Wohnformen im Alter - Betreutes Wohnen
Artikel vom 30.06.2006
Das Betreute Wohnen ermöglicht es, selbständig in einer eigenen Wohnung zu leben und trotzdem bei Bedarf schnell Hilfe und Pflege zu erhalten. Zusätzlich zum Mietvertrag schließen die Bewohner einen Betreuungsvertrag ab, der ihnen für eine monatliche Pauschale bestimmte Betreuungsleistungen zusichert. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, gegen weitere Bezahlung sogenannte Wahlleistungen in Anspruch zu nehmen. Von Renate Narten
Verbreitung der neuen Wohnform
Das Betreute Wohnen tauchte erstmals Mitte der 1980er Jahre als neues Wohnmodell auf. Vielen Menschen schien es die ideale Lösung für die Wohnversorgung älterer Menschen zu sein, da es Selbständigkeit und gesicherte Hilfe bei Bedarf kombiniert. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde das Betreute Wohnen als lukrative Seniorenimmobilie gepriesen. Die ersten Projekte, die auf den Markt kamen, konnten überdurchschnittliche Renditen erzielen, weil die älteren Menschen bereit waren, für die gebotene Betreuungssicherheit auch einen überdurchschnittlichen Miet- oder Kaufpreis zu akzeptieren. Diese erste Euphorie über das Betreute Wohnen währte aber nicht lange. Schon in der Mitte der 1990er Jahre gab es die ersten Leerstände in den hochpreisigen Anlagen. Die Investoren wurden vorsichtiger und ließen Marktanalysen anfertigen, bevor sie sich an ein neues Projekt heranwagten. Dennoch wurde die zweite Hälfte der 1990er Jahre zu einer Hochzeit des Betreuten Wohnens.
Ende der 1990er Jahre hatte sich eine gewisse Normalisierung des Betreuten Wohnens eingestellt. Grundlegende Strukturprinzipien hinsichtlich der Versorgung mit Wohnungen, Gemeinschaftsräumen, Betreuungs- und Dienstleistungen hatten sich etabliert, und man akzeptierte, dass es eine große Vielfalt möglicher Ausgestaltungen dieser Grundprinzipien gab. Es hatte sich gezeigt, dass die Vermarktungschancen stark nach Angebotstyp und Standort differieren. Hochpreisige Anlagen wurden statistisch gesehen wenig nachgefragt, konnten aber an einem bestimmten Standort, wie etwa Bad Oeynhausen oder Berlin, und mit entsprechender Qualität durchaus gute Vermarktungschancen haben. Anlagen im sozialen Wohnungsbau und preisgünstige frei finanzierte Wohnungen wurden statistisch betrachtet stärker nachgefragt - waren aber angesichts zunehmender Konkurrenz bei der Vermarktung in immer stärkerem Maße von Standortfaktoren und der Qualität des Wohnungs- und Dienstleistungsangebots abhängig.
Konzeptionelle Vielfalt
Die ersten Projekte des Betreuten Wohnens orientierten sich in Raum- und Versorgungsstruktur noch stark an der damals vorherrschenden Dreigliedrigkeit der Sonderwohnformen für alte Menschen: Wohnheim, Altenheim, Pflegeheim. Der Wohnstandard des Wohnheims sollte kombiniert werden mit dem Versorgungsstandard eines Alten- oder Pflegeheims. So verfügt das bekannte Stuttgarter Pilotprojekt „Haus am Weinberg“ hauptsächlich über Eineinhalb- oder Zwei-Zimmer-Wohnungen mit Kochnische, und die Bewohner konnten anfangs zwischen drei Servicepaketen mit der Bezeichnung „Wohnheim-Charakter“, „Altenheim-Charakter“ und „Pflegeheimcharakter“ wählen (Berger/Gerngroß 1996).
Bei vielen Projekten, die in dieser Anfangsphase des Betreuten Wohnens entstanden, war das Vorbild des Heimes deutlich zu erkennen. So bietet das Hauptgebäude des Betreuten Wohnens „WIR - Wohnen im Ruhestand“ in Fallersleben ausschließlich Ein-Zimmer-Appartments von 32 qm Wohnfläche. Im Eingangsbereich des Hauses befinden sich Schwesternzimmer, Speisesaal und Kurzzeitpflege, und im ganzen Haus war anfangs weißbekitteltes Personal anzutreffen.
Zugleich gab es von Anfang an auch Projekte, die den Wohncharakter und die Integration in eine Quartiersnachbarschaft im Vordergrund stellen. Zu diesen Projekten gehören zum Beispiel das Integrierte Wohnen München-Nymphenburg (Brech 1990) und das Integrierte Wohnen Neu Isenburg (Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 1995). In diesen Projekten werden die pflegerischen Leistungen nicht im Gebäude selbst vorgehalten, sondern durch ambulante Dienste erbracht, die bei Bedarf von einer vor Ort anwesenden Präsenzkraft vermittelt werden. Diese Präsenzkraft verbringt einen Teil ihrer Arbeitszeit mit Freizeitangeboten für alle Bewohner des Wohnviertels, um die soziale Integration der älteren Menschen in ihre Nachbarschaft zu unterstützen.
Nach der Wiedervereinigung entwickelte sich im Osten Deutschlands eine weitere Form des Betreuten Wohnens, bei der vor allem höhergeschossige Plattenbauten zu Betreuten Wohnanlagen umgerüstet wurden. Prominente Beispiele hierfür sind das Punkthochhaus in Grimma (Schauerte 1998:242ff.), das betreute Wohnen in Weimar-Nord (Wüstenrot Stiftung 2000) und das Betreute Wohnen in Halle-Trotha (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2000). In allen drei Fällen wurden ein oder mehrere Punkthochhäuser, die aufgrund der geringen Wohnungsgrößen (vorwiegend Ein-Raum-Wohnungen) schon zu DDR-Zeiten vorrangig von älteren Menschen bewohnt waren, durch Umbaumaßnahmen und Integration von Dienstleistungen zu Betreuten Wohnanlagen umfunktioniert (Baasch 1999). Die Betreuung wurde häufig mit einem hohen Einsatz an ABM- und SAM-Kräften gewährleistet, wodurch die Kosten der Betreuung gering gehalten werden konnten.
1996 erschien die erste bundesweite Projektdokumentation, die angesichts der schnellen Ausbreitung der neuen Wohnform bereits 1999 aktualisiert werden musste (LBS 1996 und 1999). Von 3600 erfassten Projekten des „Wohnens mit Service“, so der Titel der Projektdokumentation, wurden 1200 Anlagen mit ihren Grunddaten beschrieben sowie vergleichende Preis-Leistungs-Analysen durchgeführt. Zwischen 1995 und 1999 vergrößerte sich die Vielfalt der Projekte, insbesondere waren mehr kleinere, auf die lokale Nachfrage gerichtete Anlagen entstanden.
Es wurden verschiedene Versuche unternommen, die Vielfalt der Projekte in Kategorien zusammenzufassen. Das Institut für qualitative Marktforschung, Struktur- und Stadtforschung GmbH empirica unterscheidet fünf Grundtypen des Betreuten Wohnens. Danach finden sich am häufigsten so genannte heimverbundene Anlagen, die eine Versorgung bis zum Tod gewährleisten (35 Prozent). An zweiter Stelle stehen Anlagen mit einem Servicebüro, das externe Dienstleistungen vermittelt (26 Prozent), dicht gefolgt von solchen Anlagen, in die ein Betreuungsstützpunkt (zum Beispiel Sozialstation oder Stützpunkt eines ambulanten Pflegedienstes) integriert ist (21 Prozent). Einen relativ hohen Anteil nehmen mit 15 Prozent auch die sogenannten Seniorenresidenzen und Wohnstifte ein. Die restlichen 3 Prozent der Projekte werden unter Sonstige zusammengefasst (empirica-Datenbank, Stand 1999).
Markttransparenz und Qualitätssicherung
Die Unterschiedlichkeit der Konzepte erschwert es interessierten älteren Menschen, das für sie richtige Angebot auf dem Markt zu finden. Auch die unterschiedlichen Bezeichnungen der Anlagen wie zum Beispiel „Betreutes Wohnen“, „Service Wohnen“, „Begleitetes Wohnen“ oder „Wohnen plus“ helfen nicht weiter, da die Begriffswahl sich vorwiegend am Geschmack des Betreibers oder den vermuteten Vermarktungschancen orientiert. Allgemeinverbindliche Begriffsdefinitionen gibt es nicht.
Hinzu kommt, dass auch die abzuschließenden Miet- und Betreuungsverträge häufig nicht präzise formulieren, welche Leistungen für die zu entrichtenden Grundpauschalen zu erwarten sind und ob die angebotenen Räumlichkeiten tatsächlich einen barrierefreien Standard bieten. Bei den von empirica dokumentierten Projekten zeigte sich mit Stand 2002 eine Kaltmietpreis-Spanne von 4,10 bis 21,50 Euro/qm, die Preise für die Betreuungspauschale schwankten zwischen 16,40 und 562 Euro monatlich für eine Einzelperson. Die Preisspannen sind teilweise so erheblich, dass öfters kein Zusammenhang mehr zwischen dem Umfang der erbrachten Leistungen und der Höhe des Preises zu erkennen ist. Allerdings liegen 75 Prozent der Kaltmieten unter 10 Euro/qm und 75 Prozent der Betreuungspauschalen für Einzelpersonen unter 100 Euro/Monat (Bultmann 2003).
Immer wieder tauchen jedoch in den Medien Fälle auf, bei denen von unangemessen hohen Preisen oder einem schlechten Preis-Leistungs-Verhältnis die Rede ist. Um solche schwarzen Schafe vom Markt zu verdrängen und insgesamt eine bessere Markttransparenz und gesicherte Qualität im Betreuten Wohnen zu erreichen, entstanden vielerorts Initiativen zur Entwicklung von Qualitätsstandards im Betreuten Wohnen. Als erstes brachte das Land Baden-Württemberg 1995 ein landesweites Qualitätssiegel auf den Markt, das klare Ansprüche an die Räumlichkeiten einer Betreuten Wohnanlage und an die gebotenen Dienstleistungen formulierte. Auch wenn in der Folgezeit nur wenige Anlagen dieses Siegel erwarben, so wurde damit doch ein Qualitätsmaßstab gesetzt, an dem sich in Zukunft viele weitere Initiativen orientierten. In der Zwischenzeit gibt es Qualitätssiegel auch in andern Bundesländern. Viele Verbraucherverbände und Kommunen halten Checklisten vor, mit denen interessierte Menschen die vorhandenen Wohnanlagen in ihrer Umgebung hinsichtlich der angebotenen Leistungen und Preise vergleichen und bewerten können. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer verbesserten Qualitätssicherung ist die Entwicklung einer DIN-Norm zum Betreuten Wohnen, die seit Mitte 2002 in Arbeit ist.
Wer zieht ins Betreute Wohnen?
Das Betreute Wohnen wird von den meisten Menschen als Alternative zum Heim betrachtet. Aus diesem Grund erfolgt ein Umzug oft erst in fortgeschrittenem Alter, wenn bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen vorhanden sind (Engels 2001). So wurde festgestellt, dass 80 Prozent der älteren Menschen beim Einzug in eine Betreute Wohnanlage unter dauerhaften Beschwerden leiden. 72 Prozent haben Geh- und Bewegungsbeschwerden, etwa zwei Drittel Herz-Kreislaufprobleme, rund 50 Prozent leiden unter Einschränkungen der Hör- oder Sehfähigkeit. Das durchschnittliche Einzugsalter liegt nach einer Untersuchung in Augsburg bei 78 Jahren, der Frauenanteil beträgt ungefähr 80 Prozent. Zum größten Teil, bei annähernd 80 Prozent, handelt es sich um alleinstehende Personen (siehe Saup 2001:18ff.).
Bei den Einzugsmotiven steht die gesundheitliche Vorsorge an oberster Stelle. In vielen Fällen sind die älteren Menschen bei ihrem Einzug auch bereits auf hauswirtschaftliche oder pflegerische Hilfen angewiesen. Nach einer in Baden-Württemberg durchgeführten Untersuchung haben 17 Prozent der Bewohner des Betreuten Wohnens einen regelmäßigen Pflegebedarf im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Etwa ein Drittel litt vor dem Einzug unter Einsamkeitsproblemen und erhoffte sich in der neuen Wohnumgebung mehr Geselligkeit. 93 Prozent der Bewohner des Betreuten Wohnens wünschen sich, bis zum Lebensende in der Einrichtung bleiben zu können (Kremer-Preiß 2001:11f.).
Wie groß ist der Bedarf?
Der Bedarf für betreute Wohnanlagen lässt sich schwer schätzen, weil keine Anhaltspunkte darüber vorhanden sind, wie viel Prozent der älteren Bevölkerung realistisch am Betreuten Wohnen interessiert sind. Bisher wird meist eine anzustrebende Versorgungsrate von zwei bis drei Prozent je 100 über 65jährige genannt. Das entspricht in etwa dem bisherigen Versorgungsgrad mit Altenwohnungen. 2002 ergab eine Erhebung nach Gemeindegrößenklassen, dass vor allem Großstädte gut mit betreuten Wohnanlagen versorgt waren, während das Angebot im ländlichen Raum weit unter dem Durchschnitt lag (Bultmann u.a. 2003).
Standortqualitäten und Raumangebot
Als idealer Standort für das Betreute Wohnen wird eine ruhige, aber dennoch zentrale Lage - möglichst in der Nähe der bisherigen Wohnung - angesehen, bei der die wichtigsten Einrichtungen des täglichen Bedarfs fußläufig zu erreichen sind. In einer Befragung des Instituts für angewandte Verbraucherforschung (IFAV) wurden von Bewohnern des Betreuten Wohnens folgende Standortqualitäten genannt (Engels 2001:29):
90 % - ruhige Wohnlage
83 % - Nähe zum Arzt / zur Apotheke
79 % - Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten
78 % - Nähe zu Grünanlagen
72 % - gute Verkehrsanbindung
57 % - Nähe zur Naherholung / zu Freizeitmöglichkeiten
49 % - Nähe zur gewohnten Umgebung
27 % - geschäftige Wohnlage
23 % - Nähe zum Friedhof
Nach Saup (2000:123) sind Einraumwohnungen in Betreuten Wohnanlagen unbeliebt und deshalb am ehesten von Leerstand betroffen. Nachgefragt würden vor allem Eineinhalb- und Zwei-Zimmer-Wohnungen. Die nachgefragte Wohnungsgröße hänge stark vom Preisniveau der Anlage ab. Die subjektive Zufriedenheit sei am größten, wenn die Wohnungen mindestens 55 qm Wohnfläche aufweisen.
In einer 1998 durchgeführten Untersuchung von 254 Betreuten Wohnanlagen in Baden-Württemberg waren die allermeisten Anlagen mit einem zentralen Gemeinschaftsraum (87 Prozent), einem zentralen Wäsche- und Trockenraum (86 Prozent) und einem Büro und Besprechungsraum für die Betreuungskraft (72 Prozent) ausgestattet. Nur in 65 Prozent der Anlagen gab es ein Gemeinschaftsbad, in 46 Prozent der Fälle war ein Therapie- und Gymnastikraum vorhanden, 39 Prozent der Anlagen verfügten über einen Werk- und Hobbyraum, 50 Prozent der Anlagen besaßen eine Cafeteria. Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste waren in 35 Prozent der Fälle vorhanden.
Die Ausstattung mit Gemeinschaftsräumen ist in hohem Maße davon abhängig, in welchem Preissegment eine Wohnanlage auf den Markt gebracht werden soll. Als Minimalausstattung gilt:
- Gemeinschaftsraum mit Kochgelegenheit und Terrasse
- Büroraum für die Betreuungskraft
- nach Möglichkeit Gästezimmer oder Gästewohnung.
Betreuungs- und Serviceangebot
Bei den Betreuungsleistungen wird grundsätzlich unterschieden zwischen
Grundservice, für den eine monatliche Pauschale zu entrichten ist, sowie dem Wahlservice, der nach in Anspruch genommener Leistung individuell abgerechnet wird.
Bei der Vertragsgestaltung muss auf die im Heimgesetz1 genannten Abgrenzungskriterien des Betreuten Wohnens zum Heim geachtet werden. Fällt eine Betreute Wohnanlage unter das Heimgesetz, gilt also rechtlich als Heim, und dann müssen die Vorschriften des Heimgesetzes zur baulichen Gestaltung, zum Betreuungspersonal und zur Bewohnermitbestimmung eingehalten werden. Das Heimgesetz lässt eine vertragliche Verpflichtung zur Abnahme von Betreuungsleistungen im Betreuten Wohnen nur dann zu, wenn es sich lediglich um „allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen“ handelt „und das Entgelt hierfür von untergeordneter Bedeutung ist“ (§ 1 Abs.2 HeimG). Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, dass die Grundpauschale nicht mehr als 20 Prozent der monatlichen Miete betragen darf.
Es wird daher empfohlen, die mit der Betreuungspauschale zu zahlenden Grundleistungen auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Hierzu gehören:
- Anschlussmöglichkeit für eine Hausnotrufanlage
- Sprechzeiten des Betreuungspersonal
- Zugehende Beratung
- Vermittlung von Diensten
- Verwaltung des Gemeinschaftsraums, Koordinierung ehrenamtlicher Aktivitäten.
Das Kuratorium Deutsche Altershilfe und der Deutsche Mieterbund haben Empfehlungen zur vertraglichen Gestaltung von Grundleistungen gegeben, bei denen zwischen einem verbindlichen Basispaket und zusätzlich optional pauschal zu vergütenden Servicepaketen für Sicherheit und Soziales unterschieden wird (KDA 2001). Damit soll den unterschiedlichen Bedürfnislagen der Bewohner entsprochen werden. Einige sind vor allem aus Sicherheitsgründen in die Anlage gezogen, für andere spielt das soziale Leben eine wichtigere Rolle.
Neben der Abgrenzung zum Heimgesetz besteht eine weitere rechtliche Unsicherheit in Bezug auf die Kündbarkeit der Betreuungsverträge. In zwei Gerichtsurteilen wurde bereits entschieden, dass Betreuungsverträge im Betreuten Wohnen als normale Dienstleistungsverträge zu werten sind, für die die Kündigungsbestimmungen nach § 11 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz)2 gelten. Hiernach sind Bewohner des Betreuten Wohnens berechtigt, spätestens am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats den Servicevertrag zu kündigen. Darüber hinaus dürfen nach dieser gesetzlichen Regelung Dienstleistungsverträge nur für eine Dauer von maximal 2 Jahren abgeschlossen werden (Kremer-Preiß 2001:62). Das Kuratorium Deutsche Altershilfe und der Deutsche Mieterbund empfehlen daher den Betreibern betreuter Wohnanlagen, die Betreuungsverträge auf einen Zeitraum von 2 Jahren zu befristen.
Entwicklungsperspektiven
Auch wenn der große Boom des Betreuten Wohnens vorbei ist, entstehen doch weiterhin kontinuierlich neue Anlagen und es wird - aufgrund der zunehmenden Zahl älterer Menschen – mit einer weiterhin steigenden Nachfrage nach betreuten Wohnformen zu rechnen sein. Unklar ist allerdings, welche Konzepte in Zukunft nachgefragt werden. Auf der einen Seite wird davon ausgegangen, dass eine verbesserte Versorgung in den vorhandenen Wohnungen dazu führt, dass ältere Menschen erst bei erhöhtem Hilfe- und Pflegebedarf in das Betreute Wohnen überwechseln. Für diese Menschen werden unter dem Begriff des „Pflegewohnens“ bereits Konzepte realisiert, die den Pflegecharakter der Anlage in den Vordergrund stellen. Auf der anderen Seite wird erwartet, dass die informellen Hilfenetze alter Menschen künftig schwächer sind und daher schon früher der Wunsch nach einer sicheren und kontaktfördernden Wohnform besteht. Für diese Nachfragegruppe wäre dann ein stärker am normalen Wohnen orientiertes Angebot das Richtige. In jedem Fall ist aber damit zu rechnen, dass auch weiterhin neue Formen des Wohnens mit Betreuung entstehen werden.
Die Autorin: Dr.-Ing. Renate Narten M.A. ist Architektursoziologin. Sie gründete 1996 das Büro für sozialräumliche Forschung und Beratung in Hannover mit dem Arbeitsschwerpunkt „Wohnen im Alter“.
Literatur
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- Zwischen 2008 und 2012 wurde in fast allen Bundesländern das Heimgesetz des Bundes durch Landesgesetze abgelöst. Jedes dieser neuen heimrechtlichen Gesetze regelt, unter welchen Voraussetzungen Angebote des Betreuten Wohnens und des Service-Wohnens in den Geltungsbereich des jeweiligen Gesetzes einbezogen sind.
- 2002 wurden die materiell-rechtlichen Vorschriften des AGB-Gesetzes in §§ 305 - 310 BGB überführt. Für Verträge, die eine Wohnraumüberlassung nicht nur mit allgemeinen Unterstützungsleistungen, sondern mit Pflege- und weitergehenden Betreuungsleistungen kombinieren, gilt seit 2009 das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG).