Krieg und Frieden im Weltraum
Artikel vom 01.01.1970
Über die Zukunft der Menschheit im All. Ein Blogbeitrag von Thomas Hörber.
Neue Welten, neue Ordnungen
Die Erdbevölkerung ist noch weit davon entfernt, eine interstellare Zivilisation zu werden – abgesehen von ein paar glücklichen Raumfahrer*innen hat die Menschheit ihren Heimatplaneten nie verlassen. Dennoch ist die Bedeutung des Weltraums im 21. Jahrhundert enorm. In gewisser Hinsicht hängt das (Über-)Leben auf der Erde vom Weltall ab, denn die Raumfahrt hat erheblichen Anteil an der Zukunft der Menschheit. Die Bekämpfung des Klimawandels mithilfe von Satellitenbildern, die Nutzung von Weltraumressourcen, sowie die Erkundung des Alls auf der Suche nach potenziellen menschlichen Lebensräumen sind nur einige Beispiele für die künftigen Relevanz des Alls. Einige Wissenschaftler*innen gehen gar davon aus, dass die Raumfahrt die Beziehungen auf der Erde umgestaltet und neue Ordnungen schafft. Deshalb muss die gesellschaftswissenschaftliche Beschäftigung mit dem Weltall auch als Auseinandersetzung mit potenziellen Zukünften der Menschheit betrachtet werden.
Die Erkundung des Weltalls wird häufig in Verbindung zur Entdeckung der „neuen“ Kontinente seit Beginn der Neuzeit gesetzt. Auch wenn dieser Vergleich umstritten ist, lassen sich daraus Analogien ziehen, die auch heute noch immer aktuell sind. Damals wie heute bedarf es dreier Kriterien, um derartige weltverändernde Entdeckungen zu erzielen: politischem Willen, Pionierleistungen sowie angemessenen Werkzeugen und Technologien. Allerdings kann diese Analogie auch zur Warnung werden. Besonders die von einigen Akteur*innen angestrebten Kommerzialisierungen des Weltraums und mögliche Besiedlung neuer Lebensräume bergen wie auch schon früher enormes Konfliktpotential.
Krieg und Frieden
Im Kontext eines zunehmend konfliktreichen Weltgeschehens auf der Erde scheint die Menschheit auch im All vor der Entscheidung zu stehen: Krieg oder Frieden? Gerade im Weltraum wird diese Thematik durch zunehmende Militarisierung und Bewaffnung brisant. Hinter der Frage einer konfliktiven oder friedlichen Nutzung des Alls steht auch die Entscheidung zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Umgangsformen, die mit der Entdeckung neuer Räume verknüpft sind. Einerseits herrscht das Verlangen nach Eroberung, Besetzung und Ausbeutung neu entdeckter Umgebungen, welches Konflikte nach sich zieht. Auf der anderen Seite steht die friedliche Erkundung unbekannter Orte, wo Neugier, Kreativität, Solidarität und Erforschungsdrang die obersten Direktiven menschlichen Handelns sind.
Im Kontext dieser Wahl zwischen Krieg und Frieden lassen sich zwei Szenarien skizzieren. Im ersten könnte der Weltraum durch friedliche Nutzung und internationale Kooperation zu einem Medium werden, das es der Menschheit ermöglicht, ihre Zukunft durch die Nutzung des Alls zu realisieren und die bekannten Utopien zu verwirklichen. Im zweiten währt der Krieg fort, der dazu führt, dass sich die konfliktreiche Geschichte der Menschheit, die wir längst verbannt glaubten, nicht nur wiederholt, sondern auch auf andere Planeten ausweitet.
Ein großer Schritt
Die Hoffnung ist, dass die Menschen angesichts der unermesslichen Weiten des Weltraums erkennen werden, dass wir in der Tat klein sind und dass es im Weltraum keine Rolle spielt, welcher Nationalität man angehört. Im Weltall muss man erst einmal überleben, was allein nicht einfach ist; dann kommt es auf die Erforschung und Entdeckung an, die man nicht allein schaffen kann; schlussendlich führt das hoffentlich zum Aufbau einer guten interstellaren Gesellschaft, die man ebenfalls nicht allein gründen wird.
Die ersten Menschen werden zweifellos Botschafter*innen sein, aber wofür? Die Menschheit, die bereit ist, den nächsten großen Schritt in ihrer Entwicklung zu tun? Die Entscheidung liegt bei uns.
Autor
Von Thomas Hörber, Professor und Direktor des EU*Asia Institute an der School of Management der École Supérieure des Sciences Commerciales d'Angers (ESSCA) in Frankreich.
Bei der Fachtagung „Towards a Moon Village? Constructing Sustainable Buildings and Society on Earth and in Space”, die vom 18. - 19. März im Schader-Forum stattfand, war Thomas Hörber Kooperationspartner; in diesem Zusammenhang ist der obenstehende Blogbeitrag entstanden.