Kulturelle Praktiken 4.0 – Verführung oder Selbstbestimmung? Großer Konvent der Schader-Stiftung 2016
Artikel vom 18.11.2016
Bei der Jahrestagung des Großen Konvents der Schader-Stiftung am 18. November 2016 ging es darum, zentrale gesellschaftswissenschaftliche Herausforderungen zu benennen und daraus Themen für die Stiftungsarbeit abzuleiten. Einblick in die Arbeit des Großen Konvents bieten die Kongresspublikation und eine Videodokumentation.
Kulturelle Praktiken 4.0
Der vierte Große Konvent der Schader-Stiftung tagte zum Thema „Kulturelle Praktiken 4.0 - Verführung oder Selbstbestimmung?“ am 18. November 2016 im Schader-Forum in Darmstadt.
Einmal jährlich führt ein Großer Konvent die Partner und Nutzer der Stiftung zusammen, um ganz konkret gesellschaftswissenschaftliche Themen zu beraten, zentrale gesellschaftswissenschaftliche Herausforderungen zu benennen und daraus Themen für die Stiftungsarbeit abzuleiten. Einblick in die Arbeit des Großen Konvents bieten eine Kongresspublikation und eine Videodokumentation, die noch in diesem Jahr erscheinen.
Gut 140 Gesellschaftswissenschaftlerinnen und Gesellschaftswissenschaftler, Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, des Wissenschaftsmanagements und der angewandten Wissenschaft, Verbänden und nichtstaatlichen Organisationen kamen im Schader-Forum in Bessungen zusammen.
Prologe
Zur Einführung wurden zunächst zwei einleitende Vorträge von Alexander Sander vom Verein „Digitale Gesellschaft“ in Berlin und Prof. Dr Katharina Anna Zweig von der Technischen Universität Kaiserslautern gehalten, die jeweils aus ihrer Sicht den Status Quo des komplexen Themas beschreiben.
Keynotes
Die erste Keynote hielt Prof. Dr. Dr. h.c. Claus Leggewie vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen. Er plädierte für erhöhte Anstrengungen zur politischen Organisation, um rechtspopulistischen Bewegungen entgegenzutreten. Dabei ist auch der digitale Raum zu erschließen mit der Einbeziehung der in den letzten Jahrzehnten politisch unter- oder sogar nicht-repräsentierten Bevölkerungsschichten.
Wie entwickelt sich Kultur unter dem Einfluss von Digitalisierung? Verändert sich beispielsweise die Kommunikation durch digitale Medien oder tritt in der Anonymität des Internets nur zutage, was unter der zivilisatorischen Oberfläche schon immer gelauert hat? In ihrer Keynote zum Großen Konvent der Schader-Stiftung zeigte die Netzpolitikerin und Unternehmensberaterin Anke Domscheit-Berg auf, wie Aggression, "Shitstorm", "Hate-Speech" aus den sozialen Medien auf die reale Welt überschwappt. Politiker werden nun auch physisch bedroht. Besonders Frauen leiden unter digitalen Drohgebärden. Verhaltensänderungen sind die Folge, beispielsweise der Rückzug von Frauen aus dem öffentlichen Raum, so die Kandidatin der Linken für die Bundestagswahl 2017.
Dialog-Cafés
In den folgenden Dialog-Cafés befasste sich der Große Konvent mit übergreifenden Themen und verknüpfte damit Fragen aus der Projektarbeit der Stiftung, der Wissenschaft und der Praxis miteinander. Dabei bestand für die Teilnehmenden die Möglichkeit, zwischen sechs thematisch fokussierten Dialog-Cafés zu wechseln, die jeweils mehrere Sessions umfassen. Themen waren unter anderem die Gefährdung bürgerlicher Freiheitsrechte durch massenhafte Nutzung von modernen Technologien vor allem in den Bereichen Konsum, Kommunikation und Mobilität, aber auch etwa im Gesundheitswesen, gerade angesichts der Risiken der technologisch-medizinischen Optimierung im Sinne eines „Human Enhancement“.
Zentral waren Fragen zur Digitalisierung der Ökonomie und dadurch veränderten kulturellen Praxis der Wirtschaft und Arbeitswelt. Wie grundlegend und wie umfassend ist der Wandel, der mit Industrie 4.0 und Dienstleistung 4.0 einhergeht, wie entwickelt sich Nachhaltigkeit in der „Smart City“? Städte stehen einerseits in einem globalen Wettbewerb untereinander, andererseits in der sozialen Verantwortung gegenüber ihren Bewohnerinnen und Bewohnern. In diesem Spannungsfeld kommen den Aspekten Nachhaltigkeit, ökonomische Anreize und Gemeinwohl tragende Rollen zu. In einem weiteren Dialog-Café ging es um die Integrationspotenziale im digitalen Zeitalter. Innerhalb von Informations- oder Mediengesellschaften findet die Integration von Migrantinnen und Migranten auch über die Einbindung in den medialen Informations- und Kommunikationsprozess statt. Wie verändern sich aber auch darüber hinaus Medien und Journalismus durch die Prozesse der Digitalisierung?
Der fünfte Große Konvent der Schader-Stiftung findet im November 2017 zum Thema „Definiere Deutschland!“ statt.
Impulsgeberinnen und Impulsgeber
Neben den Keynotes durch Anke Domscheit-Berg und Prof. Dr. Dr. h.c. Claus Leggewie sowie den einleitenden Prologen von Prof. Dr. Katharina Anna Zweig und Alexander Sander wirkten u.a. mit:
- Prof. Dr. Christoph Asmuth, Technische Universität Berlin
- PD Dr. Andreas Boes, Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V., München
- Prof. Karin Christiansen Ph.D., VIA University, Dänemark
- Prof. Dr. Thomas Damberger, Goethe-Universität Frankfurt am Main
- Timo Daum, 2PIR, Berlin
- Michael Herfert, Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT, Darmstadt
- Dr. Ulrike Höppner, Freie Universität Berlin
- PD Dr. Uwe Hunger, Universität Siegen
- Mustafa Isik, Bayerischer Rundfunk, München
- Prof. Dr. Jörn Lamla, Universität Kassel
- Dr. Jens Libbe, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin
- Hilmar von Lojewski, Deutscher Städtetag
- Astrid Raith, Stadt Witten
- Prof. Dr. Ulrike Röttger, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
- Prof. Dr. Heidi Schelhowe, Universität Bremen
- Prof. Dr.-Ing. Arnd Steinmetz, Hochschule Darmstadt
- Christoph Stroschein, GESI Deutsche Gesellschaft für Systeminnovation mbH, Berlin
Begleitung der Dialog-Cafés
- Prof. Dr. Gabriele Abels, Eberhard Karls Universität Tübingen
- Wiebke Drews M.A., European University Institute, Florenz
- Prof. Dr. Ursula Münch, Akademie für Politische Bildung Tutzing
- Prof. Dr. Hanns H. Seidler, stellvertr. Stiftungsratsvorsitzender der Schader-Stiftung
- Prof. Dipl.-Ing. Julian Wékel, Technische Universität Darmstadt
- Dr. Marie-Luise Wolff-Hertwig, ENTEGA AG, Darmstadt
Gesamtmoderation
- Prof. Dr. Klaus-Dieter Altmeppen, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
- Prof. Dr. Stephan Lessenich, Ludwig-Maximilians-Universität München