Wandel in den Köpfen - Religiosität
Artikel vom 03.03.2004
Generell lässt sich sagen, dass der Einfluss der Religion im privaten sowie im gesellschaftlichen Leben der Deutschen zunehmend an Bedeutung verliert. In Westdeutschland häuft sich die Zahl der Kirchenaustritte, in den neuen Bundesländern gehört ohnehin nur eine Minderheit der Bevölkerung einer Konfession an. Während beiden christlichen Volkskirchen aber von einem Rückgang der Kirchenmitgliedschaften betroffen sind, befinden sich andere Glaubensgemeinschaften, häufig durch Zuwanderung, auf dem Vormarsch.
Daten zur Religiosität
„Die Bevölkerung in Deutschland gehört überwiegend einer der beiden christlichen Volkskirchen an, und zwar je zu knapp einem Drittel der katholischen und der evangelischen Konfession. Eine Minderheit von 2,5 % (rund 2 Mill.) bekennt sich zu anderen christlichen Gemeinschaften, z. B. zu einer orthodoxen Kirche oder zu einer evangelischen Freikirche. Ein weiteres knappes Drittel (32 %) der Bevölkerung gehört keiner oder einer nicht-christlichen Glaubensgemeinschaft an.
1999 gehörten in Deutschland etwa 82 000 Personen einer jüdischen Gemeinde an. Vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten waren im Deutschen Reich 1933 etwa 503 000 Juden ansässig. Die größten jüdischen Gemeinden befinden sich in Berlin und Frankfurt am Main.
Durch den Zuzug von Ausländerinnen und Ausländern haben Religionsgemeinschaften an Bedeutung gewonnen, die früher in Deutschland kaum vertreten waren, so z. B. der Islam, der 2000 schätzungsweise in der Bundesrepublik Deutschland etwa 3 Mill. Anhängerinnen und Anhänger hatte.“
Entwicklungen innerhalb der katholischen Kirche
„Der Anteil der Katholiken ist im Süden und Westen Deutschlands überdurchschnittlich hoch, insbesondere im Saarland, in Bayern, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen. Im Norden überwiegt dagegen die evangelische Bevölkerung.
Ende 1999 lebten rund 27 Mill. Katholikinnen und Katholiken in Deutschland. Ihr Anteil an der Bevölkerung betrug damit rund 33 % und ist seit 1950 nahezu gleich groß geblieben. Der Zuzug von Menschen katholischen Glaubens - meist ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ihren Familienangehörigen - hat die zu Beginn der 70er-Jahre steigende Zahl von Kirchenaustritten (1970: 69.000) kompensieren können. 1999 lag die Zahl der Austritte in Deutschland bei 131 125.
Die katholische Kirche in Deutschland ist in sieben Erzbistümer und 20 Bistümer gegliedert. Die Zahl der Pfarreien und sonstiger Seelsorgestellen betrug 13.239 (1999). In der Pfarrseelsorge waren 1999 rund 10.000 Weltpriester und Ordenspriester tätig; ein Pfarrseelsorger betreut im Durchschnitt 2.700 Gläubige. Wegen Priestermangels können jedoch nicht alle Kirchengemeinden mit einem Priester besetzt werden. (...)
Die Teilnahme an den sonntäglichen Eucharistiefeiern ging im früheren Bundesgebiet zwischen 1960 und 1989 um 5,8 Mill. Besucherinnen und Besucher oder um fast 49 % auf 6,1 Mill. zurück. 1999 besuchten rund 4,5 Mill. Menschen den Sonntagsgottesdienst, dies sind durchschnittlich 16,6 % aller Katholiken in Deutschland. An Feiertagen oder an den Hochfesten der Kirche ist die Teilnahme an den Eucharistiefeiern höher.
Der starke Rückgang bei den kirchlichen Trauungen und Taufen gegenüber 1960 muss im Zusammenhang mit der starken Abnahme der standesamtlichen Eheschließungen und der Geburtenzahl gesehen werden. Gleichwohl ist die Bereitschaft zur katholischen Eheschließung und insbesondere zur katholischen Taufe nach wie vor weit verbreitet. Nahezu alle verstorbenen Katholikinnen und Katholiken werden auch heute noch kirchlich beerdigt.“
Entwicklungen in der evangelischen Kirche
„Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) umfasste Ende 1999 über 26,8 Mill. Mitglieder. Dies entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 32,7 % bzw. rund 36 % an der deutschen Bevölkerung. Bei der Volkszählung im Jahre 1950 lagen diese Anteile noch bei jeweils rund 51 %.
In den 24 Gliedkirchen der EKD waren Ende 1999 knapp 24.000 Theologinnen und Theologen im aktiven Dienst tätig. Im Gemeindedienst in Deutschland standen gut 16.000 Pfarrerinnen und Pfarrer. Auf einen Gemeindepfarrer entfielen damit im Durchschnitt rund 1.670 Kirchenmitglieder, im Jahre 1964 waren es noch durchschnittlich knapp 2.500.
Im Jahre 1999 kamen in den Gliedkirchen der EKD auf 100 lebend geborene Kinder mit einem oder zwei evangelischen Elternteilen 78 evangelische Kindertaufen (1963: 77). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Vergleich von Taufen und Geburten durch die so genannten ‚Spättaufen‘, d. h. Taufen von Kindern im Alter von ein bis dreizehn Jahren, beeinträchtigt wird. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der evangelischen Kindertaufen erreichte 1999 EKD-weit 28,8 %.
Die Anzahl der Trauungen ging auch bei der evangelischen Kirche zurück. Während sich in den westlichen Gliedkirchen der EKD im Jahr 1963 von 100 Paaren mit einem oder zwei evangelischen Partnern 62 Paare nach vollzogener standesamtlicher Eheschließung evangelisch trauen ließen, waren es 1999 36 Paare. Im EKD-Durchschnitt lag die Trauziffer 1999 ebenfalls bei 36 Paaren. In Deutschland wurden 1999 fast 90 % aller evangelischen Verstorbenen von einem evangelischen Pfarrer bzw. einer evangelischen Pfarrerin zur letzten Ruhe geleitet.
Im Jahre 1999 wurden in Deutschland im Durchschnitt von zwei Zählsonntagen 1,2 Mill. Gottesdienstbesucher gezählt, das waren 4,6 % der evangelischen Kirchenmitglieder. 9,2 Mill. Menschen (34,1 % der EKD-Kirchenmitglieder) besuchten 1999 die Christvespern und Metten am Heiligen Abend. Die Beteiligung am Abendmahl nahm von 1972 bis 1985 bedeutend zu. Ab dem Jahr 1995 ging die Zahl der Abendmahlsgäste in den westlichen Gliedkirchen etwas zurück (1995 rund 9.148.000 Beteiligungen, 1996 etwa 8.927.000 Abendmahlteilnehmer/innen), stieg aber in den östlichen Gliedkirchen (1995 ca. 1.674.000 Beteiligungen, 1996 etwa 1.734.000 Abendmahlteilnehmer/innen). Insgesamt wurden 1999 in Deutschland rund 10,7 Mill. Abendmahlsgäste gezählt.
Stärker als die katholische Kirche ist die evangelische Kirche von Kirchenaustritten betroffen. Sie erreichten im früheren Bundesgebiet 1970 und 1974 Höhepunkte, waren bis 1979 rückläufig und bewegten sich dann auf einem verhältnismäßig hohen Niveau. Nach der kirchlichen Wiedervereinigung (Beitritt der östlichen Gliedkirchen zur EKD) war in Deutschland 1992 zunächst ein Anstieg der Kirchenaustritte von 321.000 (1991) auf 361.000 zu verzeichnen. Im Laufe der folgenden Jahre hat sich die Zahl der Kirchenaustritte bis 1998 nahezu halbiert (183 000). Erst 1999 ist im Vergleich zum Vorjahr wieder ein Anstieg auf 193.000 zu verzeichnen. Kompensiert werden die Kirchenaustritte zum Teil von Aufnahmen in die evangelische Kirche. Von 1974 bis 1998 stiegen die Aufnahmen in den westlichen Gliedkirchen von 17.000 bis auf 51.000 (EKD insgesamt 1998: 62.000).“
(Statistisches Bundesamt 2002: Datenreport 2002, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 171 ff.)
Literatur und Links
Links zu den Themen Lebensstile, Werte, Einstellungen und Religion
- Emnid Bielelfeld
- Forsa Berlin
- Forschungsgruppe Wahlen Mannheim
- Infratest Dimap München
- Institut für Demoskopie Allensbach Die fünf großen deutschen Institute zur Erforschung politischer Einstellungen präsentieren auf ihren Homepages die aktuellsten Umfragedaten.
- Sektion Religionssoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Angeboten werden Publikationslisten, Tagungsankündigungen und aktuelle Informationen.
- Sinus Sociovision Die Entwickler der „Sinus-Milieus“ stellen ihre jeweils aktuelle Milieu-Landschaft vor.
Downloadbare Dokumente
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- Mochmann, Ingvill Constanze 2003: Lifestyles, social milieus and voting behaviour in Germany : A comparative analysis of the developments in eastern and western Germany. pdf-Datei, 1.112 kb
- Noelle-Neumann, Elisabeth / Petersen, Thomas 2001: Zeitenwende. Der Wertewandel 30 Jahre später. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 29, S. 15-22. Online-Version
- Opaschowski, Horst W. 2001: Die westliche Wertekultur auf dem Prüfstand. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 52/53, S. 7-17. Online-Version
- Schneider, Carsten 2000: Veränderungen von Arbeits- und Umwelteinstellungen im internationalen Vergleich, Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. pdf-Datei, 598kb
- Statistisches Bundesamt 2002: Datenreport 2002, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. pdf-Datei, 7755kb
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