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Zuwanderung in Deutschland - Der lange Weg zur Mannheimer Moschee

Artikel vom 05.04.2004

Über die Entstehungsgeschichte der Mannheimer Moschee, die 1995 ihrer Bestimmung übergeben wurde, informiert die Christlich-Islamische Gesellschaft Mannheim. Bemerkenswert ist ihr Standort: an zentralem Standort, in direkter Nachbarschaft zu einer katholischen Kirche.

Handlungsbedarf

Seit 1972 besaß der Islamische Bund Gebetsräume in seinem Vereinsheim, einem kleinen, unscheinbaren Wohnhaus in G 7, 18, in den sog. Innenstadtquadraten Mannheims. Dieses Anwesen erklärte die Stadt 1982 zum Sanierungsgebiet, und damit begann die erste Phase der intensivierten Kommunikation zwischen den Beteiligten. Zu diesem Zeitpunkt war weder seitens des Islamischen Bundes noch seitens der Stadt ein Moscheeneubau geplant gewesen. Die Muslime hätten ihre alte Hinterhofmoschee nicht verlassen, wenn nicht die Stadt Sanierungsbedarf geltend gemacht und den Islamischen Bund zu einem Standortwechsel aufgefordert hätte. So wurde dieses Vorhaben zur Initialzündung für weiterführende Gespräche zwischen Vertretern der islamischen Gemeinde und der Stadt.

Beschwerden über die Hinterhofmoschee

Doch auch abgesehen vom Sanierungsvorhaben hatte sich Handlungsbedarf ergeben: Dem Ausländerbeauftragten der Stadt Mannheim zufolge wurden immer häufige Beschwerden von Anwohnern der abrißreifen Hinterhofmoschee laut, vor allem über die massiven Menschenansammlungen anläßlich muslimischer Feiertage. Laute Gebetsrufe, der starke Verkehrsfluß und die Parkplatzfrage führten darüber hinaus immer wieder zu Konflikten des Islamischen Bundes mit der Nachbarschaft. Daher begann die Stadt, über eine Verlagerung der alten Gebetsräume nachzudenken: ein schwieriges Unterfangen, da man die Gläubigen nicht verletzen wollte. So gab es Überlegungen, alternative Räumlichkeiten zu finden, die ausreichend Aufnahmekapazitäten für den wachsenden Bedarf an muslimischem Gebetsraum boten. Kinos und Fabrikhallen wurden als Ausweichstätten mit den Betroffenen diskutiert.

Deutschland als Heimat

Daraufhin begann ein Denkprozeß bei den Muslimen: Man fragte sich nun, ob man sich mit einer alten Fabrikhalle zufriedengeben wolle, da man ja ohnehin eines Tages in die Türkei zurückkehren werde. Die Antwort lautete: Nein! Der damalige Vorsitzende des Islamischen Bundes, Osman Özay, stellte hierzu fest: „Nachdem die erste Generation sog. türkischer Gastarbeiter für immer in ihre Heimat zurückgekehrt war, entwickelte die zweite und dritte Generation neue Vorstellungen von ihrem Leben in Deutschland. Viele in Deutschland geborene Kinder und ihre Eltern wollten für immer hier wohnen bleiben. Deshalb haben wir uns entschieden, in Mannheim eine neue Moschee zu bauen.“

Lebensraum Moschee

Nach Jahren der Religionsausübung in einer alten Lagerhalle wollte der Islamische Bund nun eine „neue“ und „richtige“ Moschee bauen, die in ihrer Architektur den islamischen Vorstellungen entsprechen sollte, d.h. mit einem Gebetssaal, mit Kuppel und Minarett sowie weiteren Räumlichkeiten, z.B. für Bildungsarbeit. Schon von weitem sollte man die Gebetsstätte als ein repräsentatives islamisches Gotteshaus erkennen können. Ebenso sollte der Innenausbau der islamischen Kultur und Religion entsprechen. Denn eine Moschee ist zwar in erster Linie ein Gotteshaus, doch bedeutet sie für Muslime (und damit auch für die Arbeitsmigranten in Deutschland) zugleich eine geistige Heimat, einen Ort, an dem sie sowohl ihre Religion als auch ihre Kultur pflegen können. Daher besteht eine Moschee nicht nur aus einem Gebetssaal mit Minarett, vielmehr ist sie ein Baukomplex, der darüber hinaus weitere Einrichtungen für soziale und auch wissenschaftliche Belange beherbergt. Die großen und repräsentativen Moscheen z.B. in der Türkei sind gemäß der klassischen Vorstellung zusätzlich von verschiedenen Gebäuden umgeben, die zur Moschee gehören und mit ihr den Moscheebezirk, die sog. Kull_ya (türkisch külliyet = Baukomplex), bilden. Zweifelsohne ist die Moschee in erster Linie für den islamischen Gottesdienst bestimmt. Doch ist sie gleichfalls, entsprechend der Tradition des Propheten Mohammed, ein Zentrum für die Erfüllung sozialer Bedürfnisse. Dem dienen die Schulen, Bibliotheken, Druckereien, Wohnheime, Sportstätten, Küchen, Bäder, Krankenhäuser und Heilanstalten, die um die Gebäude herum liegen.

Finanzierung durch Spenden

Zur Finanzierung eines solchen Bauvorhabens ist ein Verein wie der Islamische Bund Mannheim e.V. eigentlich kaum in der Lage. Denn auf Grund der fehlenden Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts dienen als einzige Finanzierungsquellen die Mitgliedsbeiträge der eingetragenen Mitglieder und freiwillige Spenden der übrigen Moscheebesucher. Als sich der Islamische Bund Mannheim dennoch für einen Moscheebau entschieden hatte, war er sich noch nicht vollends darüber im klaren, welch ein schwieriges und von Kontroversen begleitetes Projekt man sich für die nächsten Jahre vorgenommen hatte.

Standortsuche

Es waren eher pragmatische Gründe, die zu einer Standortverlagerung führten: Der Islamische Bund wußte Mitte der achtziger Jahre, daß nach einer Sanierung des alten Gebäudes oder bei einer Verlagerung der Gebetsräume die Mietkosten um ein Vielfaches angestiegen wären. Deshalb begannen die muslimische Gläubigen, sich mit dem Gedanken anzufreunden, ein Gebäude käuflich zu erwerben. Als der Entscheidungsdruck hinsichtlich der Zukunft der Moschee vor allem seitens der Anwohner und der Stadtplaner wuchs, trat man im Jahre 1986 in eine neue Phase ein: Trotz einer intensiven Suche der Stadt ließen sich keine geeigneten Bauten für ein künftiges Gebetshaus finden. So schlug die Stadtverwaltung einen Neubau vor. Der Islamische Bund ließ sich überzeugen, und innerhalb kurzer Zeit liefen Spendenaktionen in der muslimischen Gemeinde an.

Es begann die Suche nach einem Bauplatz. Zu diesem Zeitpunkt stand das äußere und innere Erscheinungsbild einer neuen Moschee noch nicht fest. Als Ergebnis langer Bemühungen bot sich das Grundstück am Luisenring (dem zentralen Straßenring um die Mannheimer Innenstadt) in unmittelbarer Nachbarschaft der katholischen Liebfrauenkirche als beste Lösung an. Dieses Trümmergrundstück stellte die Stadt dem Islamischen Bund im Januar 1989 zur Verfügung. So wurden im Sommer 1989 erste Skizzen entwickelt, gerade als im Iran wieder einmal der Islam negativ von sich reden machte.

Die Standortwahl spielte eine bedeutende, wenn nicht gar die entscheidende Rolle – und zwar nicht nur für die Muslime, sondern auch für die Stadtverwaltung. Für die Muslime war es wichtig, einen würdigen Platz zu finden. Die Stadt Mannheim hatte für die Anliegen der Muslime grundsätzlich Verständnis; ihre Vertreter meinten, es sei nur sinnvoll, ein solches Gebäude dort zu errichten, wo die meisten muslimischen Einwohner leben. Bereits das Genehmigungsverfahren, das zum Moscheebau führte, zeigte, daß die städtische Politik und Verwaltung bis auf wenige Ausnahmen dem Wunsch der Muslime entgegenkam. Sowohl Oberbürgermeister Widder als auch viele Stadträte unterstützten das Bauvorhaben mit Verweis auf die Stadtgeschichte, die seit Jahrhunderten von einer offenen Haltung gegenüber Andersgläubigen geprägt ist. Der Ausländerbeauftragte sah in dem langen Prozeß des Moscheeneubaus eine notwendige Voraussetzung dafür, daß die deutsche Seite (die Mannheimer Verwaltung und die Stadtteilbewohner) einerseits und die Verantwortlichen des Islamischen Bundes andererseits Verständnis füreinander und für die jeweiligen Anliegen entwickeln konnten.

Ängste überwinden

Mit dem Beginn der konkreten Planungen galt es nun, viele Barrieren zu überwinden, damit man am Ende sagen konnte, daß „die räumliche Nähe der christlichen Kirchen, der Moschee des Islamischen Bundes und der Synagoge der Jüdischen Gemeinde in der Mannheimer Innenstadt ein sichtbares Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit“ sei, die der Tradition der Stadt Mannheim entsprechen – so die mit Stolz erfüllten Worte des Oberbürgermeisters in seinem Grußwort anläßlich der Moschee-Eröffnung.

Eine Baugenehmigung für das neue Gotteshaus zu bekommen, war nicht einfach; sie wurde erst 1992 erteilt. Am 12. Februar 1993 erfolgte die Grundsteinlegung. Der Kauf des Grundstücks, Planung und Genehmigung hatten insgesamt sechs Jahre gedauert. Es waren mehrere Pläne für den Bau der neuen Moschee vorzulegen. Man mußte sich genau über die Einzelpunkte einigen: wie hoch das Gebäude, die Kuppel und das Minarett sein sollten und ob das Minarett auf der Straßenseite oder lieber auf der anderen, nicht gleich und leicht sichtbaren Seite zu errichten sei. Prinzipiell kam auf deutscher wie auf türkischer Seite eine flexible Kompromißbereitschaft zum Vorschein, die Ausgangspunkt für das zukünftige Miteinander und das Aufeinanderzugehen der unterschiedlichen Religionen und Kulturen werden sollte. So verzichtet z.B. der Islamische Bund Mannheim bislang auf den öffentlichen Gebetsruf des Muezzins.

Hinzu kam die notwendige Aufklärung der deutschen Anwohner im problemreichen Stadtteil Jungbusch: Diesen Stadtteil bewohnen viele Ausländer unterschiedlichster Nationalität, so daß er nicht allein deswegen einiges an „sozialem Sprengstoff“ aufweist. Es war also ein gehöriges Konfliktpotential zu entschärfen: Vorbehalte der Anwohnerschaft – auch z.T. aus den christlichen Gemeinden – bezogen sich auf eine drohende zunehmende „Überfremdung“ des Stadtteils, auf befürchtete Ruhestörungen durch Gebetsrufe des Muezzins bis hin auf den Rückgang der ohnehin schon geringen Zahl an Parkplätzen durch den Neubau. (Letztgenanntem Vorbehalt wurde schließlich durch die Errichtung einer Tiefgarage unter der Moschee begegnet.) Ein übriges tat die pauschale Angst, die Moschee werde zu einer „Brutstätte des Fundamentalismus“ – eine Angst, die manche Medienberichte über „den“ Islam im Zusammenhang mit dem damals aktuellen Zweiten Golfkrieg noch nährten.

Hitzige Debatten im Bezirk

In den Zeitungen waren folgende Meldungen zu lesen: „Wenn der Muezzin ruft, klagen die Anwohner. Geplanter Moschee-Bau im Jungbusch stößt auf Widerstand“; „Im Jungbusch regt sich Unmut: Streit wegen Moschee im Jungbusch. Bewohnerverein besorgt. Der geplante Bau einer Moschee droht im Jungbusch die Bewohner zu spalten. Würde nicht im Vorfeld seitens der Stadt etwas an den sozialen Mißständen im Stadtteil geändert, dann wäre die Realisierung des Projektes zum jetzigen Zeitpunkt ‚der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt‘, erklärt Bärbel Handlos vom Bewohnerverein Jungbusch (...) auf einer Pressekonferenz.“ „Kreuzzug gegen die Moschee? Pläne des Islamischen Bundes stoßen auf Widerstand. ‚Ausländerfeindlich sind wir nicht, aber die Moschee wollen wir trotzdem nicht in unserem Stadtteil haben.‘ (...) In der nächsten Bezirksbeiratssitzung am 5. Juni und auf einer Bürgeranhörung am 27. Juni soll das Thema Moschee nochmals intensiv diskutiert werden. ‚Nichts gegen Türken, auch nichts gegen deren Gebetshäuser und religiöse Riten‘, aber der Jungbusch mit seinem Ausländeranteil von über 60 Prozent sei bereits randvoll mit verschiedenen Nationalitäten, und eine Moschee ziehe sicherlich wie ein Magnet weitere islamische Mitbürger an. Noch mehr Fremde könne der Stadtteil kaum verkraften. Der deutsche Bewohnerstamm werde immer älter, die jungen Leute zögen wegen der miserablen Wohnqualität weg, der Jungbusch drohe ein Ghetto zu werden. Schon heute seien 90 Prozent aller Schüler Ausländerkinder, zwölf verschiedene Nationen säßen hier nebeneinander auf der Schulbank.“

Eine weitere Zeitungsmeldung spiegelt die damalige aufgebrachte Stimmung wider: „Tumultuöse Bezirksbeiratssitzung Innenstadt/Jungbusch im Stadthaus: Höhnisches Gelächter aus den hinteren Rängen, unkontrollierte, wütende Zwischenrufe, Applaus für Herrn Gift und Frau Galle bei der Bezirksbeiratssitzung Innenstadt/Jungbusch. Die Pläne des Islamischen Bundes, am Luisenring / Ecke Seilerstraße eine Moschee zu bauen, standen zur Debatte, augenscheinlich ein Thema, das die deutschen Gemüter im Jungbusch zutiefst berührt und selbst die nicht-türkischen Ausländer im Stadtteil in Rage bringt. Der Bürgerzorn brach sich Bahn, Volkes Stimme gab Laut, und da ging so mancher Ton daneben“.
Die Diskussion zwischen den Befürwortern und Gegnern des Baus ging energisch weiter. Die Synode des evangelischen Kirchenbezirks Mannheim unterstützte in einem Beschluß vom 14./15.6.1991 den Wunsch der muslimischen Mitbürger, durch den Neubau einer Moschee eine Gebetsstätte zu erhalten, die in Größe und baulicher Qualität den vorhandenen Bedürfnissen entspricht. Auch ein Großteil der katholischen Seelsorger befürwortete (im Gegensatz zur eher skeptischen Haltung des Pfarrgemeinderates der dem Bauplatz benachbarten Liebfrauengemeinde) das Bauvorhaben, nicht zuletzt unter Hinweis auf das Zweite Vatikanische Konzil und dessen Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen.

Der Wunsch des Bauträgers, im alten Umfeld des Stadtteils Jungbusch zu bleiben, konnte verständlich gemacht werden. Denn schließlich sprach das Argument „hoher Türkenanteil“ ja gerade nicht gegen, sondern für einen Moscheebau genau dort. Auch eine katholische Kirche würde ja niemand in ein Gebiet bauen, in dem keine oder kaum Katholiken wohnen. Daher setzten sich auch die nachmaligen Initiatoren der Christlich-Islamischen Gesellschaft Mannheim dafür ein, daß die Moschee nicht wie in vielen anderen Großstädten am Rand oder in einem Industriegebiet ihre Heimat findet, sondern im Zentrum.

Mehr Zustimmung als erwartet

Eine Umfrage des Instituts für Absatzforschung und Marktpsychologie zum Moschee-Neubau ergab, daß immerhin 31% der Bevölkerung zum Bau eine positive Einstellung hatten, 42% waren negativ eingestellt, für 15% war es völlig gleichgültig, und 12% enthielten sich der Stimme. Die 31% Zustimmung stellten ein erstaunlich hohes Ergebnis dar. Auch die im Jungbusch vertretenen Parteien hatten sich für den Bau der Moschee am vorgeschlagenen Standort ausgesprochen. Der Ausländerbeauftragte resümierte, daß das Projekt in der Öffentlichkeit besser dastehe, als manche Meldungen und verschiedene Einzelreaktionen vermuten ließen. „Wüßten die Befragten mehr über diese Zusammenhänge, würde der Moschee-Neubau möglicherweise noch mehr Befürworter als schon jetzt finden.“

Nach fast zweijähriger Bauzeit wurde die neue Moschee ohne weitere Zwischenfälle am 4. März 1995 als bislang größte Moschee Deutschlands ihrer Bestimmung übergeben. Doch zuvor hatten die genannten Ängste und Zerwürfnisse überwunden werden müssen: eine Aufgabe, die zu einem guten Maße der christlich-islamische Dialog leistete. Ohne Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit hätte keine Brücke zwischen den Nationen und Religionen entstehen können.
(Christlich-Islamische Gesellschaft Mannheim e.V.)

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