Policy Advisory Systems. In: Policy Science 50 (1), S. 105–124.
33 Vgl. Sebba, Judy (2013): An Exploratory Review of the Role of Research Mediators in Social Science. In: Evidence & Policy 9 (3), S. 391–408.
34 Lange, Hellmuth (2010): Innovationen im politischen Prozess als Bedingung substantieller Nachhaltigkeitsfortschritte. In: Howaldt, Jürgen / Jacobsen, Heike (Hrsg.): Soziale Innovation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 202.
35 Pautz, Hartwig (2012): Think-Tanks as Interfaces Between Policy, Politics and Expertise. London: Palgrave Macmillan, S. 181.
36 Vgl. Almog-Bar, Michal / Zychlinski, Ester (2014): Collaboration Between Philanthropic Foundations and Government. In: International Journal of Public Sector Management 27, S. 201–211.
37 Vgl. Anheier, Helmut, K. (2015): Policy Knowledge: Foundations. In: International Encyclopedia of the Social & Behavioral Sciences 18, S. 293–298. Strachwitz, Rupert (2010): Foundations, Definitions and History, a.a.O. Kocka, Jürgen (2004): Die Rolle der Stiftungen in der Bürgergesellschaft der Zukunft, a.a.O.
38 Vgl. Frohn, Rüdiger (2017): Stiftungen – Wissenschaften – Politik, a.a.O. Rohe, Wolfgang (2016): Wissenschaftsförderung als gesellschaftliche Aufgabe privater Stiftungen, a.a.O.