Kreatives Handeln in Städten ist Arbeit, Arbeit, Arbeit
Artikel vom 30.09.2003
Wie kreatives Handeln in der Stadtentwicklung praktisch organisiert werden kann. Von Ralf Ebert
Einleitung
Die Städte in Deutschland stehen vor einer Fülle an Herausforderungen: Zahlreichen Kommunen droht der Verlust ihrer wirtschafthchen Basis, und bedrohliche Einwohnerverluste zeichnen sich nicht nur in ostdeutschen Städten ab. Gleichzeitig macht es die Haushaltskrise den Kommunen immer schwerer, die anstehenden Probleme, wie den Erhalt der sozialen und technischen Infrastruktur, mit traditionellen Instrumenten,also dem Einsatz zusätzlicher Finanzmittel oder Personal, zu bewältigen. Gefragt sind deshalb neue Lösungsansätze in der Stadtteil-, Stadt- und Regionalentwicklung.
Doch wie lassen sich neue Lösungen für die Probleme der Städte finden? Und von wem, wenn die Parteien oder Bürgerinitiativen als Innovationsagenturen dazu anscheinend immer weniger in der Lage sind? Kreativität und Innovation als reflektierte, durchgearbeitete Phantasie ist also gefragt. Die breite, wenngleich teilweise nur modische Verwendung des Kreativitätsbegriffs macht deutlich, dass Kreativität heute gesellschaftlich zwingend erforderlich und mittlerweile eine „Produktivkraft" ist.
Doch so leicht der Ruf nach mehr Kreativität fällt, so schwer ist es, die Dimensionen kreativen Handelns als Teil städtischer Perspektivplanung zu beschreiben: In welchem Kontext kann kreatives Handeln in den Städten wirklich etwas erreichen? Wer ist dabei zu welcher Zeit einzubinden? Welche Instrumente bieten sich an? Und schließlich: Wo liegen die Grenzen dieses Ansatzes?
Im Folgenden werde ich versuchen, hierauf einige Antworten zu geben. Es sind Antworten aus der Perspektive eines Stadtplaners und langjährigen Beraters von Kommunen bei der Moderation von Stadtentwicklungsprozessen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie kreatives Handeln in der Stadtentwicklung praktisch organisiert werden kann.
Welche Akteure können die kreative Erneuerungspolitik der Städte fördern?
Kreatives Handeln auf kommunaler Ebene findet idealtypisch in drei Hauptkonstellationen von Akteuren statt: Erstens kreatives Handeln in der Stadtverwaltung, zweitens in der Zusammenarbeit der Kommunen mit der KommunalpoUtik und der Bürgerschaft, einschließlich der intermediären Organisationen und den ortsansässigen Firmen, und drittens kreatives Handeln in der Wirtschaft.
In der Stadtverwaltung soll wie bei der Unternehmensentwicklung durch die Aktivierung der eigenen „human ressources" erreicht werden, dass die Kommune unter Berücksichtigung ihrer endogenen Potenziale problemadäquate, kostengünstige und/oder zukunftssichernde Handlungskonzepte, Strategien und Verfahren entwickelt.
Demgegenüber lassen sich kreative Prozesse der Kommunalverwaltung mit den politischen Parteien, den Bürgern oder den ortsansässigen Unternehmen erfahrungsgemäß schwieriger gestalten. Das gegenseitige Misstrauen ist groß und verhindert kreative Prozesse. Doch je kleiner die Gruppen sind, je weniger es darum geht, die Gruppenidentität zur Geltung zu bringen, und je mehr gegenseitiges Vertrauen besteht, man also „offen sprechen" kann, desto eher können kreative Lösungen erzielt werden. Ein Beispiel sind hierfür sogenannte Kamingespräche. Erreicht werden kann damit etwa die Einbindung weiterer wichtiger Akteure oder die kommunalpolitische Rückendeckung.
Ein ganz anderes Feld ist die Innovation von Wirtschaftsbranchen, den so genannten kreativen Milieus oder Clustern. Hier geht es um Marktvorteile oder gemeinsame Entwicklungsstrategien, die in einem Prozess zwischen den Unternehmen, den Stadtregionen und Schlüsselpersonen entwickelt werden.
Ein handlungsbezogenes Verständnis von Kreativität geht davon aus, dass die je nach Gruppe unterschiedhchen kommunalen Wirkhchkeiten nicht vorgegeben sind, sondern jeweils im Handeln immer neu erschlossen werden können. Damit ist im Grundsatz vieles denkbar und - mit Hegel gesprochen - auch machbar. Jedoch sind die Entwicklungskorridore der jeweiligen Städte zu beachten, die nicht grundlegend modifizierbar sind. Zugespitzt formuliert: Aus einer Kleinstadt kann kein Kreativzentrum der Filmwirtschaft werden. Kleinstädte können aber „Sonderwege" gehen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten attraktive Lebensbedingungen für die Einwohner schaffen.
Diese drei Hauptkonstellationen von Akteuren und ihre Interdependenzen bestimmen den Möglichkeitsraum kreativen Handelns in einer Stadt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Neues zumeist mit Zerstörung bisheriger Verfahren oder Netzwerk-Strukturen verbunden ist und bei Veränderungen nicht immer Win-win-Situationen hergestellt werden können. Dies kann in den von Veränderung betroffenen Bereichen vorübergehend zu nicht intendierten Beeinträchtigungen bei der Suche nach kreativen Lösungen führen. Auch wäre es falsch zu glauben, dass die Erarbeitung kreativer Entwicklungskonzepte wie im Märchen vom „Goldesel" funktioniert, der bekanntlich einfach auf Zuruf Dukaten spuckt. Es bedarf vielmehr intensiver und manchmal auch langwieriger Arbeitsprozesse, in mancher Hinsicht den verschiedenen Stationen eines Marathonlaufs vergleichbar. Das zeigen zahlreiche Analysen erfolgreicher Verlaufsprozesse. Sehr elten ist das Neue das Ergebnis des „göttlichen Funkens" eines Einzelnen. Meistens können „Einzelgänger" und Leadership eine wesentliche Rohe als Impulsgeber oder Motivator spielen.
Welche Akteursgruppen sollten in die Entwicklung kreativer Lösungen einbezogen werden?
Die Auswahl von Akteuren hängt zunächst von der Aufgabenstellung ab, etwa ob es um verwaltungsinternes Handeln oder um die regionale Wirtschaftsentwicklung geht. Dies gilt auch für die scheinbar besonders prädestinierte neue „kreative Klasse". Auf sie sollte vor dem Hintergrund der Bedeutungsverschiebung des Ästhetischen bei der zielgruppenspezifischen Vermarktung oder der Konzipierung außergewöhnlicher Aktionen zurückgegriffen werden.
Neue, bislang grundsätzlich zu wenig berücksichtigte Akteursgruppen lassen sich heute nicht mehr identifizieren. Selbstverständlich ist oftmals noch mehr Einbeziehung möglich, beispielsweise bei der Berücksichtigung ethnischer Gruppen oder der Vielzahl zivilgesellschaftlicher Gruppen. Auch Einzelakteure mit langjährigen Auslandserfahrungen, die eine neue Außensicht zu einem Sachverhalt, andere Organisationsmethoden oder ungewöhnliche Marketingstrategien einbringen könnten, sollten häufiger mit eingebunden werden. Ein bislang wenig für Zukunftsfragen genutztes Netzwerk sind die Akteure der jeweiligen Partnerstädte. Dies hat zudem den Vorteil, dass es sich um Städte vergleichbarer Größe handelt.
Kreative Prozesse hängen stark von den Kenntnissen und Fähigkeiten von Personen ab. Deswegen steht sich in der Praxis nicht die Frage danach, welche Gruppen zu dieser oder jener Problemstellung einen relevanten Beitrag leisten könnten, sondern welche Personen. Erfahrungsgemäß müssen dies nicht unbedingt Schlüsselpersonen sein. Detaillierte Fachkenntnisse sind selbstverständlich Voraussetzung, doch viel entscheidender sind Kommunikationsfähigkeit und soziale Kompetenz, wozu besonders die Fähigkeit zum Zuhören und zur aktiven Weiterentwicklung von Vorschlägen gehört. Dies gilt auch für verwaltungsinterne kreative Prozesse.
In diesen Anforderungen hegt der entscheidende Unterschied zum üblicherweise gehandhabten Beteiligungsmodell, das verwaltungsintern der Abstimmung und der Konfliktvermeidung zwischen den verschiedenen Fachämtern dient und in der Zusammenarbeit mit Kommunalpolitik und Bürgerschaft den demokratischen Prinzipien der Meinungsbildung verpflichtet ist. Hier ist es schwierig, den oftmals als sozial selektiv empfundenen Kriterien bei der Auswahl von am Prozess beteiligten Personen ausreichend Geltung zu verschaffen. Dem kann dadurch begegnet werden, dass die Fähigkeiten der nicht beteiligten Mitarbeiter einer Verwaltung an anderer Stelle gefragt sind. So lassen sich zum Beispiel die oftmals kritisierten Bedenkenträger sinnvoll in eine zum kreativen Prozess selbstverständlich dazugehörende Einschätzungs- und Beurteilungsphase einbinden.
Welche Rolle haben Berater bei der Suche nach kreativen Lösungen in der Stadt- und Regionalentwicklung?
In der Stadtentwicklung übernehmen Berater für die Kommunen, von denen sie beauftragt werden, die Rolle des Betrachters von Außen. Sie sind die „Outsider", die erfahrungsgemäß zu den Erneuerern zählen. Da sie nicht in Prozesse vor Ort „verstrickt" sind, kann von ihnen erwartet werden, dass sie die verschiedenen Kontexte eines Problems wahrnehmen und mehrere Handlungsoptionen anbieten können. Dies entspricht auch dem Selbstverständnis der meisten Büros. Die Beratung kann also ein Instrument der kreativen Entwicklung von Stadtteilen, Zentren etc. und in unterschiedlichen
Handlungsfeldern sein.
Ganz bewusst habe ich hier von „kann" gesprochen. Manche kommunalen Auftraggeber sind erfahrungsgemäß nicht immer an einer „neuen" Perspektive eines Beraters interessiert, da eine Problemverschiebung verwaltungsintern mit einem Kompetenz- und Machtverlust verbunden sein kann. Nicht selten will man einmal eingeschlagene Lösungswege nicht aufgeben, zumal wenn Neuerungen mit Mehrarbeit und unbekannten Herausforderungen verbunden sein können. Auch wegen der politischen Mehrheitsverhältnisse im Rat und ideologischer Positionskämpfe der kommunalen Parteien werden vorhandene kreative Ansätze oftmals nicht aufgegriffen.
Welche Instrumente und Arbeitsformen eigenen sich besonders für kreative Prozesse in der Stadt?
Die seit Jahren geübte Praxis, bei aktuellen Problemen der Stadtentwicklung Beratungsbüros einzubinden, ist ein Hinweis darauf, dass die Suche nach kreativen Lösungen nicht unbedingt völlig neuer Instrumente bedarf. So zählen meines Erachtens städtebauliche Wettbewerbe, so manche Ausschreibung für Handlungskonzepte, akteursorientierte Szenarien zur Stadtentwicklung und ämterübergreifende Arbeitstreffen im kleinen Kreis grundsätzlich zum Instrumentenkoffer kreativen Handelns.
Viele dieser Instrumente werden jedoch von den Kommunen gar nicht oder zu selten als eine Variante der Perspektivenplanung „wahrgenommen", wodurch die sinnvolle Übertragung in andere kommunale Handlungsfelder verhindert wird. Auch wenn die Kommunen schon heute kreativer sind, als der Ruf nach kreativen Lösungen vermuten lässt, so könnten sie doch noch häufiger außerhalb der üblichen Trampelpfade und damit erfolgreicher zukunftsorientiert handeln.
Was die Entwicklung kreativer Lösungen seitens der Kommunalverwaltung betrifft, so stehen neben eben genannten Instrumenten und der heute überall eingesetzten Technik der Kartenabfrage eine Reihe weiterer Techniken zur Verfügung. In der Zwischenzeit gibt es im Rahmen von Managementansätzen eine Fülle an erprobten individuellen oder gruppenbezogenen Kreativitätstechniken, die nur darauf warten, sachgerecht, also entsprechend der jeweiligen Problemstellung angewandt zu werden. Aufgabe wird es sein, diese vor dem Hintergrund der verwaltungsinternen Anforderungen zu sichten. Denkbar ist zum Beispiel die Ausweitung des städtebaulichen Wettbewerbsansatzes auf andere kommunale Handlungsfelder. Als vorwiegende Arbeitsform empfehlen sich ergebnisorientierte Arbeitstreffen in kleiner Runde mit eindeutiger Frage- oder Aufgabenstellung.
Dies gilt in etwas abgewandelter Form ebenfalls für kreative Prozesse der Verwaltung mit der Kommunalpohtik, den zivügesellschafthchen Gruppen und ausgewählten Bürger/innen. In diesem Fall sollten die formellen und informellen Treffen eher einen offenen Gesprächs- und Austauschcharakter haben. Davon dürfen jedoch keine detaillierten Konzepte und Vorschläge erwartet werden. Vielmehr ist es die Aufgabe der „Betreuer" solcher Prozesse, zumeist Beauftragte oder Mitarbeiter der kommunalen Verwaltung, dies nachzuliefern oder hierfür „Kümmerer" aus dem Kreis der Beteiligten zu gewinnen. Letzteres ist angesichts der Zeitrestriktionen der Beteiligten oftmals langwieriger, aber sinnvoller, da damit bei den Akteuren eine größere Verantwortlichkeit erreicht wird.
Auch die Erarbeitung kreativer Lösungen kommt heute nicht ohne eine gewisse Evaluierung aus. Sie sollte nicht von der Kommune selbst, sondern von neutralen Dritten durchgeführt werden und dient vor allem dem gemeinsamen Lernen der Beteiligten: Was war warum erfolgreich oder nicht? Was kann wie zukünftig verbessert werden? Ebenso soll damit verhindert werden, dass eventuelle, aufgrund der gemeinsamen Arbeit an neuen Ansätzen entstandene Blockaden fortbestehen und dies zukünftige kreative Prozesse auf Jahre behindert. Solche Evaluierungen sollten sich auf alle genannten Hauptakteursgruppen des kreativen Handelns in den Städten erstrecken.
Wie kann das Potential von Kultur zur writschaftlichen Erneuerung der Städte genutzt werden?
Die Kultureinrichtungen einer Stadt können eine Rohe in der Stadtentwicklung spielen. Kulturangebote nehmen überwiegend auf Umwegen Einfluss auf die Stadtentwicklung. Sie schaffen Aufmerksamkeit für die Stadt und sind ein Standortfaktor für die „kreative Klasse", zu der auch Künstler, Autoren und Designer zählen. Diese Berufe sind heute angesichts der Notwendigkeit zur „Veredelung" von Produkten und Dienstleistungen durch ästhetische und semiotische Attribute ein wichtiges Element der Innovationsfähigkeit nahezu aller Branchen.
Bei der Suche nach kreativen Lösungen für die Stadtentwicklung hat dagegen die sogenannte Ausdruckskreativität der kulturschaffenden Akteure lediglich bei städtebaulichen Aspekten, der Baukultur oder der heute auch für die Kommunalverwaltung immer wichtigeren zielgruppenspezifischen Vermarktung nach Innen und nach Außen unmittelbare Bedeutung. Zwar können diese Akteure einen Beitrag zur Erneuerung benachteiligter Stadtteile leisten, doch werden hierbei andere Wirkungszusammenhänge angesprochen.
Wirtschaftliche Erneuerung der Städte meint die Stärkung der Erwerbswirtschaft. Im Falle der Kultur ist dies die Kulturwirtschaft, also Branchen wie die Musik- oder Filmwirtschaft. Im Rahmen endogener Entwicklungsansätze und der weiteren Zunahme unternehmensbezogener sowie endverbraucherorientierter Dienstleistungen (z.B. Werbe- und Medienbüros, private Musikschulen) stehen Kultur- und Bndungseinrichtungen ein vielfach noch zu wenig genutztes Potenzial dar.
Es gibt heute eine Vielzahl an Möglichkeiten und Instrumenten, um dieses Potenzial zu entwickeln. Welche davon genutzt werden, hängt vor allem von der Einstehung der Akteure in den Kultureinrichtungen einer Stadt ab. Voraussetzung ist die Bereitschaft, Kulturangebote auch erwerbswirtschafthch zu organisieren. Dieses Modell ist lange Zeit auf Ablehnung gestoßen, noch mehr im Kultur- als im Bildungsbereich. Kurz gefasst befürchtet man Qualitätsminderungen und soziale Benachteiligungen. Die Ausdifferenzierung der Nachfrage und die Zahlungsbereitschaft widersprechen aber heute diesen Befürchtungen.
In der Zwischenzeit gibt es in einigen Städten beispielsweise Existenzgründungs- und Qualifizierungsseminare der Volkshochschulen für ausgewählte Teilmärkte der Kulturwirtschaft. Diese branchenbezogene Strategie kann mit einer Stadtteilentwicklungsstrategie zur Stärkung der lokalen Ökonomie gekoppelt werden. Ein solches Konzept hegt zum Beispiel für Leipzig-Grünau vor. Für Stadtzentren bietet sich das Konzept der Kultur- und Freizeitviertel an. Erfolg verspricht ebenfalls der Ansatz „integrierter Projekte", also die Verknüpfung von öffentlich geförderten und zivilgesellschaftlich getragenen Kulturangeboten mit erwerbswirtschaftlichen Anbietern, z.B. Existenzgründern. Dabei kann auch die Zwischennutzung von leer stehenden Gebäuden durch Musik- und Künstlergruppen oder junge Werbe- und Designbüros hilfreich sein. Auf diese Weise können auch Mittelzentren eine nennenswerte Anzahl von Arbeitsplätzen in der Kulturwirtschaft erzielen.
Ein anderer Ansatz für Förderung der Kulturbranche sind die an manchen Universitäten durchgeführten Existenzgründertage. Das Land Nordrhein-Westfalen verzeichnete im Jahre 2000 bereits 280.000 Arbeitsplätze in der Kultumirtschaft und hat zusätzlich ein auf diese Branche zugeschnittenes Gründungsprogramm aufgesteht. Zwischenzeitlich gibt es dort auch auf regionaler Ebene einen branchenübergreifenden akteursorientierten Entwicklungsansatz zur Stärkung der Kulturwirtschaft in Form eines regionalen Netzwerkmanagements.
Welche Rahmenbedingungen müssen in den Städten bestehen, die kreativ handeln wollen?
Die „infrastrukturellen Begabungen" einer Stadt verbessern nur ihre Ausgangsbedingungen für kreatives Handeln. Die weltweite Vernetzung, die Verstädterung der Lebensweisen und die zunehmende räumliche Mobilitätsbereitschaft und -fähigkeit relativieren aber die Bedeutung der so genannten harten Faktoren und damit den für Planer traditionell wichtigen Ansatz der Verbesserung der Infrastruktur. In Abwandlung des berühmten Satzes von Josef Beuys, wonach „jeder Mensch ein Künstler ist", können alle Städte kreativ sein, auch wenn sie über keine Universität, kein berühmtes Museum, keine Business School verfügen oder andere Zentraltätsmerkmale aufweisen.
Viel entscheidender als strukturelle Aspekte ist aus meiner Sicht ein grundlegender Perspektiven- und Einstellungswandel, vor allem innerhalb der Verwaltung und der KommunalpoUtik. Dazu kann zum Beispiel zählen, dass Bürgerhäuser zukünftig als Agenturen kreativen Handelns in Stadtteilen verstanden werden. Oder es werden verstärkt temporäre oder experimentelle Lösungen angestrebt, auch auf die Gefahr hin, nicht unmittelbar erfolgreich zu sein. Ein solcher Perspektiven- und Einstellungswandel ist erfahrungsgemäß stark personenabhängig und daher planerisch nur schwer zu beeinflussen, geschweige denn im traditionellen Sinne zu steuern.
Was die finanziellen Aspekte kreativen Handelns in den Stadtregionen betrifft, so fällt die Antwort ambivalent aus. Sicherlich sind gewisse finanzielle Spielräume unabdingbar, um das eine oder andere unbürokratisch anstoßen zu können. Dies soüte jedoch nicht dazu verleiten, langjährige Förderprogramme aufzustehen. Die Erfahrungen mit Fördergebieten zeigen, dass sich mit der Zeit eine Fördermentalität herausbildet und dann meist nur noch das in Angriff genommen wird, was gefördert wird. Es wird dann kaum noch nach anderen Ressourcen oder potenziellen Kooperationspartnern Ausschau gehalten. Langjährige Förderung von Städten seitens des Landes ist somit quasi Gift für kreatives Handeln.
Darüber hinaus sind bei der Umsetzung einer kreativen Handlungsstrategie auch strategische Gesichtspunkte zu beachten. Getreu dem Motto „Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg" soüte man darauf achten, dass sich die ersten Schritte auf kurz- und mittelfristig bearbeitbare Herausforderungen einer Stadtregion beziehen, damit die Akteure auf diese Weise gegenseitiges Vertrauen aufbauen können. Auch empfiehlt es sich, frühzeitig den Perspektivenwechsel in Richtung kreatives Handeln einzuleiten, da ansonsten alle Beteiligten zum Erfolg verdammt sind und Zwischenlösungen, Erprobungsphasen oder Experimente kaum noch möghch sind. Gerade dies macht jedoch kreatives Handeln mit aus.
Literatur
- Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft NRW (Benkert, W. / Gnad, F. / Ebert, R / Kunzmann,
ICR. / Wiesand, AJ.) (2001): Kulturwirtschaft im Netz der Branchen 4. Kulturwirtschaftsbericht NRW, hrsg. vom Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalem Düsseldorf - Bianchini, F. / Ebert, R. / Gnad, F. / Kunzmann K.R / Landry, Ch. (1996): The Creative City in Britain and Germany. London
- Ebert, R (1999): „Künste ziehen an": Kultur im Stadtmarketing. In: Raumplanung H. 86,
173-179 - Ebert R / Gnad, F. / Kunzmann, K.R. (1994): Creative City - ein Untersuchungskonzept
STADTart-Arbeitspapier Nr. 1. Dortmund - Ebert, R. / Siegmann, J. (2003): Stadtkultur durch Kultur- und Freizeitviertel- ein struktureller Ansatz zur Stärkung der Innenstädte von Mittelzentren. In: Jahrbuch Stadterneuerung 2003. Berlin
- Florida, R (2002): The Rise of the Creative Class and How It's Transforming Work, Leisure,
Community and Everyday Life. New York - Joas, H. (1992): Die Kreativität des Handelns. Frankfurt am Main
- Leggewie, C. (1994): Politische Kreativität. Über das Neue in der Politik - und in der Politikwissenschaft. In: Leggewie, C: Wozu Politikwissenschaften? Über das Neue in der Politik. Darmstadt, S. 3-20
- Scott, A (1997): The Cultural Economy of Cities. In: International Journal of Urban and Regional Research 21, (2), S. 323-339