Gut wohnen im Alter?
Artikel vom 09.09.2005
Die Aussicht auf ein langes Leben ist heute fast eine Selbstverständlichkeit. Doch so mancher wird nachdenklich, ob er im Alter auch gut wohnen wird. Wo und wie man wohnt, ist für die Lebensqualität im Alter von zentraler Bedeutung – besteht doch das Leben im Alter vor allem aus Wohnen. Je älter der Mensch wird, desto mehr seiner Zeit verbringt er in seiner Wohnung und in deren unmittelbaren Umfeld. Von Tobias Robischon
Das schiefe Bild von der vergreisenden Gesellschaft
Wenn über Wohnen im Alter gesprochen wird, so denken die meisten an Wohnangebote für hilfsbedürftige alte Menschen. Diese Gleichsetzung von „alt“ und “hilfsbedürftig“ ist jedoch eine gedankliche Verkürzung, die den Blick auf Größenverhältnisse und Potentiale des Wohnens im Alter verstellt.
Sicher: Je älter der Mensch ist, desto eher ist er hilfs- oder pflegebedürftig. Aber: Gerade einmal ein Viertel der über 85jährigen ist im Sinne der Pflegeversicherung pflegebedürftig, und ein weiteres Viertel ist in mehr oder weniger großem Umfang auf Hilfe angewiesen. Das heißt: Nur für die Hälfte der Allerältesten trifft die Vorstellung vom kranken, hilfebedürftigen alten Mensch zu. Die andere Hälfte ist noch rüstig! Und betrachtet man sämtliche über 60jährigen Menschen, so sind davon lediglich 5% hilfs- oder pflegebedürftig.1
Der Begriff der „vergreisenden Gesellschaft“ vermittelt eine verzerrte Vorstellung der Wirklichkeit. Zwar wird es in Zukunft in absoluten Zahlen erheblich mehr hilfs- und pflegebedürftige hochaltrige Menschen geben, aber die allermeisten Alten werden auch noch in 40 Jahren zwischen 60 bis 80 Jahre alt und zum weit überwiegenden Teil gesund sein. Man kann sich die Entwicklung besser so vorstellen: Für eine steigende Zahl von Menschen gibt es die neue Lebensphase zwischen Berufstätigkeit und dem hohen Alter. Und die gute Nachricht ist: Diese Lebensphase der „Rüstigkeit“ wird immer länger. Seit 1970 hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung um sieben Jahre erhöht, und sie steigt weiter.2
Was ist „gut wohnen“ im Alter?
Was folgt hieraus nun für das Wohnen im Alter? Heute leben gut 93 Prozent der über 65-jährigen in einer normalen Wohnung. Selbst bei den über 80-jährigen lebt nur jeder Fünfte in speziellen Altenwohnformen wie Altenwohnungen, Heimen oder im Betreuten Wohnen. Wohnen im Alter heißt für die allermeisten Älteren ganz normal zu wohnen. Und dies wird sich wohl auch in Zukunft nicht grundlegend verändern. Die Standardwohnform der Älteren wird auch künftig die ganz normale Wohnung bleiben. Und trotzdem wird allein aufgrund der Alterung der Bevölkerung – ein gleichbleibendes Versorgungsniveau einmal unterstellt - der Bedarf an speziellen Altenwohnformen in den nächsten 40 Jahren um 2/3 steigen.3
Worin besteht nun altersgerechtes Wohnen für diese breite Masse rüstiger älterer Menschen? Die Schader-Stiftung hat einmal ältere Bewohner eines Frankfurter Wohnquartiers nach ihrer Wunschwohnung fürs Alter befragt: Diese möchten gerne in einer überschaubaren Wohnanlage leben, mit zwei Zimmern, ruhig, im Grünen, aber innenstadtnah. Innenstadtnah heißt dort nah am Nordwestzentrum, einem großen Einkaufszentrum mit Ladenpassagen, U-Bahn-Anschluss, Stadtbad, Ämtern, Ärztehäusern und so weiter. Das Motiv ist altbekannt: vorne der Kurfürstendamm und hinten die Ostsee.
Wenn man nun Experten befragt, so hört man im Wesentlichen das Gleiche. Altersgerechtes Wohnen besteht danach aus den drei Aspekten: Lage, soziales Umfeld und Barrierefreiheit.
Lage meint dabei die gute Erreichbarkeit von Geschäften, Ärzten, Freizeitangeboten und anderer Infrastruktur bei gleichzeitig niedriger Umweltbelastung durch Lärm und Dreck. Fußläufig zur Innenstadt, ein Bus vor der Haustür, um die Ecke ein Park. Oder übertragen auf die ländliche Situation: nicht in einem abgelegenen Ortsteil, sondern eher am Rande der Kreisstadt zu leben.
Das soziale Umfeld meint Bekannte und Verwandte in der Nähe, auskömmliche Nachbarn, Alltagskontakte im Wohnumfeld. Wichtig ist dieses soziale Netzwerk als Ressource für Hilfe und Unterstützung, Ratschlag, Zuspruch und Information. Manche Soziologen nennen dies „soziales Kapital“, was dem Laien deutlich macht, dass ein solches Netz auch bares Geld wert sein kann.
Der dritte Aspekt altersgerechten Wohnens ist Barrierefreiheit. Barrierefreiheit ist nicht nur eine technische Baunorm, sondern vor allem eine gestalterische Philosophie: Wohnungen und Wohnumfeld werden als Lebensbereich betrachtet, der für jeden Mensch jeden Alters geeignet sein sollte. Jeder – eben auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen – soll diesen Lebensbereich in Anspruch nehmen können und sich in ihm sicher bewegen und hantieren können. Es geht darum, unnötige Erschwernisse und Behinderungen im Alltag zu beseitigen und Komfort und Sicherheit zu schaffen.
Barrierefreiheit heißt aber nicht, dass unbedingt alle Hindernisse weggeräumt und eingeebnet werden müssen. Wenn etwa zum Eingangsbereich eines Miethauses eine mehrstufige Freitreppe führt, dann heißt Barrierefreiheit nicht zwingend Bau einer langen Rollstuhlrampe, sondern z.B. Installation eines Handlaufes in der Mitte der Freitreppe.
Allerdings ist Barrierefreiheit nach den DIN-Standards vielerorts trotz gutem Willen aus bautechnischen und wirtschaftlichen Gründen nicht zu erreichen. Dann sollte wenigstens eine Wohnsituation geschaffen werden, die so „barrierearm“ wie möglich ist. Wichtiger als große Baumaßnahmen ist oftmals der Blick für die Details: Die Sturzgefahr, die von losen Gehwegplatten ausgeht, kann für die Gesundheit eines älteren Menschen von größerer Bedeutung sein als der Aufzug im Haus.
Alternsgerecht wohnen bedeutet also in erster Linie gut zu wohnen - und zwar nach den für jedes Lebensalter gültigen Standards: Lage - Soziales Umfeld – Komfort. Es gibt daher kein prinzipielles Gegeneinander von alternsgerechter und z.B. familiengerechter Quartiersgestaltung. So ist ein hausnaher Parkplatz für kurze Transportwege hilfreich für alle Lebensalter. Das ist auch der Grundgedanke einer barrierefreien Gestaltung von Lebensräumen.
Warum nicht einfach weiter wohnen wie gewohnt?
Aber wenn ohnehin fast alle Älteren in einer normalen Wohnung leben und dies scheinbar ohne größere Probleme, warum dann die Diskussion über ein neues, anderes Wohnen im Alter? Ist es nicht sowieso das Beste, wenn ein alter Mensch in seiner vertrauten Umgebung bleibt?
Noch vor zehn Jahren hätten wohl die meisten gesagt: „Richtig, einen alten Baum verpflanzt man nicht.“ Damals herrschte noch die – manchmal zum Dogma verfestigte -Überzeugung vor, es sei in jedem Falle die beste Lösung, wenn Ältere so lange wie irgend möglich in ihrer angestammten Wohnung verbleiben. Die langjährig gewachsene Verwurzelung in einer sozialen und räumlichen Umgebung, in der man sich auskenne und in der man bekannt sei, biete die beste Grundlage für den Erhalt von Selbständigkeit und Selbstbestimmung. Das ein Umzug die Lebenssituation womöglich verbessern könnte, galt als undenkbar. Dabei sind die angestammten Wohnungen Älterer oftmals viel zu groß, da alleine gar nicht mehr zu bewirtschaften oder sie sind wegen ihrer veralteten Sanitär- und Heizungsausstattung für den Bewohner ungeeignet geworden. Oft entsprechen sie auch nicht mehr den Vorstellungen ihrer Bewohner. Richtig ist, dass Mieter zwischen 55 und 75 Jahren bei weitem nicht so oft umziehen wie jüngere Haushalte. Richtig ist aber auch, dass die Hälfte aller 55jährigen Mieter bis zu ihrem 75ten Lebensjahr noch einmal umziehen.4 Und damit sind noch nicht mal von altersbedingten Beschwerden veranlassten Umzüge erfasst: Das mittlere Eintrittsalter für das Betreute Wohnen liegt heute bei 78 Jahren.5
Inzwischen hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass es darauf ankommt, eine der individuellen Lebenssituation angemessene Wohnlösung zu finden. Das kann, muss aber nicht den Verbleib in der bisherigen Wohnung bedeuten. Denn es verändert sich im Verlaufe des Alterns nicht nur der Mensch, sondern auch seine Umwelt. Es geht ja nicht allein darum, eingeschränkte Mobilität oder gesundheitliche Beeinträchtigungen zu kompensieren. Im Verlaufe der Zeit ändert sich auch das persönliche Umfeld: Viele müssen den Verlust des Partners verkraften, Freundeskreis und Nachbarn altern, das soziale Netzwerk wird dünner.
Ebenso das Wohnumfeld: Die Einzelhandelskonzentration und der Trend zu wachsenden Verkaufsflächen lässt die Nahversorgung schwinden, wirtschaftliche Stagnation in peripheren und ländlichen Gebieten tut ihr übriges für Einkaufsangebot und soziale und kulturelle Infrastruktur.
Und schließlich altern Wohnhäuser ja auch: Ältere Menschen wohnen noch immer meist in älteren Wohnungen mit älteren, das heißt niedrigeren Ausstattungsstandards. Und das Eigenheim, das man mit Mitte, Ende 30 neu gebaut hat, ist nach 30 Jahren reif für eine grundlegende Sanierung – also wenn die Eigentümer auf die 70 zugehen.
Unter veränderlichen Bedingungen nach der bestmöglichen „Mensch-Umwelt-Passung“, wie es auf soziologisch heißt, zu suchen, bedeutet nicht nur, dass es die eine beste Lösung für alle nicht geben kann. Sondern auch, dass die Wohnsituation, die gestern noch angemessen war, heute zur Belastung geworden sein kann. Und dass die beste Lösung für heute nicht das Richtige für morgen sein muss.
Wohnen für Ältere: Angebotsvielfalt oder Begriffswirrwarr?
Heute gibt es eine Vielzahl von speziellen Wohnangeboten für Ältere – mindestens jedenfalls eine Vielzahl von Begriffen für diese Angebote. Verbindliche Begriffsdefinitionen gibt es nicht, was dem Überblick abträglich ist. Dabei ist es bei aller verwirrender Vielfalt im Detail im Grunde ganz einfach: Im Kern geht es stets um bauliche Gestaltung einerseits, Hilfs- und Unterstützungsleistungen andererseits sowie um die Kombinationen dieser beiden Aspekte.
Unter baulichen Gesichtspunkten steht Barrierefreiheit im Mittelpunkt. Die Standards sind in DIN-Normen festgeschrieben und umfassen im Wesentlichen Empfehlungen zu den notwendigen Bewegungsflächen, zur Vermeidung von Stufen und Schwellen, die notwendigen Türbreiten und die Höhen von Bedienungselementen wie Lichtschalter oder Steckdosen.
Von Wohnungsanpassung sprechen wir, wenn eine vorhandene Wohnung entsprechend der Bedürfnisse des älteren Bewohners umgestaltet wird. Im einfachsten Falle besteht dies in der Beseitigung von Gefahrenquellen wie Stolperfallen oder unzureichender Beleuchtung, etwas Möbelrücken und kleineren Ein- oder Umbauten, die die Nutzung von Bad und Küche erleichtern. Für eine individuelle Wohnungsanpassung ist meist eine Wohnberatung notwendig, die dabei hilft, eine persönlich geeignete Lösung zu finden und dann auch durchzuführen. Sogenannte strukturelle Wohnungsanpassungen umfassen dagegen oft Grundrissveränderungen oder den Einbau eines Fahrstuhls. Sie werden deshalb meist an einem oder mehreren Wohngebäuden gleichzeitig vorgenommen. Ganz oder annähernd barrierefreie Wohnungen werden auch altersgerechten Wohnungen genannt.
Bis hierher sind das Wohnformen, die sich allein durch eine spezielle bauliche Gestaltung auszeichnen. Hilfs- und Unterstützungsleistungen werden meistens durch einen professionellen Vertragspartner erbracht, mit dem ein Betreuungsvertrag geschlossen wird. Die andere Möglichkeit ist, die Hilfe selbst zu organisieren.
Zunächst zur professionellen Variante der Hilfeleistung:
Im einfachsten Fall, dem „Betreuten Wohnen zu Hause“ ist der Betreuungsvertrag nicht mit einem Wohnangebot gekoppelt. Man bleibt in seiner Wohnung und hat einen Vertrag mit einem Dienstleister, also etwa einer Sozialstation, einem ambulanten Dienst oder einem Betreuungsverein. Der Betreuungsvertrag umfasst neben allgemeiner Beratung vor allem einen regelmäßigen Hausbesuch, um so weiteren Hilfsbedarf rechtzeitig erkennen zu können. Dieses Konzept wird auch Wohnen plus oder Betreutes Wohnen im Bestand genannt.
Bekannter ist das „Betreute Wohnen“. In einer Wohnanlage werden altersgerechte Wohnungen und ein Betreuungsangebot miteinander gekoppelt. Die Bewohner schließen einen Miet- und Betreuungsvertrag ab. Es wird unterschieden zwischen Grundleistungen (wie Notrufsicherung und allgemeiner Beratung), die mit einer Pauschale abgedeckt sind, und Wahlleistungen (wie Hilfen im Haushalt), die zusätzlich zu zahlen sind. Das Preis-Leistungs-Spektrum ist sehr breit. Solche Angebote werden auch „Service-Wohnen“ oder „unterstütztes Wohnen“ genannt. Sie unterliegen nicht dem Heimgesetz.
Ein Schritt weiter in Richtung hotelähnlichem Wohnen gehen die Seniorenresidenzen oder Wohnstifte. Auch diese sind im Kern Koppelungen von Wohnungen und Betreuungsleistungen. Allerdings werden hier deutlich mehr zusätzliche Leistungen angeboten. Auch müssen die Bewohner hier umfänglichere Betreuungsleistungen abnehmen, wie Versorgung mit Mahlzeiten oder Reinigungsdienste. Die vertraglichen Regelungen entsprechen denen von Alten- und Pflegeheimen und unterliegen dem Heimgesetz.
Der Übergang von einer Prinzip selbständigen Haushaltsführung, die durch immer mehr Hilfen und Serviceleistungen unterstützt wird, zu einem Pflegeverhältnis, das aber noch in einer wohnungsähnlichen Situation stattfindet, ist fließend. Diesen Übergang markieren die Pflegewohngruppen oder betreuten Wohngemeinschaften. Hier lebt eine kleine Gruppe Pflegebedürftiger in einer Wohnung zusammen. Jeder Bewohner hat seinen eigenen Wohn/Schlafbereich, das Alltagsleben findet aber überwiegend in den Gemeinschaftsräumen und der zugehörigen Küche statt. Die Betreuung wird stundenweise oder rund um die Uhr von Betreuungspersonal sichergestellt, das die Haushaltsführung und die Organisation des Gruppenlebens übernimmt. Für weitere individuelle Hilfs- und Pflegeleistungen nutzt man ambulante Dienste. Obwohl der Pflege näher als eine Seniorenresidenz, kann dies als ambulante Versorgungsform gelten und unterliegt dann nicht dem Heimrecht. Die ganz ähnlich funktionierenden sog. „wohngruppenorientierten Betreuungsformen oder KDA-Hausgemeinschaften“, werden dagegen mehrheitlich als stationäre Pflegeheime betrieben und unterliegen daher wiederum dem Heimrecht.
Hilfe und Unterstützung müssen aber nicht immer von professionellen Vertragspartnern kommen, man kann sie auch selber organisieren. Der Normalfall, den ich aber nicht als spezielle Altenwohnform bezeichnen möchte, ist die Unterstützung durch Familienangehörige – während der ältere Mensch in seiner angestammten Wohnung bleibt.
In Projekten des gemeinschaftlichen Wohnens ist es die selbstorganisierte Gemeinschaft der Bewohner, die sich untereinander hilft und unterstützt. Die Projekte suchen sich eine geeignete Immobilie, was oft sehr lange dauern kann. Dort verfügen die Bewohner typischerweise über einen eigenen Wohnbereich, meist eine abgeschlossene Wohnung. Darüber hinaus gibt es Raum für gemeinschaftliche Aktivitäten. Die wechselseitige Unterstützung kann im Einzelfall sehr weit gehen, üblicherweise werden jedoch wie in der normalen Privatwohnungen im Pflegefall ambulante Dienste in Anspruch genommen. Gemeinschaftliche Wohnprojekte gibt es in den verschiedenen Größenordnungen, bis zur Siedlungsgemeinschaft eines Altendorfs.
Neben Projekten, in denen sich eine Gemeinschaft bildet, die dann eine zu ihren Vorstellungen passende Wohnimmobilie sucht oder selber baut, gibt es Projekte, die in vorhandenen Wohnquartieren das gemeinschaftliche Miteinander der Bewohner fördern und dort selbstorganisierte Hilfe- und Unterstützungsnetzwerke aufbauen. Das Motto dieser Projekte ist nicht „Gemeinschaft sucht ein Quartier zum Wohnen“ sondern „Wohnquartier sucht Gemeinschaft“. Dies sind oftmals keine speziellen Altenprojekte, sondern Nachbarschaftsvereine, Tauschringe oder Formen der Gemeinwesenarbeit, vielfach gefördert von Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften. Indem sie für vielfältiges Leben im Quartier sorgen, schaffen sie die sozialen Grundlagen für wechselseitige Hilfe der Nachbarn untereinander – denn wer sich kennt, ist auch eher bereit, einander zu helfen.
Wir haben also Wohnformen, die nur besondere bauliche Gegebenheiten bieten (Wohnungsanpassung, barrierefreie Wohnungen), solche, die nur Hilfe und Unterstützung bieten (Betreutes Wohnen im Bestand, Tauschringe und ähnliches) und dann die Formen, die Hilfe und Bauliches in unterschiedlicher Weise miteinander kombinieren(professionell im Betreuten Wohnen und Seniorenresidenzen, selbstorganisiert im Gemeinschaftlichen Wohnprojekten).Neuerdings gibt es auch solche Projekte, die auf eine Vernetzung der in einem Quartier vorhandenen Angebote zielen. Diese quartiersbezogenen Konzepte bauen auf der Erkenntnis auf, dass es vielerorts Quartiere mit einem hohen Anteil älterer Bewohner gibt, sich dort der Bedarf konzentriert und ein vielfältiges, vernetztes Angebot an Wohnmöglichkeiten, Hilfs- bis zu Pflegeleistungen eine adäquate und effiziente Antwort auf diese Situation ist.
Welche Wohnalternativen für das Alter werdem benötigt?
Reicht dieses Spektrum an Wohnalternativen fürs Alter angesichts des demografischen Wandels aus? Die demografische Entwicklung stellt uns vor neue Aufgaben:
1. Der Bedarf an organisierter Hilfe für Ältere wird deutlich steigen.
Hilfsleistungen werden heute vor allem, zu 80% von Familienangehörigen erbracht. Doch während die absolute Zahl der hilfsbedürftigen älteren Menschen steigen wird, schrumpft das familiäre Hilfepotential. Kleinere Familien und die verbreitete Kinderlosigkeit führen dazu, dass eine wachsende Zahl älterer Menschen keine oder nur unzureichende familiäre Unterstützung bei der alltäglichen Lebensführung erhalten kann. Wo solche Hilfe fehlt, braucht es organisierte Hilfsmöglichkeiten – sei es professionell oder selber organisiert.
2. Es werden preiswerte Lösungen benötigt.
Dabei werden in Zukunft preisgünstige Lösungen besonders gefragt sein. Für viele Privathaushalte – gleich welchen Alters - gibt es schon heute zu den Unterstützungsleistungen privater Netzwerke keine wirtschaftliche Alternative. Wenn die Kosten sog. wohnungsnaher Dienstleistungen (Hilfe im Haushalt, Krankenpflege usw.) nicht von einem Träger übernommen werden, bleiben allenfalls in Grenzen die billigere Schwarzarbeit oder die persönliche Hilfe. Wer dies nicht hat, muss so zurechtkommen. Wenn der Einzelne nicht auf die Unterstützung einer sozialen Gemeinschaft bauen kann, und das wird für immer weniger Menschen die Familie sein, werden zuverlässige, stabile Hilfenetze auf Gegenseitigkeit zu einer Notwendigkeit. Auch bei den Wohnkosten werden preisgünstige Lösungen gefragt sein. Die tendenziell sinkende Alterseinkommen der zukünftig in den Ruhestand eintretenden Alterskohorten sowie die angesichts einer stark wachsenden Nachfrage nach Pflegeleisten zu erwartenden Knappheitsprobleme werden immer mehr Ältere nach Wohnformen suchen lassen, in denen Hilfs- und Pflegeleistungen preisgünstig, etwa durch gegenseitige Unterstützung oder gemeinsame gruppenbezogene Lösungen realisiert werden.
Das Spektrum an Wohnalternativen fürs Alter ist noch immer relativ beschränkt. Die neuen quartiersbezogenen Wohnkonzepte stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung. Bekannteren Konzepten, wie das gemeinschaftliche Wohnen, fehlt es dagegen an der Breitenwirksamkeit. Immerhin: Es gibt noch viel Spielraum für die Entwicklung neuer Lösungen durch neue Kombinationen von Wohnformen und der Organisation von Unterstützung.
Findet das Wohnangebot auch zur Nachfrage von Älteren?
Und dann gibt es da noch diesen einen Punkt: Das Angebot muss auch zur Nachfrage finden.
Noch sind den meisten älteren Menschen neben „Wohnen im Heim“ – für die meisten ein Horrorbild - und „Betreutem Wohnen“ - hört sich gut an, was genau ist das? - kaum Wohnalternativen zum „Wohnen bleiben wie bisher“ bekannt. Und leider erreichen Informationen über Wohn- und Hilfsmöglichkeiten ältere Menschen oftmals erst dann, wenn rasch etwas an der Wohn- und Lebenssituation geändert werden muss, wenn Pflege- und Hilfsbedürftigkeit sich ankündigen oder schon eingetreten sind.
Viele erkennen zwar die Notwendigkeit, die persönliche Wohnsituation im Alter frühzeitig zu planen, die Auseinandersetzung mit dem Leben im Alter ist aber für viele Menschen eine unerfreuliche, mit negativen Gefühlen belastete Aufgabe. Die Klärung der eigenen Wohnzukunft wird deswegen hinausgeschoben oder erfolgt bestenfalls oberflächlich.
Dies bedeutet auch, dass Anbieter von Wohn- und Hilfsangeboten ihre Angebotsplanung nur sehr eingeschränkt auf Äußerungen älterer Menschen zu deren Wohnpräferenzen und –bedürfnissen stützen können. Da diese sich oft gar nicht im Klaren darüber sind, was sie wirklich in Anspruch nehmen möchten, klafft bei Befragungen oft eine große Lücke den Wohn- und Hilfsangeboten, die große Zustimmung finden, und den Angeboten, die tatsächlich in Anspruch genommen werden. Eine Erfahrung, die bereits einige Wohnungsgesellschaften machen mussten. Eine Möglichkeit, an diesem Problem zu arbeiten, ist der Einsatz von OWOG, einer in den Niederladen seit über 15 Jahren erfolgreich eingesetzte Moderationsmethode. Ziel des niederländischen OWOG („Over Wonen van Ouderen Gesproken“, zu deutsch „Über das Wohnen von Älteren sprechen“) ist es, Menschen zu ermutigen, sich mit ihrer eigenen Wohnzukunft auseinander zu setzen und aktiv die persönliche Wohn- und Lebenssituation zu gestalten. Hierfür wurde eine spezielle Moderationsmethode – eine Art Kartenspiel- entwickelt, die wir kürzlich in Hessen zusammen mit der Landesfachstelle für Wohnberatung eingeführt haben. In Workshops haben Multiplikatoren wie Sozial- und Altenhilfeplaner, Seniorenbeauftragte, Kommunalpolitiker, Wohnungswirtschaftler, Architekten und Stadtplaner in der OWOG-Moderationsmethode geschult und auf den Einsatz in der Praxis vorbereitet.
Kommunikationsfallen im Thema „Wohnen im Alter“
Grundsätzlich aber muss man sich vor Augen führen, dass „Wohnen im Alter“ ein sehr persönliches und damit heikles Thema ist. Und deswegen lauern dort auch einige Kommunikationsfallen.
Man darf zum Beispiel nicht dem Irrtum verfallen, dass der Zuspruch, den man für ein Vorhaben zu Gunsten der Älteren erfährt, gleichbedeutend ist mit einer Nachfrage danach. Wenn ein Mitsiebziger ein Bauvorhaben mit Wohnungen für ältere Menschen unterstützt, dann bedeutet das keineswegs, dass er darin auch eine Wohnmöglichkeit für sich selbst sieht. Mit älteren Menschen sind, sprachlich ja ganz korrekt, immer die anderen gemeint. Nämlich die, die älter und gebrechlicher sind als der Sprecher.
Damit landet man in einer kommunikativ paradoxen Situation: Alle wollen den Älteren Fürsorge und Hilfe zuteilwerden lassen, aber niemand möchte zu denen gehören, denen etwas Gutes getan wird. Man sitzt in einer Kommunikationsfalle.
Ein Weg aus dieser Falle besteht darin, die Sache selbst und nicht die Zielgruppe der Älteren in den Vordergrund zu stellen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber vielen fällt es leichter, zur „kleinen Portion“ zu greifen, als beim Ober den Seniorenteller zu bestellen. Und außerdem: Warum können nicht auch Menschen unter 60 eine kleinere Portion bekommen?
Genau darum geht es: Unnötige Erschwernisse im Alltag beseitigen und sichere und bequeme Lebensräume für Menschen jeden Alters zu schaffen.
Der Autor: Dr. Tobias Robischon ist Wissenschaftlicher Referent der Schader-Stiftung. Der Artikel basiert auf einem Vortrag des Autors vor dem 17. Altenparlamens des Landtags Schleswig-Holstein am 9. September 2005 in Kiel.
1 Schneekloth, Ulrich et al., 1996: Hilfe- und Pflegebedürftige in privaten Haushalten. BMFSFJ Schriftenreihe 111.2. Kohlhammer: Stuttgart, S. 111.
2 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2001: Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation. Bundestags-Drucksache 14/5130, S. 14.
3 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1998: Zweiter Altenbericht. Wohnen im Alter. Bundestags-Drucksache 13/9750, S. 94f.
4 Heinze, Rolf G. et al., 1997: Neue Wohnung auch im Alter. Folgerungen aus dem demographischen Wandel für Wohnungspolitik und Wohnungswirtschaft. Schader-Stiftung: Darmstadt, S.17.
5 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2001: Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation. Bundestags-Drucksache 14/5130, S. 249.