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Jobs für Afrika? Erneuerbare Energien, Agrarwirtschaft und Bevölkerungsentwicklung neu zusammen denken

Artikel vom 24.10.2014

Foto: Kate Holt/AusAID

Die Mehrheit der Bevölkerung in Subsahara-Afrika lebt im ländlichen Raum und verdient ihren Lebensunterhalt als Kleinbauern oder Tagelöhner. Dennoch produziert kaum ein Land dieser Region genügend Lebensmittel, um die eigene Bevölkerung zu versorgen. Zudem mangelt es allerorts an einer zuverlässigen Energieversorgung, welche die Grundlage für eine gewinnbringende Weiterverarbeitung von landwirtschaftlichen Primärprodukten wäre.

Weltweit größtes Bevölkerungswachstum in Subsahara-Afrika

Dieser Sachverhalt ist der Ausgangspunkt von Überlegungen des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, das die drei Themen Einsatz erneuerbarer Energien, Entwicklung der Agrarwirtschaft inklusive der nachgelagerten Wertschöpfungsketten und Bevölkerungsentwicklung zusammendenken und dadurch einen neuen Ansatz für die Zukunft Afrikas entwickeln möchte. Am 10. Oktober 2014 lud die Schader-Stiftung gemeinsam mit der Software AG Stiftung und dem Berlin Institut ins Schader-Forum ein, um diese Thesen in einem Kreis von Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis zu erörtern.

Subsahara-Afrika ist die Region der Welt mit dem größten Bevölkerungswachstum. Die natürliche Wachstumsrate in Zentralafrika beträgt im Jahr 2014 3,0%, bei einer Gesamtfertilitätsrate von 6,1. Die Daten von West- und Ostafrika liegen mit einer Wachstumsrate von 2,7% sowie einer Gesamtfertilitätsrate von 5,4 beziehungsweise 6,1 in einem ähnlich hohen Bereich. (siehe www.prb.org)  Die Bevölkerung in Subsahara-Afrika wird sich bis zu dem Jahre 2050 verdoppeln und in manchen besonders armen Ländern, wie zum Beispiel dem Niger, sogar verdreifachen. Weiter ist zu beobachten, dass das Bevölkerungswachstum in ländlichen Regionen wesentlich stärker als in urbanen Regionen ist. Das starke Bevölkerungswachstum führt bei der dort vorherrschenden kleinbäuerlichen Produktionsweise und Realerbteilung zu immer kleineren landwirtschaftliche Parzellen. Schon jetzt sind die Hauptimportgüter Afrikas Lebensmittel und Energie.

Süd-Korea befand sich in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in einer ähnlichen Situation. Das Land profitierte jedoch zwischen den 1970er und 1990er Jahren stark von einer demographischen Dividende/typo3/: Die Veränderung der Altersstruktur des Landes durch eine geringere Geburtenrate entfaltete wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen. Ein rascher Geburtenrückgang sorgte für einen niedrigeren Abhängigenquotienten, es entfielen somit auf jede Person im erwerbstätigen Alter weniger junge und alte Personen außerhalb des Erwerbstätigenalters. In Kombination mit einem höheren Bildungsniveau sowie einer steigenden Anzahl an Arbeitsplätzen führte dies zu einer deutlichen Wohlstandssteigerung.

Strom ist Mangelware

Strom ist in Subsahara-Afrika Mangelware, gerade einmal 50% der Haushalte haben einen Stromanschluss. Der Energiemangel zieht Folgeprobleme nach sich: Die wachsende Bevölkerung nutzt Holz zum Kochen und Heizen, was großflächig zur Entwaldung führt. Ohne Bäume ist der Boden aber nicht mehr in der Lage Wasser zu speichern, das Wasser wird somit knapp und als Konsequenz die fossilen Wasserspeicher überstrapaziert. Die Region verfügt allerdings über ein erhebliches, bislang ungenutztes Potential für eine Energieerzeugung aus Sonne, Wind, Geothermie und Wasser. Neben den ökologischen Vorteilen ist der Hauptvorteil dieser Energiequellen ihre dezentrale Verfügbarkeit. Zum einen kann so auf den Bau aufwendiger Stromtrassen verzichtet werden, zum anderen müssen keine Betriebsstoffe wie Gas, Öl oder Kohle in ländliche Regionen transportiert werden.

In Subsahara-Afrika liegt über die Hälfte des weltweit verfügbaren Agrarlandes, wobei die Flächen zu großen Teilen nur schwach genutzt werden. Von der extensivierten, vor allem aber intensivierten Nutzung dieses Agrarlandes wird eine Lösung der Ernährungs- und Arbeitsmarktprobleme erhofft. Die Landwirtschaft ist der größte „Arbeitgeber“ in Subsahara-Afrika, der Großteil der Bevölkerung betreibt Subsistenzwirtschaft. Wertschöpfungsketten für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind kaum vorhanden, denn es fehlt die breite Verfügbarkeit von Elektrizität. Aus Mangel an Energie und Technik kann der Ernteertrag kaum gekühlt, gelagert oder weiterverarbeitet werden. Transporte sind langwierig und relativ teuer, so dass die Agrarprodukte nur auf lokalen und regionalen Märkten abgesetzt werden können. Zudem stehen die einheimischen Erzeugnisse gerade in den Ballungsregionen mit günstigerer Ware aus dem Ausland, wie Reis aus Asien oder subventionierten Agrarprodukten aus der EU in Konkurrenz. Neben dem Energiemangel ist der Mangel an erweiterten Absatzmärkten das Hauptproblem für die Entwicklung der Landwirtschaft.

Erhebliche Entwicklungsimpulse könnten, so eine These, von der Unterstützung der Kleinbauern ausgehen. Gerade die erneuerbaren Energien bergen ein interessantes Potential für die Agrarproduktion und die Verwertung ihrer Produkte. Zur Unterstützung der Kleinbauern bedarf es des Wissenstransfers sowie das Bereitstellen von Technologien wie Maschinen und Bewässerungssystemen als auch von Produktionsmitteln wie Dünger und Saatgut.

Jobpotential der Landwirtschaft

Eine reine Mechanisierung der Landwirtschaft ohne Ausbau der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten wird jedoch vorrausichtlich zu umfangreichen Arbeitsplatzverlusten führen. In welchem Umfang Produktivitätssteigerungen der Landwirtschaft Arbeitskräfte freisetzen, zeigt ein Vergleich: Ende des 19. Jahrhunderts haben in den USA ca. 75% der Bevölkerung in der Landwirtschaft gearbeitet. Heute liegt der Anteil bei 2-3%. Eine ähnliche, wenn auch nicht so extreme, Entwicklung ist in Südkorea seit den 1960er Jahren zu beobachten. Zwischen 1960 und 2005 ist der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten von über 30% auf unter 5% zurückgegangen. In den Least Developed Countries arbeiten derzeit 65% der Bevölkerung in der Landwirtschaft. In gesamt Subsahara-Afrika sind es 57% der Bevölkerung.

Die Produktivität pro Person in Subsahara-Afrika liegt bei nur 7-8% des EU-Durchschnitts. Der bisher konstant niedrige Export von verarbeiteten Gütern legt nahe, dass in durch einen Ausbau der Wertschöpfungskette ein hohes, bislang ungenutztes Job-Potential erschlossen werden kann. Dieses Job-Potential wird von der McKinsey-Studie Africa at Work auf 8 Millionen Arbeitsplätze im Agribusiness, 6 Millionen in der Intensivierung der vorgelagerten Wertschöpfungskette und auf weitere 8 Millionen in der nachgelagerten Wertschöpfungskette geschätzt. „Jobs für Afrika“ verlangt somit neben einer Modernisierung der Landwirtschaft eine umfassende Strategie der Entwicklung der Wertschöpfungsketten in Verbindung mit einem Ausbau der Infrastruktur (Transport, Energie) und Verbesserung der Bildung.

Ein neuer Entwicklungspfad?

Oft wird in diesem Kontext der asiatische Entwicklungsweg als mögliches Vorbild für eine Strategie für Afrika angeführt. Allerdings haben sich asiatische Staaten auf ganz unterschiedlichen Wegen entwickelt, zudem sind heute die nationalen und globalen Rahmenbedingungen verschieden. Eine protektionistische Politik zur Förderung der heimischen Industrie um sie auf Weltmarktniveau wettbewerbsfähig zu machen, ist im Kontext des von der WTO seit 1994 organisierten globalen Freihandels kaum noch möglich. Auch sind viele Felder der Wirtschaft bereits von globalen Anbietern besetzt, gegenüber denen sich erst entwickelnde Industrien kaum konkurrenzfähig wären. Auf den afrikanischen Märkten dominieren heute chinesische Waren.

Ein neuer Entwicklungsweg könnte über den Einsatz der erneuerbaren Energien entstehen, mit denen trotz schwach ausgebauter Verkehrs- und Netzinfrastruktur die Stromversorgung in der Fläche aufgebaut werden könnte. Diese Elektrifizierung der ländlichen Räume würde die Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte erleichtern und dabei helfen, nachfolgende Wertschöpfungsketten zu etablieren. Darüber hinaus sind die Unabhängigkeit von Tageslicht sowie der Zugang zu neuen Kommunikationsmedien wichtige Bildungsfaktoren. Auch für die Gesundheitsversorgung gewinnt stark von einer verlässlichen Stromversorgung. Insgesamt sind Ernährungs- und Einkommenssicherheit in Verbindung mit einem höheren Bildungs- und Gesundheitsniveau wesentliche Grundlagen für ein Sinken der Fertilitätsrate und damit für das Entstehen einer demographischen Dividende.

Ein solcher Entwicklungspfad sei vielversprechend, so die Afrikaexperten auf dem Treffen, doch seine Erfolgsaussichten könne man noch nicht beurteilen. Dazu müssten noch viele Teilaspekte näher beleuchtet werden, zum Beispiel: Welche der erneuerbaren Energien können welchen Beitrag zur Steigerung der Agrarproduktion leisten? Wie kann eine Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft zu mehr Beschäftigung führen? Wie entstehen alternativen Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Menschen, die ihre Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verloren haben? Welche Märkte können zum Absatz der erzielten Agrarüberschüssen erschlossen werden? Ist es bei den gegebenen sonstigen Rahmenbedingungen wie dem aktuellen Bildungsstand, der Arbeitslosenquote, dem Zustand des Gesundheitssystems theoretisch möglich, eine demografische Dividende zu erzielen? Sind überhaupt ausreichend valide Daten verfügbar?

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung wird die Debatte über die Entwicklungsperspektiven und Bevölkerungsdynamik Afrikas weiterführen.

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