Kann kreative Kommunalpolitik wirtschaftlichen Niedergang umkehren?
Artikel vom 30.09.2003
Die Politik der ,Urbanen Renaissance' in Liverpool und Manchester. Von Stuart Wilks-Heeg
Einführung
Zur Zeit findet anscheinend eine ,urbane Renaissance' in Nord-West-England statt. In den vergangenen fünf bis zehn Jahren haben Liverpool und Manchester eine starke Zunahme von Arbeitsplätzen, eine wachsende Innenstadtbevölkerung aus jungen Fachkräften (young Professionals), die zügige Erweiterung ihrer jeweiligen Flughäfen und eine steigende Beliebtheit als touristische Ziele erlebt. Erhebliche private Investitionen flössen in hochwertigen Wohnungsneubau, neue Bürokomplexe und Hotels. Daneben wurde eine ganze Schar imposanter neuer Gebäude eröffnet, einschließlich Museen und Kulturstätten, die landesweiten kritischen Beifall erhielten. Die Veranstaltung großer internationaler Ereignisse ist das vielleicht stärkste Symbol der Wiederbelebung beider Städte. Im Juli 2002 war Manchester der Austragungsort der Commonwealth Games, der größten Sportveranstaltung in Großbritannien seit den Olympischen Spielen 1948 in London. Ein knappes Jahr später, im Juni 2003, gewann Liverpool den Wettbewerb um die Nominierung zur europäischen Kulturhauptstadt 2008.
Der Unterschied der heutigen Stimmung in beiden Städten zu jener Stimmung, die dort vor zwanzig Jahren herrschte, oder im Falle Liverpools noch vor zehn Jahren, könnte kaum größer sein. Während der 1970er und 1980er Jahre erfuhren Liverpool und Manchester einen dramatischen wirtschaftlichen Niedergang. Die De-Industrialisierung führte zu massivem Stellenabbau und einem steilen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Mitte der 1980er Jahre erreichte die Arbeitslosigkeit mit einer Quote von etwa 20 Prozent ihren Höhepunkt, in manchen innerstädtischen Bereichen betrug sie sogar fast 50 Prozent. Folge des wirtschaftlichen Niedergangs war eine Vielzahl sozialer Probleme, unter anderem rasch wachsende Armut, eskalierende Kriminalität und ein dramatischer Anstieg des Drogenmissbrauchs. Beide Städte erlebten in den Sommern 1981 und 1985 gewalttätige innerstädtische Unruhen, die in flächendeckenden Zerstörungen gipfelten. Bei den heftigsten Krawallen 1981 in Toxteth, einem Gebiet im Zentrum Liverpools, brannten 150 Gebäude aus. Dennoch waren die Krawalle nur ein weiterer Beitrag zu den ohnehin bereits bestehenden Problemen des Gebäudeverfalls. Firmenschließungen, vor allem in der verarbeitenden Industrie, hatten bereits große, mit Schadstoffen kontaminierte Brachflächen und zahlreiche verrottende Fabrikgebäude und Lagerhäuser hinterlassen. Dieser Verfallsprozess breitete sich rasch auch auf die Wohnbezirke aus. Gründe dafür waren die Abwanderung der arbeitsfähigen Bevölkerung, der daraus resultierende weitverbreitete Leerstand der Häuser, und in einigen Fällen sogar der Zusammenbruch des gesamten Stadtquartiers.
Die Parallelen zwischen dem Niedergang von Liverpool und Manchester und den Entwicklungen in den ostdeutschen Städten nach der Wiedervereinigung offenbaren sich jedem, der sich mit Stadtentwicklung in den neuen Bundesländern beschäftigt. Gewiss gibt es bedeutende Unterschiede. Im Hinblick auf die Ursachen des städtischen Verfalls in Nord-West-England nach 1970 und in Ostdeutschland nach 1990 finden sich wenige Gemeinsamkeiten. Auch die Symptome des Verfalls sind nicht identisch: Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich soziale Unruhen wie in Toxteth in Ostdeutschland wiederholen könnten. Vergleichbar sind aber die Herausforderungen an die Politik in den ostdeutschen Städten: Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, Stopp der Abwanderung der Bevölkerung, Verhinderung des Gebäudeverfalls. Vielleicht am wichtigsten ist jedoch, dass viele ostdeutsche Städte eine ähnlich kollektiv-pessimistische Stimmung und einen
Mangel an Selbstbewusstsein aufweisen, wie dies für die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Liverpool und Manchester Mitte der 1980er Jahre charakteristisch war.
Mit Blick auf diese Parallelen sowie das eindruckvolle Wiedererstarken von Liverpool und Manchester wird im vorhegenden Beitrag untersucht, ob sich aus dem Umgang der beiden Städte mit dem wirtschaftlichen Niedergang Lehren ziehen lassen, die für politische Entscheidungsträger in ostdeutschen Städten relevant sind. Der Aufsatz konzentriert sich dabei auf die Rolle der gewählten Stadträte und ihren Beitrag zu den Politikwechseln, die den regionalen wirtschaftlichen Aufschwung eingeleitet haben. Darüber hinaus wird dieser Beitrag die Bedeutung eines Wandels der Art und Weise, nach der Städte wie Liverpool und Manchester regiert werden, herausstellen. Dieser Wandel hat zwei Kernelemente: Erstens umfasst er eine Neu-Definition der Zielsetzungen städtischen Regierens, wodurch Städte immer stärker ihre Priorität auf die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung legen, oft zu Lasten von sozial- und umwelt-politischen Zielsetzungen. Der Ausdruck „unternehmerische Stadt" versucht, diese Veränderung zu fassen. Zweitens hat die Priorisierung von Wirtschaftswachstum eine Neuordnung der Organisationsbeziehungen eingeleitet: Die Stadtregierungen haben sich aktiv um eine Zusammenarbeit mit Vertretern privater Interessen, anderen öffentlichen Einrichtungen sowie mit Vereinen und Freiwilligen-Organisationen bemüht. Dies führte zu einer starken Vermehrung von Partnerschaftsorganisationen als Element städtischen Regierens.
Der Niedergang von Liverpool und Manchester
Gemessen an ihren jeweiligen Stadtgrenzen, ist Liverpool (440.000 Einwohner) die viertgrößte und Manchester (392.000 Einwohner) die achtgrößte Stadt des Vereinigten Königreichs. Diese Zahlen verbergen allerdings die Tatsache, dass Manchester in fast jeglicher Hinsicht die größere Stadt ist. Manchester ist das wirtschaftliche Herz der Metropolregion Greater Manchester, die mit 2,4 Millionen Einwohnern fast doppelt so groß ist wie die Liverpooler Metropolregion Merseyside. In Manchester gibt es auch wesentlich mehr Arbeitsplätze als in Liverpool. Den 264.000 Arbeitsplätzen in Man-
chester - was etwa einem Viertel der mehr als eine Million Stellen in Greater Manchester entspricht - stehen in Liverpool 184.000 Arbeitsplätze und in der Metropolregion Merseyside 500.000 Stehen gegenüber. Angesichts dieser Größe und der Tatsache, dass die Zentren von Liverpool und Manchester nur 50 km voneinander entfernt liegen, erscheint die Region aus der Vogelperspektive wie ein einziges durchgängiges Ballungsgebiet.
Die Nähe dieser zwei Großstädte und das Ausmaß ihres Niedergangs während des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts müssen in Bezug zu ihrer primären Bedeutung für die britische und internationale Wirtschaft vor 100 Jahren gesehen werden. Während der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts, die in den Textilfabriken des Nord-westens Englands ihren Ursprung hatte, expandierten Liverpool und Manchester zügig. Die zwei Städte wuchsen in einer symbiotischen Beziehung: Manchester wurde das wirtschaftliche Zentrum der Textilherstellung, während sich Liverpool zum Haupthafen für den Import von Rohbaumwolle und den Export von textiler Fertigware entwickelte. Mit der rasch wachsenden industriellen Produktion, dem Import von Rohware aus und dem Export von Fertigwaren in die sich ausdehnenden Territorien des britischen Empires, wuchsen und prosperierten Liverpool und Manchester. Bis zum Jahr 1900 zählten Liverpool und Manchester zu den 20 größten Städten der Welt, zusammen mit Birmingham, Glasgow und selbstverständlich London (King 1990).
Der Verlust der dominanten Rolle der verarbeitenden Industrie Großbritanniens nach 1900, der Zusammenbruch des internationalen Handels zwischen den Weltkriegen und der Zerfall des Britischen Empires trugen im Laufe des 20. Jahrhunderts zum Niedergang Liverpools und Manchesters bei. Dieser Niedergang beschleunigte sich erst in den frü hen 1970er Jahren, wobei, wie die Tabelle zeigt, Liverpool noch stärker betroffen war als Manchester (Arbeitsplatzabbau: in Liverpool 192 561 Stellen, das entspricht 52,9%, und in Manchester 103 741 Stellen, das entspricht 30,1%).
Die größten Arbeitsplatzverluste mussten eben die Industrien hinnehmen, die die Basis der früheren globalen Überlegenheit der Städte gebildet hatten. In der Greater-Manchester-Metropolregion wurden während der 1970er Jahre etwa 70.000 Stellen in der Textil- und Bekleidungsindustrie abgebaut. Gleichzeitig gingen in Merseyside 30.000 Stellen im Transport- und Kommunikationssektor (hauptsächlich Hafenarbeiter und das dazugehörende Gewerbe) verloren. Der Stellenabbau konzentrierte sich hauptsächlich auf die von Männern dominierte Berufsgruppen. Die Arbeitslosenquote der Männer stieg in beiden Städten ab Mitte der 1970er Jahre rasant an und erreichte 1986 ihren Höhepunkt mit 22 Prozent in Liverpool und 19 Prozent in Manchester (Giordano / Twomey1999). Mitte der 1980er Jahre waren Liverpool und Manchester im Vergleich zu ihrem früheren Status unter den größten Städten der Welt sehr tief gefallen. Nach einer Studie der Europäischen Kommission, die 117 europäische Stadtregionen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Zeitraum zwischen 1971-1988 einstufte, belegte Manchester Mitte der 1980er Jahre den 79. und Liverpool den 114. Platz (Cheshire 1990).
Zu weiten Teilen ist der Niedergang von Manchester und Liverpool auch ein Spiegel des industriellen Sürikturwandels der britischen Wirtschaft während der 1970er und 1980er Jahre. In der verarbeitenden Industrie gingen zwischen 1975 und 1995 drei Millionen Arbeitsplätze verloren, hauptsächlich in Großstädten wie Liverpool, Manchester, Glasgow, Birmingham und London. Die britischen Provinzstädte litten besonders unter der De-Industrialisierung, weil ihre Bedeutung zum großen Teil auf den Handelsbeziehungen zu Gebieten des Britischen Empires basierte (King 1990). Als sich die britische Wirtschaft dem Dienstleistungssektor und dem Handel mit Kontinentaleuropa zuwandte, übernahmen London und sein weiteres Hinterland zunehmend die Führungsrolle, was zu einem immer stärkeren Nord-Süd-Gefälle im Vereinigtem Königreich führte. Bis zum Jahr 1996 hatten nur zwei von neun englischen Regionen - Greater London und Süd-Ost England - ein Pro-Kopf-Bruttoinlandprodukt oberhalb des EU-Durchschnitts (Atkinson / Wilks-Heeg 1999).
Für die dramatischen Arbeitsplatzverluste in Liverpool gab es zusätzliche Gründe. Liverpool war massiv von seinem Hafen abhängig, der sich seit den 1920er Jahren in beständigem Niedergang befand. Im Jahr 1973 wurde Großbritannien Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und erweiterte dadurch seine Handelsbeziehungen zu Kontinentaleuropa. Davon profitierten die Hafenstädte Süd-Ost-Englands. Liverpool geriet ins Abseits, weil es auf der „falschen" Seite des Landes lag. Infolgedessen beschleunigte sich der Abbau von Arbeitsplätze im Hafen von Liverpool ab Mitte der 1970er Jahre, ein Trend, der durch die Einführung des Containertransports und die fortschreitende Mechanisierung noch verstärkt wurde. Die in den 1960er Jahren noch sehr erfolgreiche Kompensationsstrategie, die eine Verlagerung großer Produktionsstätten nach Merseyside ermutigte, scheiterte im Kontext der von der Ölkrise der 1970er Jahre ausgelösten internationalen Rezession. So wurden allein im Zeitraum von 1975-78 rund 50.000 Stellen in Merseyside abgebaut, die Mehrzahl in großen Fabriken (Merseyside Socialist Research Group 1980).
Die kommunalpoltitische Reaktion auf den wirtschaftlichen Niedergang
In Liverpool, Manchester und einigen anderen britischen Großstädten entstand als anfängliche kommunalpolitische Reaktion auf die De-Industrialisierung in den frühen 1980er Jahre eine „neue urbane Linke" (new urban left) innerhalb der örtlichen Labour-Partei. Sie hatte sich eine Strategie des "lokalen Sozialismus" auf ihre Fahnen geheftet (Boddy / Fudge 1984). Doch wenn diese neue Urbane Linke überhaupt etwas Gemeinsames hatte, dann stand sie in erster Linie in Opposition zur Politik der 1979 gewählten Thatcher-Regierung. Zudem befürwortete sie das Eingreifen der Kommune, um Arbeitsplätze in der Industrie zu sichern und um staatliche Einschnitte in das soziale Netz zu bekämpfen. Darüber hinaus jedoch erwies sich die neue urbane Linke als ausgesprochen
vielfältig und im allgemeinen recht kurzlebig. Die kommunalpolitischen Entwicklungen in Liverpool und Manchester sind die wahrscheinlich gegensätzlichsten Fälle. Obgleich die beiden Städten während des größten Teils der 1980er Jahre von der Labour-Partei regiert wurden, war die Politik in Manchester durch Pragmatismus und eine bemerkenswerte Kontinuität der Führung charakterisiert, während die Kommunalpohtik in Liverpool von Dogmatismus und chronischer Instabiliät geprägt war.
Das Manchester City Council hatte nach 1984 lediglich zwei politische Führungspersonen, und beide waren Verfechter einer Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor. Während dieser Periode galt Manchester der Londoner Regierung, sowohl Labour wie Konservativen, als Modell-Stadtverwaltung und war sehr erfolgreich darin, sich großzügige Summen zusätzlicher staatlicher Fördermittel zu sichern (Harding et al. 2003). Im Laufe der 1980er Jahre festigte Manchester sein Programm der wirtschaftlichen Entwicklung: Weg von der früheren Betonung des Schutzes von Jobs in der verarbeitenden Industrie, hin zu einer Konzentration auf eine bessere wirtschaftliche Nutzung zentraler kommunaler Vermögenswerte wie dem städtischen Flughafen, um so die Beschäftigung im
Dienstleistungssektor zu fördern. In der Folge entwickelte sich Manchester zum archetypischen Beispiel der „unternehmerischen Stadt".
Im Gegensatz dazu geriet Liverpool unter die Kontrolle einer trotzkistischen Fraktion der Labour-Partei, der sogenannten „Militant Tendency". Der Stadtrat nahm eine strikte anti-privatwirtschaftliche und regierungsfeindhche Haltung ein und brachte damit die Privatwirtschaft und die Regierung in London gegen sich auf. Die populistische marxistische Rhetorik der „Militant Tendency" schreckte Firmen vor Ort und externe Investoren gleichermaßen ab und stürzte die lokale Wirtschaft damit noch tiefer in die Krise. Die schlimmste Folge aus der Regierungszeit von „Militant Tendency" aber war ein Streit mit der Zentralregierung um öffentlichen Gelder, der die Stadt praktisch in den Bankrott getrieben hat. Trotz der Reduzierung der staatlichen Zuschüsse in der ersten Hälfte der 1980er Jahre weigerte sich die Kommunalverwaltung von Liverpool, ihre Dienstleistungen zu reduzieren oder die lokalen Steuern anzuheben. Als die Zentralregierung nicht bereit war, die öffentlichen Gelder für die Stadt zu erhöhen, entließ die Stadt Liverpool in einer groß aufgemachten Publicity-Show alle ihre Mitarbeiter. Und obwohl das House of Lords 1987 mit der Entlassung von 47 Liverpooler Stadträten der Zeit der „Militant Tendency" ein Ende setzte, waren deren Auswirkungen noch zehn Jahre danach deutlich zu spüren.
Manchester: die unternehmerische Stadt
Die Entstehung der "unternehmerischen Stadt" ist ein internationaler Trend. Der Begriff ist sowohl unter wissenschaftlichen Beobachtern wie politischen Entscheidungsträgem weit verbreitet (vgl. Hall / Hubbard 1998; Goldsmith 1999). Im Mittelpunkt dieses Konzepts steht, dass die politischen Entscheidungsträger moderner Städte ihre Hauptaufgaben in der Förderung der städtischen Wettbewerbsfähigkeit und des Wirtschaftswachstums sehen.
Folglich ist die "unternehmerische Stadt" durch neue Formen der politischen Intervention geprägt, zu denen Strategien zur Vermarktung von Standortvorteilen, Investitionen in hochrangige kulturelle Einrichtungen und Bewerbungen um wichtige internationale Veranstaltungen gehören. All dies soll dazu dienen, das Image der Stadt neu zu definieren und dabei gleichzeitig bei potenziellen Investoren und Touristen für die Stadt zu werben. In Großbritannien und Amerika ist die Entstehung der "unternehmerischen Stadt" auch durch den Einsatz einer „angebotsorientierten" Politik gekennzeichnet, mit der Investitionsbarrieren entfernt oder abgebaut werden sollen, z.B. durch Lockerung kommunaler Planungs- und Umweltauflagen.
Genauso wie viele andere Städte entwickelte Manchester sein unternehmerisches Programm im Laufe der Zeit, eine schlüssige Strategie wurde jedoch erst Mitte der 1990er Jahre sichtbar. Viele der ersten Schritte der Stadt in Richtung eines unternehmerischen Ansatzes dienten als Motor für spätere, ehrgeizigere Strategien. Die Abfolge der seit den frühen 1980er Jahren verwendeten Slogans der Stadt zeichnet diesen Wandel nach. Während der ersten Hälfte dieser Dekade definierte der Stadtrat seine eigene Rolle durch den Slogan: „Defending Jobs, improving Services" („Arbeitsplätze verteidigen, Dienstleistungen verbessern"). Im Jahr 1987 wurde dieser Slogan durch „Making it happen" („Wir machen es möglich") ersetzt (Cochrane et al. 1996). Bis in die 1990er Jahre hinein hat sich Manchester durch Sprüche wie: „Manchester - we're up and going" („Manchester - wir stehen auf und gehen voran") und „Manchester - moving in world dass circles" („Manchester bewegt sich in Kreisen der Weltklasse") stolz und selbstbewusst dargestellt
(Hebbert/Deas 2000).
Ein erstes Anzeichen des aufkommenden unternehmerischen Ansatzes von Manchester war die Entscheidung, den Flughafen auszubauen. Die zehn Verwaltungsbezirke Greater Manchesters sind gemeinsam Eigentümer des Flughafens, doch die Stadt Manchester ist der größte Anteilseigner. Das Flughafengelände befindet sich innerhalb der Stadtgrenzen Manchesters. Angetrieben durch Manchesters Stadtverwaltung, wurden seit den frühen 1980er Jahren eine Reihe von Entscheidungen zum Ausbau des Flughafens getroffen. Sie mündeten in die Eröffnung eines zweiten Terminals im Jahr 1993 und den Bau einer zweiten Landebahn in den späten 1990er Jahren. Diese Investitionen verhalfen zu einem wachsenden Passagieraufkommen. Die Zahl der Fluggäste stieg von 4 Millionen im Jahr 1980 auf 18,6 Millionen im Jahr 2000. Damit nimmt Manchester inzwischen den 3. Platz (nach Passagieraufkommen) unter den britischen Flughäfen ein, gleich hinter den beiden Londonern Flughafen Heathrow und Gatwick (Evans / Hutchins 2002). Der Erfolg der Flughafenexpansion hat zu substanziellen Mehreinnahmen geführt, die mit Zustimmung der Bezirke von Greater Manchester in die weitere wirtschaftliche Entwicklung inves-
tiert werden. Gefördert wird u.a. die Partnerschaftsorganisation „Marketing Manchester", die für die Metropolregion bei Touristen und Investoren wirbt.
Die unternehmerische Wende Manchesters in den 1980er und 1990er Jahren zeigt sich am deutlichsten in der Bewerbung Manchesters als Austragungsort der Olympischen Spiele. Der Impuls, sich für die Olympischen Spiele in Manchester zu bewerben, ging vom privaten Sektor aus, genaugenommen von der Vision eines einzelnen Individuums, nämlich Sir Bob Scott, damals Managing Direktor der Manchester Theatre Ltd. Scotts Ein-Mann-Kampagne für die Bewerbung um die Olympischen Spiele, begann 1985. Im Ergebnis hat sich Manchester für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 1996 und 2000 beworben. Obwohl beide Bewerbungen scheiterten, waren sie nach Ansicht von Beobachtern der Stadtentwicklung Manchesters dennoch außerordentlich bedeutsam für die „Wiederbelebung" Manchesters. Harding et al. (2003) sind der Auffassung, dass die gescheiterten Bewerbungen „die Niederlage waren, auf der zu großen Teilen der spätere
Erfolg gründete". Dass aus einer Niederlage ein Erfolg entstehen soll, ist eindeutig ein Paradoxon. Doch die gescheiterten Olympia-Bewerbungen haben Manchester in mindestens vier Punkten dabei geholfen, sich neu zu definieren.
Erstens: Der Bewerbungsprozess hatte eine enorme symbolische Bedeutung, trug zu einer Atmosphäre der Veränderung in der Stadt bei, rüttelte Bürger und Unternehmen auf und förderte so den „Aufschwung des Vertrauens in das moderne Manchester" (Hebbert / Deas 2000: 85). Während die realistischen Chancen, die Olympischen Spiele auszutragen, stets eher gering waren, hat die Glaubwürdigkeit der Bewerbungen eine Schlüsselrolle in der Verbesserung der Außenwahrnehmung Manchesters gespielt. Das verhalf der Stadt zu einem Anstieg der Investitionen (Harding et al. 2003).
Zweitens: Die Bewerbungen waren ein Lernprozess für die spätere Grüdung von Partnerschaften in Manchester. Sie waren Anlass für die Verbreitung neuer institutioneller Formen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit als Alternative zu den „traditionellen Vorstehungen von Bürokratie" (Cochrane et al. 1996). Wichtige Beispiele öffentlich-privater Partnerschaften sind Marketing Manchester, Manchester City Pride, MIDAS und Manchester Millenium Limited. Jede dieser Organisationen spielt eine wichtige Rolle in der Stadterneuerung und Wirtschaftsförderung.
Drittens: Die Bewerbungen wurden geschickt dazu genutzt, sich die Unterstützung der Zentralregierung zu sichern und so zusätzliche öffentliche Mittel einzuwerben (Harding et al 2003). Der Kern dieser Strategie der Ressourcenbeschaffung war die Betonung des Potenzials der Olympischen Spiele für die Regenerierung Manchesters und das absichtliche Weglassen des Wortes „Sport" in Verhandlungen mit der Regierung (Cochrane et al 1996).
Viertens war Manchester als logisches Ergebnis dieser Prozesse der natürliche Kandidat für die Ausrichtung der Commonwealth Games 2002. Die Veranstaltung wurde erfolgreich dazu genutzt, die öffentlichen und privaten Investitionen in die städtebauliche Regenerierung zu maximieren und das neue, post-industrielle Image der Stadt zu stärken.
Wie das Scheitern der Olympiabewerbungen zeigt, hat sich Manchester auch durch seine wiederholte Bereitschaft, hohe Risiken einzugehen, als im echten Wortsinn „unternehmerische" Stadt erwiesen. Die Olympia-Bewerbungen und die daran anschließenden Marketingaktivitäten basierten auf einer Strategie der Generierung von „Hype" über die Stadt, die bewusst die Realitäten Manchesters übertrieb und damit absichtlich versuchte, die örtlichen Erwartungen zu steigern und den nationalen und internationalen Ruf der Stadt zu verbessern. Obgleich die Politiker erfolgreich eine Reihe viel beachteter Projekte auf den Weg brachten, mit denen der Hype aufrechterhalten wurde, waren die dabei eingegangenen Risiken teilweise enorm hoch. So wurde etwa im Jahr 1995 im Zuge der Bewerbung um die Commonwealth Games verkündet, dass Manchester die Kosten der Veranstaltung im Verbund mit privaten Sponsoren selbst tragen könne. Im Sommer 2001, ein Jahr vor den Spielen, stand die Stadtverwaltung vor einem Defizit von
£110 Millionen. In dieser späten Phase der Vorbereitung konnte nach intensiver Lobbyarbeit der Stadtverwaltung eine zusätzliche Finanzierung durch die Regierung in Höhe von £60 Millionen gesichert werden, allerdings hauptsächlich, weil eine schlecht organisierte Veranstaltung negative Auswirkungen auf das Image des gesamten Landes gehabt hätte.
Die Flughafenerweiterung, die Olympiabewerbungen und ihre verschiedenen „spin-offs" bildeten den Kern der unternehmerischen Strategie Manchesters seit Ende der 1980er Jahre. Allerdings war die Wiederbelebung Manchesters auch die Folge von unerwarteten Veränderungen und Ereignissen. Zwei dieser Faktoren verdienen besondere Aufmerksamkeit Der erste Faktor ist der Bombenanschlag der IRA vom 15. August 1996 im Stadtzentrum Manchesters. Dabei wurden 200 Menschen verletzt und 465.000 m2 Laden- und Büroflächen zerstört. Dieses Ereignis erschütterte das ganze Vereinigte Königreich und löste umfangreiche regionale und nationale Unterstützung für den Wiederaufbau aus. £43 Millionen an öffentlicher Förderung haben mittlerweile rund £500 Millionen privater Investitionen generiert. Das Ausmaß des privaten Engagements symbolisiert der Bau der weltgrößten Marks and Spencers Filiale (Bausumme £85 Millionen). Zusätzlich zum Bau neuer Geschäfte und Büros entstanden eine Vielzahl neuer kultureller Einrichtungen, einschließlich dem „ Printworks Freizeitzentrum" und dem „Museum der modernen Stadt", URBIS, das in einem imposanten Turm aus Stahl und Glas beheimatet ist. Es ist bezeichnend für das neue Selbstbewusstsein Manchesters, dass URBIS die Stadt zusammen mit fünf der größten Metropolen der Welt (Los Angeles, Sao Paulo, Singapur, Paris und Tokio) darstellt.
Eine zweite Quelle ungeplanter Veränderungen in Manchester entstand aus der Jugendkultur der Stadt, vor allem aus der Musikszene der späten 1980er Jahre. Ohne diese Szene wären die offiziellen Bemühungen, Manchester ein neues Image zu verschaffen, weit weniger glaubwürdig gewesen. 1981, als die Arbeitslosigkeit in der Stadt dramatisch hoch war, erwarb Factory Records, eine aus der Punk-Rock-Szene der späten 1970er Jahre entstandene unabhängige Plattenfirma, ein leerstehendes Gebäude in einem heruntergekommenen Teil des Stadtzentrums. Im Mai 1982 wurde das Gebäude als Hagienda Club wieder eröffnet. Zunächst war der Hagienda Club als Veranstaltungsort für Liveauftritte bekannt. Am Ende der Dekade war es das Zentrum der aufkommenden Acid House Szene, die computergenerierte Musik mit dem weiterverbreiteten Gebrauch der Partydroge Exctasy verband. Weil der Hagienda Club auch eine Reihe neuer Bands hervorbrachte, z.B. The Stone Roses und The Happy Mondays, die Vorreiter einer neuen Mischung aus Dance- und Rockmusik waren, entwickelte sich ein neues Image der Stadt als "Madchester"
der Jugendkultur. In seinem Rückblick auf diese Periode steht Haslam (1999) fest, dass die "Madchester"-Szene Manchester als die „aubbinghauptstadt" Europas etablierte, sein Image für eine ganze Generation junger Menschen transformierte, zur baulichen Erneuerung großer Teile des Stadtzentrums beitrug, den Anstoß für die nachfolgende Entwicklung Manchesters zu einem wichtigen touristischen Reiseziel gab und einen Boom neuer unternehmerischer Aktivitäten, vor allen in den kreativen Branchen, auslöste.
(Greater) Manchester geht voran
Manchesters unternehmerischer Schwung führte zu dem weitverbreiteten Eindruck, dass die Stadt ein bemerkenswertes Wiedererstarken erlebt, und zwar zum Teil auf Kosten ihrer alten Rivalin Liverpool. Eine Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung in beiden Metropolregionen in den 1980er und 1990er Jahren lässt jedoch ein weit komplexeres Muster erkennen. Manchesters unternehmerischer Ruf führte nicht unmittelbar zu deutlichem Wachstum in der Stadt selbst. Es ist sicher wahr, dass für den größten Teil der 1980er und 1990er Jahre Manchesters wirtschaftliche Leistung der Liverpools überlegen war, aber dennoch lagen beide Städte weiterhin unter dem Durchschnitt im Vereinigten Königreich (DTZ Pieda Consulting 2001; Harding et al. 2003). In der Zeit von 1981-1996 bestand der Hauptunterschied zwischen den beiden Städten darin, dass Liverpools Niedergang weiter fortschritt, während der Abwärtsprozess in Manchester aufgehalten wurde. Hinweise auf den Aufschwung Manchesters während dieser Periode finden sich eher in der weiteren Metropolregion.
Diese Entwicklung kann am besten anhand der zwei Hauptindikatoren Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Gesamtbeschäftigung dargestellt werden (DTZ Pieda Consulting 2001). Zwischen 1981 und 1997 wuchs das BIP Manchesters um ca. 25 Prozent. Das BIP von Liverpool fiel in der gleichen Zeit um 10 Prozent In der Region Greater Manchester war das Wachstum dagegen mit 50 Prozent deutlich höher und entsprach in etwa dem Landesdurchschnitt des Vereinigten Königreichs. Eine ähnliche Entwicklung findet sich bei den Beschäftigungszahlen. Auch hier übertraf Manchester in der Zeit bis 1997 Liverpool, allerdings nur, weil keine so umfangreichen Arbeitsplatzverluste hingenommen werden mussten. Ab 1993 hatte sich das Beschäftigungsniveau in Manchester bei ungefähr 85 Prozent des Niveaus von 1981 stabilisiert. In Liverpool hingegen lagen die Beschäftigungszahlen im Jahre 1996 nur bei 70 Prozent des Niveaus von 1981. In der Region Greater Manchester wurde in der selben Zeit ein Anstieg der Beschäftigungszahlen um acht Prozent erzielt, was erneut dem Anstieg in der gesamten britischen Wirtschaft entspricht (DTZ Pieda Consulting 2001).
Die Tendenz, dass Randgebiete die wirtschaftliche Erholung von Metropolen anführen, während die Kernstädte verfallen, steht im großen und ganzen im Einklang mit der Dezentralisierung von Metropolregionen, wie sie für Europa und Nordamerika in den 1980er und 1990er Jahren charakteristisch war. Allerdings sind die oben dargestellten Entwicklungsunterschiede von Manchester Stadt und der Region Greater Manchester zum Teil die Folge zufälliger Grenzziehungen. Ein wesentlicher Teil des Beschäftigungszuwachses fand nämlich unmittelbar hinter der Stadtgrenze statt, in den angrenzenden Gemeinden Salford und Trafford. Dies stützt die Vermutung, dass auch die wirtschaftliche Entwicklung der Region Greater Manchester von dem unternehmerischen Programm Manchesters profitierte und sich die Erträge einer solchen Strategie in der gesamten
Stadtregion verteilten.
Erst wenn man die Metropolregionen Greater Manchester und Merseyside miteinander vergleicht, wird die unterschiedliche Wirtschaftsleistung der beiden Städte deutlich. Besonders in expandierenden Bereichen der Wirtschaft, speziell den Dienstleistungsbranchen finden sich gegensätzliche Trends. Wie Giordano und Twomey (1999: 30) berichten, stieg in der Zeit von 1981 bis 1996 die Zahl der Arbeitsplätze in der Banken-, Finanz- und Versicherungsbranche in Greater Manchester um 88.000, in Merseyside hingegen nur um 22.500 Stellen. Und während Greater Manchester im Vertrieb sowie dem Hotel- und Cateringgewerbe ein Arbeitsplatzwachstum von 23.000 Stehen verzeichnen konnte, erfuhr Merseyside dort einen Rückgang um 3.400 Stehen. Es sieht also so aus, als hätte Manchesters unternehmerischer Schwung ein Wiedererstarken seiner Metropolregion ausgelöst, wogegen die interne politische Zänkerei in Liverpool das wirtschaftlichen Potenzial von Merseyside behinderte.
Liverpool und die Politik des "Aufholens"
Obwohl „Militant Tendency" in Liverpool nur vier Jahre an der Macht war, waren die Auswirkungen noch weitere zehn Jahre spürbar. Die direkteste Folge war ein Erbe akuter Finanzprobleme. In einem verzweifelten Versuch, das Defizit auszugleichen, erhöhte die labourgeführte Stadtverwaltung in der ersten Hälfte der 1990er Jahre regelmäßig die lokalen Steuern. Am Ende der 1990er hatte Liverpool den höchsten örtlichen Steuersatz (Council Tax) des Landes, während seine städtischen Leistungen zu den schlechtesten des Landes gezählt wurden. Zudem befand sich die Stadt in einer permanenten politischen Führungskrise. Mit dem Urteil des House of Lords waren nicht nur alle Mitglieder der „Militant Tendency" von ihren Ämtern in der Stadt entbunden, sondern auch eine ganze Generation Labourpolitiker dezimiert worden. Es war auch schwieriger geworden, mit dem Einfluss der „Militant Tendency" innerhalb der Verwaltung umzugehen, weil etliche leitende Angestellte, die Mitte der 80er Jahre ernannt oder befördert worden waren, als Militant-Sympathisanten verdächtigt wurden. Zusätzlich zu dieser Atmosphäre gegenseitiger Verdächtigungen haben einige Mitglieder der Stadtverwaltung anscheinend versucht, die offenbar „unregierbare" Situation in der Stadt zu ihrem persönlichen Vorteil auszunutzen. Dies führte zu Vorwürfen, in der Stadtverwaltung sei Korruption verbreitet (Kilfoyle 2000). Der Ruf der Liverpooler Stadtverwaltung war so schlecht, dass der Posten des Chief Executive zwei Jahre unbesetzt blieb, da sich kein geeigneter Bewerber fand (Harding et al. 2003).
Es gibt keinen Zweifel, dass das ohnehin vom wirtschaftlichen Niedergang stark getroffene Liverpool in Folge der politischen Krise der 1980er Jahre weiter zurückfiel als andere britische und europäische Städte. Wie Parkinson (1990: 256) feststeht, zeigt der Fall der Stadt Liverpool, dass „politisches Versagen den wirtschaftlichen Abschwung über das übliche Maß hinaus verschlechtern kann". Das Erbe der Amtszeit der „Militant Tendency" hat die Entstehung unternehmerischer Ansätze in der Stadtpohtik, wie sie in den späten 1980er Jahren in Manchester, Glasgow und Birmingham sichtbar wurden, deutlich gebremst. Der Vergleich mit Glasgow, einer Stadt, die einen ähnlich dramatischen Niedergang in den 1970er und 1980er Jahren erlebte, ist besonders aufschlussreich. Während Glasgow in den frühen 1990er Jahren auf den Erfahrungen als Europäische Kulturhauptstadt 1990 aufbaute, um neue wirtschaftliche Möglichkeiten zu entwickeln und einen Imagewechsel zu erreichen, konnten Liverpools Versuche, kulturelle Strategien zu entwickeln, bis dahin nur als „eine Geschichte der verpassten Gelegenheiten" beschrieben werden (Bianchini / Parkinson 1993). Angesichts des Erstarkens der Wirtschaft Manchesters wuchs im Laufe der 1990er unter den politischen und wirtschaftlichen Eliten Liverpools die Unterstützung für eine „Politik des Aufholens". Die ersten Anzeichen für eine solche Politik waren die Ausweisung der „Speke-Garston Area" im Süden Liverpools zum Sanierungsgebiet und der wachsende Konsens, dem Stadtzentrum, und speziell der Förderung der Kulturbranche, oberste Priorität bei der Wirtschaftsförderung einzuräumen.
Die Wende hin zu einer unternehmerischen Politik begann zwar bereits unter einer Labour-Stadtverwaltung, doch ein grundlegender Politikwechsel fand erst statt, nachdem 1997 die Liberaldemokraten an die Macht kamen. Für den neuen Oberbürgermeister Mike Storey hatte die Reorganisation der Stadtverwaltung die oberste Priorität. Er führte sehr schnell eine neue Managementstruktur ein: Fast alle leitenden Angestellten, darunter der Chief Executive, wurden ersetzt. Um die Führungskräfte aus anderen Stadtverwaltungen anwerben zu können, wurden fünf hoch dotierte Stellen als Executive Diektor geschaffen. Gleichzeitig begann der neue Führungsstab damit, die Kommunalausgaben durch Personalabbau, Vergabe von Dienstleistungen an Privatfirmen und andere Maßnahmen zur Effizienzsteigerung zu senken. Hierdurch konnte die Finanzkrise der
Kommune offenbar erfolgreich bewältigt werden, denn im Jahr 2003 verkündete Liverpool eine Reduzierung der Council Tax um 3 Prozent. Nun hat die Stadt nicht mehr den höchsten Steuersatz der Landes.
Nach den internen Reformen richtete die Stadtverwaltung ihre Aufmerksamkeit auf den wirtschaftlichen Niedergang Liverpools. Eine ganz Flut von Initiativen belegt die Wende hin zu einem unternehmerischen Vorgehen: Hierzu zählt die Entwicklung einer „Vision für Liverpool", mit der Erneuerungsaktivitäten auf das Stadtzentrum konzentriert werden sollen, die vollständige Überführung des Liverpooler Flughafens in privatwirtschaftliche Kontrolle und die erfolgreiche Bewerbung der Stadt zur Europäischen Kulturhauptstadt 2008. Der neue Anspruch der Stadt drückt sich in dem Ziel aus, Liverpool bis 2006 zur „unternehmensfreundlichsten" Stadt Großbritanniens zu
machen.
Gelegentlich wurde Liverpool vorgeworfen, dass es Manchester „kopiere", was sich vermutlich am deutlichsten in der Beauftragung von Sir Bob Scott mit der Koordination der Bewerbung zur Kulturhauptstadt zeigte. Dennoch gibt es klare Unterschiede zu dem in Manchester verfolgten Ansatz. Inbesondere verfolgt Liverpool nicht die gleiche, hochriskante Strategie der gewollten Generierung von Hype, auch wenn der Imagewandel der Stadt ein zentrales Thema ist und die politischen Entscheidungsträger versuchen, Liverpool zunehmend positiver darzustellen. Der Unterschied drückt sich auch in etwas bescheideneren Slogans aus, die den Wandel der wirtschaftlichen Basis ausdrücken sollen („From seaport to e-port") und die kulturellen Vielfalt der Stadt feiern („The world in one city"). Im Gegensatz zu der koordinierten, aggressiven Verkaufstechnik Manchesters hat Liverpools politische Führung ihren Ansatz als das Ergebnis eines zufälligen Gesprächs dargesteht, wie das folgende Interview belegt:
"Ich hatte das Glück in New York zu sein, und habe dort mit den Personen aus der Verwaltung gesprochen, die die Wende in der Stadt herbeigeführt haben Ich fragte:"Wie habt ihr das hier angefangen?" Und sie antworteten: "Du lobst die Stadt wann immer du kannst, du verkaufst und verkaufst und verkaufst die Stadt und dann schaust du dich um und siehst die riesigen Krane im Hintergrund" Das haben wir getan und siehe da, es kommen die Kräne." (Councillor Mike Storey, zitiert in Adams 2002)
Liverpool schließt auf
Liverpool hat verspätet und weniger aggressiv die unternehmerische Wende vollzogen, und diese fiel glücklicherweise mit der teilweisen Umkehr früherer Entwicklungen der Dezentralisierung von Metropolen zusammen. Im Gegensatz zu der Zeit vor Mitte der 1990er Jahre entwickeln sich nun die Zentren Liverpools und Manchesters zu den Hauptmotoren des Wirtschaftswachstums ihrer jeweiligen Metropolregion und von Nord-West-England insgesamt (Wilks-Heeg 2001). Die neuesten Arbeitsplatzzahlen zeigen daher auch sehr unterschiedliche Trends in den frühen und späten 1990er Jahren. Während in der ersten Hälfte der 1990er Jahre die Zahl der Arbeitsplätze in Liverpool fiel und in Manchester stagnierte, verzeichnen seit 1996 beide Städte ein Wachstum an Arbeitsplätzen. Von 1995-99 stieg die Gesamtbeschäftigung in Liverpool um 10,4 Prozent und in Manchester um 8,5 Prozent. Diese Wachstumsraten entsprechen dem nationalen Durchschnitt und liegen wesentlich höher als in fast allen anderen Provinzstädten (Hutchins 2002). Einer Untersuchung von Wong et al. (2002) zufolge fand dieses Arbeitsplatzwachstum in verschiedenen wissensintensiven Bereichen statt und konzentrierte sich stark auf die jeweiligen Stadtzentren und Flughäfen. In Übereinstimmung mit diesen Ergebnissen steht der aus den verfügbaren Daten ablesbare steile Anstieg der Investitionen in den Stadtzentren von Liverpool und Manchester, vor allem in Verkaufs- und Büroflächen, Hotels und Call-Center (Wilks-Heeg 2001). Die Rolle des Liverpooler Flughafens als Wachstumsmotor belegt das nach der kürzlich erfolgten Erweiterung des Flughafens stark gestiegene Passagieraufkommen: Im Zeitraum von 1997 bis 2000 wuchs die Zahl der Passagiere um 190 Prozent (Hutchins 2001).
Zusammen mit dem Beschäftigungswachstum in ihren Stadtzentren erlebten beide Städte in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre auch eine regelrechte Explosion des inner-städtischen Lebens. Es wird geschätzt, dass sich die Zahl der Einwohner in den beiden Stadtzentren in den letzten zehn Jahren mehr als vervierfacht hat. Tausende Menschen wohnen jetzt in den zu Loft-Wohnungen umgebauten Lagerhäusern und Fabrikgebäuden. Dieser Boom wurde allem Anschein nach vor allem von jungen Fachkräften getragen, was wiederum das Beschäftigungswachstum der modernen Dienstleistungsbranchen in Liverpool und Manchester widerspiegelt. Obwohl das Leben und Wohnen im Stadtzentrum sich allgemein in britischen Städten wachsender Beliebheit erfreut, ist die entsprechende Nachfrage in Liverpool und Manchester doch offensichtlich größer als in anderen Provinzstädten (Wilks-Heeg 2001).
Die Grenzen der unternehmerischen Stadt
Die Einfuhrung eines unternehmerischen Programms in die Stadtpolitik scheint der Schlüsselfaktor der Wiederbelebung von Liverpool und Manchester zu sein. Trotzdem ist es wichtig, auch auf die Nachteile dieses Ansatzes hinzuweisen. Die "unternehmerische Stadt" verfolgt per Definitionen eine Strategie der Anpassung an den Markt. Hieraus ergeben sich einige Grenzen:
Erstens werden Versuche, Investitionen von außen und den Tourismus anzukurbeln, am effektivsten im Kontext allgemeinen Wirtschaftswachstums sein, zumal der nationale und internationale Wettbewerb um Investitionen und Tourismus intensiver geworden ist. Liverpools offenbar so schnelle positive Entwicklung nach der Wende zu einem unternehmerischen Ansatz hängt auch mit dem Zeitpunkt des politischen Führungswechsels in der Stadt zusammen. Dieser fand auf dem Höhepunkt eines nationalen Wirtschaftsbooms statt, was das Werben für Liverpool als Investitionsstandort erheblich erleichterte. In Zeiten geringen Wachstums oder Stagnation hingegen wird der Wettbewerb zwischen den Städten mausweichlich zu einem Nullsummenspiel mit
Gewinnern und Verüerern. Unter solchen Bedingungen ist es eher unwahrscheinlich, dass Investitionen in Standortmarketing, Kutarmarketiag und andere Aktivitäten sofort Ergebnisse zeigen.
Zweitens: Im Falle von Liverpool und Manchester hat sich gezeigt, dass Stadtpolitik in der Lage ist, mit dem .Markt' und privaten Investoren zu arbeiten, um Wachstum zu fördern. Gleichzeitig ist aber absehbar, dass diese Strategie zu einem beunruhigenden Verhältnis zwischen verbesserter wirtschaftlicher Leistung und der Häufigkeit von sozialen Problemen fuhren kann. Trotz des aktuell hohen Investitionsniveaus und ihres Wachstums leiden Liverpool und Manchester weiter unter gravierenden sozialen Missständen. Zwei Drittel der am meisten benachteiligten Stadtteile Englands befinden sich nach dem offiziellen „Index of Multiple Deprivation for England" in Merseyside und Greater Manchester (DETR 2000). Angesichts eines hohen Grades konzentrierter
Armut bestehen in Liverpool und Manchester weiterhin akute Probleme, wie verlassene Häuser, Drogenabhängigkeit und der schlechte Gesundheitszustand der Bevölkerung. Ironischerweise sind trotz des katastrophalen Niedergangs Liverpools in den 1980er und frühen 1990er Jahren Probleme wie niedriges Bildungsniveau und ganz besonders die hohe Kriminalitätsrate in Manchester ausgeprägter. Tatsächlich hegt eine der Gefahren der .unternehmerischen Stadt' darin, dass die Fokussierung auf die Förderung des Wirtschaftswachstum die Aufmerksamkeit von der wachsenden sozialen Ungleichheit ablenkt. Diese ist oft Nebenprodukt der Konzentration gehobener Dienstieistungsfunktionen in Städten, die früher von handwerklicher und industrieller Arbeit dominiert wurden. Nur wenigen Städten ist es gelungen, den wirtschaftlichen Niedergang umzukehren und gleichzeitig die soziale Kluft, die mit dem Niedergang einherging, zu überwinden.
Schlussfolgerung: Lehren einer kreativen Stadtpolitik
Das Konzept einer kreativen Stadtpolitik scheint ein Widerspruch in sich selbst zu sein. Es gibt gute Gründe für Skepsis gegenüber der Annahme, große bürokratische Organisationen könnten kreativ agieren. Gleichwohl zeigen die Erfahrungen aus Liverpool und Manchester, dass eine gewählte Stadtregierung durchaus in der Lage ist, wichtige strategische Entscheidungen zu treffen, die den wirtschaftlichen Niedergang umkehren können. Die Entstehung der "unternehmerischen Stadt" ist insofern die Verkörperung der Suche nach kreativeren Ansätzen in der Stadtpolitik. Denn während die Globalisierung und wirtschaf tliche Umstrukturierung dramatische Wirkungen auf die Entwicklung von Städten haben, so haben sie doch zugleich neue Möglichkeiten geschaffen, die Rohe einer Stadt innerhalb eines Städtesystems umzudefinieren. Im Mittelpunkt dieses Prozesses der „Neuerfindung der Städte" stehen neue Formen öffenüich-privater Zusammenarbeit (Atkinson / Wilks-Heeg 2000).
Aus der Geschichte von Liverpool und Manchester lassen sich folgende Lehren ziehen:
1. Globaler wirtschaftlicher Strukturwandel macht Stadtpolitik nicht irrelevant, denn Stadtverwaltungen können einen Prozess der wirtschaftlichen Erholung in Gang setzen. Um aber erfolgreich zu sein, müssen sie mit einer Vielzahl anderer Organisationen zusammenarbeiten, vor allem aus dem privaten Sektor. Kreative politische Ansätze entstehen sehr viel eher in zweckgebundenen Partnerschaftsorganisationen, die außerhalb der formellen Strukturen der Stadtverwaltung arbeiten.
2. Stadtverwaltungen können eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Zukunftsvisionen für ihre Stadt einnehmen und führend bei der Neufindung des Stadtimages sein. Stadlpolitiker müssen aber auch einsehen, dass sie kein Monopol auf gute Ideen besitzen. Die Quellen des kreativen Umdenkens entspringen oft außerhalb der politischen Sphäre. Ein Teil des Erfolgs von Manchester lag in der Bereitschaft der Stadtverwaltung, sich die Dynamik der örtlichen Szene zu eigen zu machen, und dies manchmal auf eine sehr opportunistische Weise.
3. Dieser Beitrag hat auch darauf aufmerksam gemacht, dass trotz des gegenwärtigen Wiedererstarkens von Liverpool und Manchester die Übernahme eines unternehmerischen Ansatzes in die Stadtpolitik kein einfacher Weg zu einer "Urbanen Renaissance" ist. Zwar können Stadtverwaltungen mit den Kräften des Marktes arbeiten, um wirtschaftliche Erfolge zu erzielen, doch verlangt eine solche Strategie oftmals, wachsende soziale Ungleichheit der Stadtbewohner
hinzunehmen, und zuweilen auch, erhebliche Risiken einzugehen. Zudem können die kommunalen Investitionen, die notwendig sind, um ein effektives unternehmerisches Programm zu minieren und aufrechtzuerhalten, enorm sein. Der Wettbewerb zwischen den Städten nimmt zu und es gibt keine Garantie dafür, dass solche Investitionen tatsächlich die Wirtschaftsleistung verbessern. Nicht zuletzt müssen die Kemstädte von größeren Stadtregionen akzeptieren, dass sie größere Belastungen tragen müssen. Auch dort wo Städte über wertvolle Ressourcen verfügen, wie z.B. über internationale Flughäfen oder hochqualifizierte Arbeitskräfte, die als effektive Bestandteile eines Programms wirtschaftlicher Entwicklung eingesetzt werden können, werden die Vorteile des daraus möglicherweise resultierenden Wirtschaftswachstums über das Umland und die
gesamte Metropolregion verteilt sein.
Übersetzung aus dem Englischen: Tobias Robischon
Literatur
- Adams, T. (2002): May the North be with you. The Observer, 28 Juli 2002
- Atkinson, H. / Wilks-Heeg, S. (1999): German federalism: a model for English regional
government? In: Contemporary Politics, 5(1), S. 153-169 - Atkinson, H. / Wilks-Heeg, S. (2000): Local Government from Thatcher to Blair: The Politics
of Creative Autonomy, Cambridge - Bianchini, F. / Parkinson, M. (Eds) (1993): Cultural Policy and Urban Regeneration: The West
European Experience. Manchester - Boddy, M / Fudge, C. (1984): Local Socialism: Labour Councils and New Left Alternatives.
London - Cheshire, P.C. (1990): Explaining the recent Performance of the European Communit/s major
urban regions. In: Urban Studies, 27(2), S. 311-334 - Cochrane, A / Peck, J. / TickelL A. (1996): Manchester plays games: exploring the local
politics of globalisation. In: Urban Studies, 33(8), S. 1319-1336 - DETR (2000): Index of Local Deprivation. London: Department of the Environment Trans-
port and the Regions - DTZ Pieda Consulting (2001): Liverpool-Manchester Vision Study: Benchmarking the City-
Regions - Evans, R. / Hutchins, M. (2002): The development of Strategie transport assets in Greater
Manchester and Merseyside: does local governance matter? Ire Regional Studies, 36(4), S.
429-138 - Giordano, B. / Twomey, L (1999): The economic fortunes of Manchester and Liverpool:
Assessing the Conventional Wisdom. Working Paper No. 1, ESRC Cities Programme, School of
Planning and Landscape, University of Manchester - Goldsmith, S. (1999): The Entrepreneurial City: A How-to-Handbook for Urban Innovators.
New York: Manhattan Institute for Policy Research - Hall T. / Hubbard, P. (Eds) (1998): The Entrepreneurial City: Geographies. Political Regimes
and Representation, London