Rückschau: Zukunft Mollerstadt – Architektur und Funktionen
Artikel vom 09.12.2020
Die finale Veranstaltung der öffentlichen Diskussionsreihe „Zukunft Mollerstadt“
Architektur und Funktionen
Am 9. Dezember 2020 ging die öffentliche Veranstaltungsreihe „Zukunft Mollerstadt“ in die letzte Runde. Wie schon in den vorhergehenden Veranstaltungen der Reihe stellten Studierende der Fachbereiche Architektur sowie Bau- und Umweltingenieurwesen der Hochschule Darmstadt ihre Visionen für die Mollerstadt vor. Das Thema des Abends war „Architektur und Funktionen“. Obwohl die Mollerstadt in sich viel Potenzial birgt und eine Mischung verschiedener Nutzungen bereits vorhanden ist, krankt sie im gewerblichen Bereich an einer einseitigen Ausrichtung auf den Einzelhandel und die Gastronomie. Auch wenn viele Menschen, vor allem Studierende und Menschen mit Migrationshintergrund, im Quartier wohnen, gibt es wenig Wohnfolgefunktionen und kaum öffentlichen Raum mit kostenfreien Nutzungsangeboten.
Die Studierenden haben deshalb räumliche Konzepte entwickelt, die erlauben, die funktionale Bespielung zu mischen sowie Nachbarschaftsbildung und öffentliche Raumnutzungen zu stärken.
Neue Wege in und um die Mollerstadt
Die erste Session des Abends beschäftigt sich im Speziellen mit dem Thema „Wohnen und Gewerbe“ in der Mollerstadt. Hier haben Studierende Ideen entwickelt, wie das Stadtviertel durch eine Miteinbeziehung von Gewerbefläche aufgewertet werden könnte. Unter anderem stellten sich die Studierenden größere Eingriffe in die Struktur der Mollerstadt vor. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Parzellenraster beinhaltet relativ gleiche Raumangebote, die vor allem auf den Einzelhandel oder die Gastronomie zugeschnitten sind. Größere zusammenhängende Flächen in den Höfen könnten mehr Varianz in das Raumangebot bringen und flächenintensivere Formen von Konsum oder ruhigem Gewerbe, wie zum Beispiel einen Fachmarkt, in die Struktur integrieren. Mit dem Bauen in die Höhe, zum Beispiel durch die Realisierung von Hochhäusern, kann eine große Diversität von Nutzungsarten durch neue Flächenangebote integriert werden, ohne dabei viel Grundfläche neu zu überbauen. Die Errichtung von Hochhäusern hat auch den Vorteil, damit das Stadtzentrum der Mollerstadt stärker räumlich zu markieren.
Um die Aufenthaltsqualität der Mollerstadt zu steigern, haben sich Studierende in der folgenden Session Gedanken zu Fragen der Nachbarschaft und des öffentlichen Raumes gemacht. Um nicht-kommerzielle Begegnungsorte zu schaffen, schlagen die Studierenden vor, leerstehende Räume der Mollerstadt für die Gemeinschaftsnutzung umzufunktionieren. Mit simplen Mitteln können aus diesen Räumen Repair-Cafés oder Sharing-Konzepte entstehen, die auch als Begegnungsorte dienen können. Ein weiteres studentisches Projekt konzipiert ein Quartiershaus in der Mollerstadt, worin und worum sich das Quartierleben drehen wird. Mit einem Quartierscafé oder einer Waschbar, die für alle Menschen in der Mollerstadt zugänglich sind, sollen auch hier neue Begegnungsorte geschaffen werden. Zum Abschluss der Veranstaltung warfen die Studierenden auch noch einen Blick über die eigentliche Mollerstadt hinaus. Hier wurden die angrenzenden Zonen mit in die Projekte einbezogen. Eine Bildungs- und Kulturmeile, etwa von der „Kuppelkirche“ über das Staatstheater bis hin zum Hochschulcampus, könnte auf die Mollerstadt ausstrahlen und diese mit aufwerten. Auch benachbarte öffentliche Grünräume, wie die Landgraf-Philipps-Anlage, könnten öffentliche Funktionen aufnehmen und stärker als soziale Räume für die Anwohner der Mollerstadt ausgebaut werden.
Wissenschaft und Praxis sind inspiriert
Die Replikgeber*innen des Abends freuten sich besonders über die Inspiration, die sie von den Studierenden mitnehmen konnten. Dr. Christina West von der Hochschule Darmstadt beeindruckte besonders, die Mollerstadt ganz anders zu denken. Sie sprach sich für radikale Ideen aus, wie zum Beispiel ein „Moller-Manhattan“, anlehnend an die studentischen Konzepte, Hochhäuser in das Viertel zu bringen. Das alte Innenstadtmodell funktioniert nicht in der Mollerstadt und nur mit innovativen und kreativen Konzepten, wie die der Studierenden, kann man sie wieder beleben. Beeindruckt von der Fantasie der Studierenden zeigte sich auch Jochen Krehbiehl vom Planungsamt der Wissenschaftsstadt Darmstadt, auch wenn er auf die „Realitätsfalle“ verweisen muss, die eine Umsetzung der Projekte schwierig machen wird. Besonders verfolgenswert, aus Sicht der Stadt, sieht er jedoch die Bildungs- und Kulturmeile, denn Visionen wie diese werden bereits von der Stadt selbst verfolgt und umgesetzt. Dr. Marina Hofmann von der Industrie- und Handelskammer Darmstadt hat vor allem die aktuelle, prekäre Situation des Einzelhandels im Blick und freute sich über den kreativen Mut der Studierenden. Für sie steht die Mollerstadt unter dem Motto „Gekommen um zu bleiben“ – und die studentischen Arbeiten bieten hervorragende Grundlagen dafür.
Bericht von Luise Spieker, Praktikantin der Schader-Stiftung
Ansprechpartnerin ist Dr. Michèle Bernhard
Mit dem s:ne-Konzept war die Hochschule Darmstadt (h_da) in der Bund-Länder-Förderlinie „Innovative Hochschule“ erfolgreich. Partner im Vorhaben sind das Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt (IWU), das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), das Öko-Institut, die Schader-Stiftung, die Software AG und die Unternehmensberatung „e-hoch3“.