Filtern Sie im Bereich "Themen"

Thema
  • Gemeinwohl und Verantwortung
  • Demokratie und Engagement
  • Nachhaltige Entwicklung
  • Vielfalt und Integration
  • Kommunikation und Kultur
  • Stadtentwicklung und Wohnen
  • Demographie und Strukturwandel

Zur Filterung muss mindestens ein Thema ausgewählt sein.

Fokus
Zeitraum
Was bewegt Sie?

Sie haben offene Fragen? Anregungen? Ideen?

Wir kommen gerne mit Ihnen ins Gespräch. Bitte hinterlassen Sie das, was Sie bewegt, im Schader-Dialog.

Praxisakteure in der transdisziplinären Forschung

Artikel vom 08.12.2022

Wie sieht eine gelungene Zusammenarbeit mit Praxisakteuren in einem transdisziplinären Forschungsprojekt aus? Bettina Brohmann blickt zurück auf eine Veranstaltung im Rahmen der Darmstädter Tage der Transformation 2021, die genau diese Frage klären sollte. 

Herausforderungen im transdisziplinären Forschungsanstatz

Will man gesellschaftliche Veränderungsprozesse untersuchen, begleiten oder mitgestalten, setzt man zunehmend auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Partner*innen aus Wissenschaft und Praxis. Herausforderungen eines solchen transdisziplinären Forschungsansatzes werden in der wissenschaftlichen Community aktuell viel diskutiert (Lam et al. 2021). Dabei schaut man auch auf die Anforderungen einer gelingenden Kooperation:  Welche Ziele verbinden verschiedene Akteure mit ihrer Mitwirkung in transdisziplinären Forschungsprojekten? Wie sehen erfolgreiche Projekte für Praxispartner*innen und Wissenschaft aus?

Im Rahmen der Darmstädter Tage der Transformation veranstaltete die Schader Stiftung mit Partner*innen aus dem s:ne Vorhaben[1] am 18.3.2021 einen Workshop, der diesen Fragen nachgehen und vor allem die Perspektive von Praxisakteuren aus Unternehmen, Politik und Verwaltung bei ihrer Mitwirkung in Forschungsprojekten der Stadtentwicklung diskutieren wollte (vgl. Bernhard et al. 2021).

Ziele und Erfolge

Impulse zu den Themen aus der Praxis und Co-Statements aus der Wissenschaft regten die Diskussion in wechselnden Kleingruppen an. Dabei wurden zentrale Erfolgsbedingungen und Herausforderungen identifiziert.

So wurde für den Bereich der Unternehmen herausgearbeitet, dass eine „andere“ Unternehmenskultur gebraucht werde, die den Mitarbeiter*innen vor allem mehr zeitliche Ressourcen und Freiräume für das Lernen in Kooperationsprojekten zubillige. Aktuelle Forschung zu transformativer Governance zeigt, dass diese Prozesse auch der Resonanz im Unternehmen und Erfahrung im Umgang mit individueller, kollektiver oder organisationaler Veränderung des Wissens und Verhaltens bedürfen (Mbah & Brohmann 2021).

Für Kommunen erscheint eine strikte Unterscheidung von Wissenschaft und Praxis wenig stimmig. Sie entspricht häufig nicht der Arbeitsrealität und Selbstbeschreibung der Akteure, da viele Praktiker*innen selbst mit wissenschaftlichem Hintergrund zur Transformation arbeiten und ihre Kenntnisse angemessen einbringen möchten, um zu einer Veränderung (transformative literacy; Schneidewind et al. 2018) beitragen zu können. Die Begriffe ,,Forschungspraktiker*in" und ,,Praxisforscher*in" wurden von den Workshopteilnehmenden hier als zutreffender bezeichnet. Dabei sei die Fähigkeit, sich aufeinander einzulassen, Projektsituationen flexibel zu gestalten und nicht jede Methode starr anzuwenden, ein Erfolgsfaktor in der Zusammenarbeit. Insbesondere die Möglichkeit, neue Formate der Partizipation zu erproben und zu reflektieren (Brohmann, Jünger & Tilsner 2019), wird als ein großer Mehrwert gesehen.

Beide Akteursgruppen sehen es auch als Ziel an, jeweils nicht auf die Rolle als Wissensträger*innen oder Entscheider*innen reduziert zu werden, sondern mit ihrem Interesse an neuen Impulsen besser wahrgenommen zu werden. Dies kann in vielfacher Weise durch gemeinsam entwickelte Umsetzungsschritte unterstützt werden. Auch ein Austausch zwischen Akteuren aus verschiedenen Sektoren und Projekten hilft bei Vernetzung und Wirksamkeit. In der Diskussion wurde auf die Herausforderung des Umgangs mit dem Hinterfragen einer gegenwärtigen Praxis und gleichzeitig notwendiger Legitimation – bspw. des Verwaltungshandelns – hingewiesen. So könne vermutet werden, dass die Wissenschaft zunächst auch als „Legitimationsbeschafferin“ angesehen werden kann – und dies eine Motivation zur Kooperation darstelle. 

In Bezug auf die Zusammenarbeit könnten die unterschiedlichen Zielsysteme (Publikationsinteresse bei Wissenschaft, Anwendungsorientierung bei Praxis) und damit einhergehende unterschiedliche Anforderungen an die Prozesse Spannungen – und auch Störungen in der Kooperation auslösen.

Mögliche Rollen- oder Zielkonflikte können auf verschiedenen Ebenen angelegt sein, sei es durch widerstreitende Ziele (und Erwartungen) der Praxis, aber auch durch Widersprüche zwischen den Erwartungen an die Wissenschaft und deren eigenem Selbstverständnis. Rollen und Selbstverständnis (aller Akteure) sind fortlaufend zu reflektieren, um Lernerfahrungen fruchtbar zu machen und Klarheit zu gewinnen – bspw. auch darüber, ob eine Nachjustierung von Zielen und Methoden erforderlich ist (Mbah & Brohmann 2021; Schmittinger et al. 2021). Diese grundsätzliche Offenheit kann die Bereitschaft zum Engagement in Forschungskontexten weitergehend motivieren.

Auf den Rahmen kommt es an

Es sind im Vorfeld eines transdisziplinären Projektes gemeinsame Forschungsthemen zu formulieren und die verschiedenen Zielsysteme von Wissenschaft und Praxis sind offen anzusprechen. Dabei sind auch implizite sowie explizite Ziele aufzuzeigen und zu bewerten. Die frühzeitige Einbindung von Praxispartner*innen sollte finanziert erfolgen, verschiedene Zeit- und Zielhorizonte sind zu berücksichtigen und gut abzustimmen. In der Workshop-Diskussion wurde konstatiert, dass die strukturelle Absicherung der Praxisbeteiligung durch Prozess- und Ressourcensicherung mehr Aufmerksamkeit brauche. Dies gilt insbesondere bei kollaborativen Forschungsprozessen mit Bürger*innen – wie sie bspw. Reallabore (Brohmann, Mbah & Kelly 2021) oder auch Transmente (Kleihauer & Führ 2019) darstellen.

Eine gemeinsame Entwicklung von Fragestellungen und Ablaufplanung (Co-Design) sowie die Unterstützung von „soft skills“ in Wissenschaft und Praxis erleichtere den Umgang mit unterschiedlichen Arbeitsweisen oder Ergebniserwartungen. Der Aufbau von Vertrauen sei dabei eine wichtige Voraussetzung. Hierzu bedarf es einer wechselseitigen Sensibilität und auch einer Flexibilität in der Handhabung von Methoden. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit brauche es spezifische Formate der Prozess- und Projektausgestaltung, wie bspw. Exkursionen und Wissensdialoge (Bernhard et al. 2021). Dafür muss insbesondere auf die Kontextpassung geachtet werden, das heißt Prozess- und Gestaltungswissen sollten im Vordergrund stehen.

Hier kann Forschungsförderung, die die Adaption von Themen und Methoden ausdrücklich motiviert und adressiert, unterstützen. Gleichzeitig erscheint es hilfreich auf eine längerfristige Zusammenarbeit aufbauen zu können, die durch ein Netzwerk oder eine Abfolge mehrerer Projekte unterstützt wird (Wanner 2021). Dieser Forderung stehen häufig die kurz gehaltenen Projektlaufzeiten - aber auch die zeitlichen Restriktionen der Akteure - entgegen.

Ausblick

Die Teilnehmenden haben den Wunsch und die Notwendigkeit einer weiteren Zusammenarbeit in transformativen und transdisziplinären Prozessen bestärkt, gleichzeitig aber auf die notwendigen individuellen und strukturellen Voraussetzungen hingewiesen:

  • Als Voraussetzung sind die - frühzeitig zu fördernde! - Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses über Problemstellung und Ziele, aber auch der Wille zur Veränderung zu sehen;
  • Neben der Bereitschaft zum Experimentieren auf der individuellen Ebene sind mehr Lernschritte und Wertschätzung für das Experiment auf der Ebene von Organisationen und Institutionen erforderlich;
  • Die laufende Reflexion über die eigene Rolle und Ziele, über unterschiedliche Zeitlogiken und Sachzwänge ist notwendig: sie erfordert ein Zeitbudget und Fördermittel;
  • Das Finden geeigneter Kooperationspartner*innen als auch die Identifikation der Bedarfe der Praxis sind essenziell: neue Informations- und Austauschplattformen könnten dies unterstützen.

Damit noch mehr Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen für Veränderungsprozesse zu begeistern sind, braucht die transdisziplinare Forschung mehr „Erfolgsgeschichten“, so das Fazit eines Teilnehmenden.

Literatur

Bernhard, M., Kreß-Ludwig, M., Lux, A., Brohmann, B. & Mbah, M. (2021): Praxisakteur*innen in der transdisziplinären Forschung – Erfahrungen, Perspektiven und Herausforderungen. Workshop-Dokumentation 17. März 2021, Schader Stiftung Darmstadt https://www.schader-stiftung.de/fileadmin/content/Workshop-Praxisakteure_17.03.21_Dokumentation.pdf

Brohmann, B., Jünger, A. & Tilsner, R. (2019): Partizipation in Stadtentwicklungsprozessen. Eine transdisziplinäre Herausforderung. In SRL, Planerin Heft 6_19, Dezember 2019, S. 41-42

Brohmann, B., Mbah, M. & Kelly, R. (2021): Dokumentation „Das Reallabor – ein Format, viele Ansätze?!“ Workshop am 23.07.2021 im Rahmen des Netzwerks Reallabore der Nachhaltigkeit. Freiburg https://td-academy.org/downloads/Dokumentation_tdAcademy-RL-WS.pdf

Kleihauer, S. & Führ, M. (2019): Arbeitspapier „Transmente“: Entstehung und Arbeitsschritte. s:ne Arbeitspapier, Stand 10.6.2019, hda Darmstadt https://sne.h-da.de/fileadmin/Einrichtungen/sne/sne_Arbeitspapier-Transmente.pdf

Lam, D. et al. (2021): Transdisciplinary research: towards an integrative perspective. GAIA - Ecological Perspectives for Science and Society, Volume 30, Number 4, 2021, pp. 243-249(7) https://doi.org/10.14512/gaia.30.4.7

Mbah, M. & Brohmann, B. (2021): Das Lernen in Organisationen. In: B. Brohmann, A. Brunnengräber, P. Hocke, A. Isidoro Losada (Hg.), Robuste Langzeit-Governance bei der Endlagersuche. Bielefeld: transcript. S. 387ff

Schmittinger, F., Mariani, I., Deserti, A. & Rizzo, F. (2021): SISCODE – Co-Design for Society in Innovation and Science. https://siscodeproject.eu/wp-content/uploads/2021/05/D5.2_Interactive_Guidebook.pdf

Schneidewind, U. et al. (2018): Structure matters: Real-world laboratories as a new type of large-scale research infrastructure. A framework inspired by Giddens’ Structuration Theory. GAIA 27 S1: 12-17 (open access) https://doi.org/10.14512/gaia.27.S1.5 

Wanner, M. (2021): Wirkungsbedingungen des koproduktiven Stadtmachens in Wuppertal. Vortrag beim Workshop „Das Reallabor – ein Format, viele Ansätze?!“, am 23.07.2021 im Rahmen des Netzwerks Reallabore der Nachhaltigkeit

https://td-academy.org/downloads/Dokumentation_tdAcademy-RL-WS.pdf

 

[1] Öko-Institut e.V. Darmstadt/Freiburg; ISOE Frankfurt und Hochschule Darmstadt (h_da)

Cookie-Einstellungen

Unsere Seite verwendet Cookies und ähnliche Technologien. Hierbei wird zwischen technisch notwendigen Cookies zum Bereitstellen der Webseite und optionalen Cookies, z.B. zur Auswertung der Webseitennutzung, unterschieden.
Mehr Informationen dazu finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen. Dort können Sie auch jederzeit Ihre Präferenzen anpassen.

Erweiterte Einstellungen